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Verzweifelte Suche nach neuem Zuhause

Die Angst vor der Straße: Alleinerziehende Mutter (38) mit drei Kindern kämpft gegen die Zeit

Anya Oehler sucht für ihre drei Kinder, ihren Hund, die vier Katzen und sich dringend eine neue Wohnung. Auf dem Handy hat sie ihre Bewerbungen und über 100 erfolglose Anfragen gespeichert.
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Anya Oehler sucht für ihre drei Kinder, ihren Hund, die vier Katzen und sich dringend eine neue Wohnung. Auf dem Handy hat sie ihre Bewerbungen und über 100 erfolglose Anfragen gespeichert.

Anya Oehler und ihre drei Kinder suchen ein neues Zuhause. Der Mühldorferin wurde gekündigt, als sie im siebten Monat schwanger war – wegen Eigenbedarfs. Ihre Verzweiflung wächst mit jedem Tag.

Mühldorf – Es ist eine ruhige Wohngegend in Mühldorfs Norden zwischen Eisenbahn und Innkanal. Die Straßen sind schmal und ruhig. Die Häuser haben noch Gärten. So auch die kleine Doppelhaushälfte, in der die 38-jährige, alleinerziehende Mutter Anya Oehler mit ihren drei Kindern lebt. 

Ihr vierjähriger Sohn Oliver spielt begeistert im Garten, er kommt nur widerwillig ins Haus. Auch der neunjährige Dackelmischling Lucy ist im Freien. Ein kleines Paradies, das Anya Oehler aber in wenigen Tagen mit ihren drei Kindern, Hund Lucy und den vier Freigänger-Katzen verlassen muss. Wegen Eigenbedarf.

Eigentlich waren langfristige Mieter gesucht

Zwei Jahre ist es her, dass Anya Oehler das Häuschen mit ihrem damaligen Mann bezogen hat, in dem ihre Vermieterin aufgewachsen ist. Die habe damals zu ihr gesagt: „Sie möchte langfristige Mieter, die ihre Kinder hier groß ziehen.“

Umso größer der Schock vor einem Jahr: Der Enkel der Vermieterin möchte mit seiner Freundin das 110 Quadratmeter große Haus mit seinen vier Zimmern selber bewohnen. Oehler schätzt die beiden auf Mitte Zwanzig. 

Sie war damals im siebten Monat schwanger. „Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.“ Die Kündigung zum 31. Mai 2024 konnte sie mithilfe eines Rechtsanwaltes noch abwenden. Sie einigte sich mit ihrer Vermieterin auf einen neuen Termin: 31. März 2025. 

Je näher der 31. März rückt, umso größer wird die Verzweiflung von Oehler: „Ich würde ja gerne ausziehen, aber ich finde einfach nichts. Es ist der Wahnsinn.“ 

Über 100 Bewerbungen seit Oktober geschrieben

Seit Oktober sucht sie: bei Ebay-Kleinanzeigen, Immoscout, Immowelt, Meine Stadt: „Überall.“ Sie schaut nach Anzeigen, hat selber Gesuche aufgegeben. 

Oehler holt ihr Handy vor, öffnet die Liste der gespeicherten Anfragen, scrollt nach unten. Sie scrollt und scrollt und scrollt. Die Liste will nicht enden. Über 100 Bewerbungen habe sie geschrieben. „Aber ich bekomme entweder gar keine Rückmeldungen oder Absagen.“ 

Hund, Katze und Kinder mindern Erfolgsaussichten

Nur drei Wohnungsbesichtigungen habe es gegeben. Aber es passt nicht oder die Vermieter hätten sich anders entschieden. Mit Hunden, Katzen und vor allem mit Kindern sei es schwierig, eine Wohnung zu finden. So ihre Erfahrung. 

Anya Oehler, die in Neumarkt-St. Veit aufgewachsen ist, sucht nicht nur in Mühldorf – auch Richtung Altötting, Burghausen oder Buchbach. Alles sei möglich. Ebenso Niederbayern oder Richtung Wasserburg. Erfolglos. 

Selbst Zwei-Zimmer-Wohnungen habe sie für den Übergang schon überlegt. „Da habe ich gleich Absagen bekommen, weil die für drei Kinder zu klein sind.“

Schon jetzt zahlt Oehler dazu

„Was soll ich machen?“, fragt sie. „Eine Fünfzimmerwohnung kann ich mir nicht leisten.“ Schon jetzt muss sie selber draufzahlen. 800 Euro kostet das Häuschen kalt. Hinzu kommen Gas, Müll, Strom und so weiter. Das Jobcenter übernehme für die Miete nur 768 Euro sowie das Gas. „Den Rest zahle ich drauf, von dem, was ich habe.“

Und das sei nicht viel. Ihr ältester Sohn (8) hat ADHS, braucht viel Zuwendung, der mittlere ist vier und der jüngste erst ein halbes Jahr. „Was wäre ich für eine Mutter, wenn ich ihn jetzt abgebe?“, fragt Oehler und schaut auf den Säugling, der auf ihrem Arm schläft. „Ich möchte meine Kinder selber erziehen.“ Zumindest die ersten Jahre. Also bleibt sie daheim, lebt von Unterhalt, Kindergeld und Geld vom Jobcenter. 

Wohnungsmarkt hat sich radikal gewandelt

Aber genau wegen der Kinder und dem Jobcenter gebe es Absagen, brauche man gar nicht erst anzufragen. Das stehe in vielen Angeboten, berichtet Oehler. „Die Vermieter interessieren sich schon gar nicht mehr für das Schicksal dahinter.“

Überhaupt habe sich der Markt radikal gewandelt, meint Oehler. Früher hätten die Vermieter nicht groß nachgefragt, inzwischen verlangen sie von Bewerbern Schufa-Auskunft, eine Vermieterbestätigung, eine Mieterselbstauskunft sowie Gehaltsnachweise. „Die haben so hohe Anforderungen. Das ist die absolute Katastrophe.“ 

Viele suchen – der Markt ist überfüllt

An Angeboten scheint es nicht zu fehlen. „Es kommen jeden Tag so viele Anzeigen rein, aber man hat so gut wie keine Chance, weil der Markt so überfüllt ist von Leuten, die suchen“, erzählt Oehler. Sehr viele würden eine neue Wohnung suchen, weil sie ebenfalls eine Eigenbedarfskündigung erhalten haben.

„Sobald das Handy piepst, schaue ich drauf“, sagt Oehler. Wenn das Angebot passt, schicke sie sofort eine Bewerbung mit einem Foto und einer Mieterselbstauskunft. „Damit ich ja eine der Ersten bin. Aber ich kriege kein Feedback.“

„Ich hätte es mir einfacher vorgestellt“

„Ich hätte es mir einfacher vorgestellt“, gesteht sie. Deswegen hatte sie sich außergerichtlich auf den Vergleich und den 31. März eingelassen. „Ich will meine Vermieter nicht ärgern, aber ich weiß auch nicht wohin. Ich möchte schon ausziehen, aber ich finde nichts.“

Am Tag nach dem Interview hatte Oehler dann doch noch eine Besichtigung. Erfolglos. 

Neue Lösungen gesucht, aber auch hier Absagen

Jetzt überlegt sie eine Lösung mit Wohngemeinschaften. Aber das sei mit ihren lebhaften Kindern schwierig. 

Und noch eine Möglichkeit zieht sie jetzt in Betracht: „Eine Art Tinyhaus“, schreibt sie. „Ich habe letzte Woche alle Gemeinden per E-Mail angeschrieben, mit der Bitte, ob es in deren Gemeinden eine Grundstücksmöglichkeit gäbe. Das wäre eine Lösung für viele, die in derselben Situation stecken wie ich mit meinen Kindern!“ Auch hier: Absagen von Mühldorf, Waldkraiburg, Töging und Ampfing. 

Oehler gibt nicht auf, geht deshalb an die Öffentlichkeit. Für sich, aber auch für die „vielen anderen, die in der gleichen Lage stecken“.

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