Einblicke in Lillys (19) Seminararbeit
„Es war furchtbar“: Wie sich Corona auch auf Sportvereine aus dem Kreis Mühldorf ausgewirkt hat
2020 war das Jahr, in dem viele die Hoffnung verloren und gezweifelt haben. Die Sportvereine hatten Angst um ihre Mitglieder, bangten um die eigene Existenz. Eine 19-jährige Mühldorferin hat es jetzt wissenschaftlich untersucht.
Mühldorf – 2020, die Coronapandemie stellt alles auf den Kopf. Schulen sind geschlossen, Ausgangssperren, Maskenpflicht und mittendrin sind Sportvereine. Mitglieder können sich nicht treffen, es finden keine Trainings statt und von vielen Seiten heißt es: Einige Vereine werden die Pandemie wohl nicht überleben. Grund dafür sollen die sinkenden Mitgliederzahlen und die finanzielle Lage sein.
Jetzt, fünf Jahre später, sieht es ganz anders aus. Corona ist kaum noch ein Thema, alles scheint wieder zur Normalität gefunden zu haben. Was ist nun dran an den Horrorgeschichten, dass Vereine die Pandemie nicht überleben werden?
Lilly Gerischer aus Mühldorf ist 19 Jahre alt und macht in diesem Jahr ihr Abitur an der Fachoberschule (FOS) in Mühldorf. Hauptthema eines Kurses waren die Auswirkungen von Corona. Also hat Gerischer eine Seminararbeit geschrieben, welche Folgen die Einschränkungen durch Covid-19 für Sportvereine, im Speziellen für Kinder, hatte.
Soziale Kontakte der Kinder waren eingeschränkt
Sie ist selbst seit fünf Jahren Trainerin in einem Tanzverein in München. Für ihre Arbeit hat sich Gerischer auf Vereine aus den Kreisen Mühldorf und München konzentriert, hat dafür mit einem Mitglied des Vorstands und Trainerin sowie mit einer weiteren Trainerin ihres Sportvereins unterhalten sowie wie mit einer Volleyballerin des TSV Mühldorf.
Kinder hätten sich „oft einsam gefühlt“, Gerischer herausgefunden. Ihnen habe das Zusammensein in Sportvereinen gefehlt. Die sozialen Kontakte der Kinder seien eingeschränkt gewesen, die sportliche Leistungsfähigkeit gesunken.
Wie Gerischer durch ihre Recherche erfahren hat, hätten sich die Kräftigkeit und die Schnelligkeit von Kindern reduziert. Ein Grund dafür sei, dass die Kinder nicht die gleiche sportliche Förderung innerhalb eines Vereins gehabt hätten. Auch die kognitiven Fähigkeiten seien bei Kindern während der Pandemie zurückgegangen. Diese Erkenntnisse leitet die Schülerin aus einer MoMo-Studie aus dem Jahr 2024 ab. Hier untersucht das Insitut für Sport und Sportwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie im Auftrag des Bundesbildungsministeriums die motorische Leistungsfähigkeit, die körperlich-sportliche Aktivität sowie die Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Fluktuation bei den Volleyballern des TSV Mühldorf war „normal“
Viele hatten befürchtet, dass sich in Folge der Pandemie Vereine auflösen, wenn die Mitglieder ausbleiben. Das „stimmt eigentlich gar nicht so wirklich“, sagt Gerischer. Lediglich Neuzugänge seien ausgeblieben. Vereine hätten keine Trainingszeiten anbieten und auch nicht für ihren Sport werben können. Dadurch sei auch die Mitgliedergewinnung nicht möglich gewesen. Kleinere Vereine hätten mehr darunter gelitten.
Stefan Bartsch, Abteilungsleiter beim Volleyball beim TSV Mühldorf, erzählt: Eine Fluktuation habe es schon gegeben, „die aber normal war“. Zusätzliche Abgänge habe er nicht festgestellt. Was hingegen anders war: „Während der Pandemiezeit gab es keine Eintritte in den Sportverein!“ Dafür sei danach aber ein umso stärkerer Zuwachs festzustellen gewesen. Soll heißen: Die Leute, die während Corona nicht eingetreten sind, hätten ihren Mitgliedsantrag dann eben erst ein oder zwei Jahre später eingereicht.
Keine Trainings während der „harten Zeit“
Um die Mitglieder bei der Stange zu halten, sei die Volleyballabteilung kreativ gewesen, erinnert sich Bartsch. So hätten die Mannschaften mal im Freien trainiert, je nachdem was gerade zugelassen war. Sie seien „immer an die Grenzen dessen gegangen, was erlaubt war“. Da Inzidenz und die zulässigen Stufen wochenweise gewechselt hätten, hätten sie die Alternativen „im Wochentakt angepasst“. Bartsch: „Es war furchtbar“.
„Es hat super Spaß gemacht“
Zudem seien die Talentsuchen eingeschränkt gewesen, die in Zusammenarbeit mit den Schulen während des Sportunterrichts Usus seien. Das habe sich besonders an den Jahrgängen 2008/2009/2010 bemerkbar gemacht, wie Bartsch erklärt. Zehn bis 13 Jahre alte Sportler, die sich in genau diesem Alter für gewöhnlich der Abteilung anschließen, seien ausgeblieben.
Auch beim VfL Waldkraiburg seien die Auswirkungen auf die Mitgliederzahlen „gar nicht so wild“ gewesen, erklärt Geschäftsführer Hubert Kamrad. Pro Jahr hätte der Verein rund 300 Kündigungen, diese seien während Corona sogar gesunken. Was allerdings ebenfalls ausblieb, seien die Neuzugänge gewesen. Mittlerweile seien die Mitgliederzahlen etwa wieder auf dem Stand von vor Corona.
Weniger Ehrenamtliche im Verein
Während Covid-19 gab es einige Einschränkungen und es gab weniger Gelder durch Sponsoren. Dadurch dass der Sportbetrieb aber auch weniger war, sei die finanzielle Lage des Vereins relativ gleichgeblieben. Womit der Verein bereits zuvor zu kämpfen hatte, seine Ehrenamtliche gewesen. Die Zahl dieser Personen ging bereits zuvor zurück, „die Tendenz war vorher schon sinkend“, so der Geschäftsführer.
Das Fazit von Gerischer, Kinder hätten unter dem Verlust des Vereinslebens gelitten. Auf Sportvereine hatte sich die Pandemie in sofern ausgewirkt, als dass neue Mitglieder ausblieben und es keine Möglichkeiten zum anwerben gegeben hätte.