Sommerfestival im Mühldorfer Haberkasten
Georg Ringsgwandl in Mühldorf: Hochamt im musikalischen Irrenhaus? - So lief der Auftritt im Haberkasten
Beim 24. Sommerfestival gastierte Georg Ringsgwandl im Mühldorfer Haberkasten. Die Veranstalter versprachen ein „Hochamt im musikalischen Irrenhaus“. Wurde der Liedermacher den Erwartungen gerecht?
Mühldorf – Manchmal ist es besser, die Erinnerungen Erinnerung sein zu lassen und nicht auf das aktuelle Bild zu schauen. So wie beim Auftritt von Georg Ringsgwandl beim Sommerfestival im Mühldorfer Haberkasten. Der Blick zurück verdeckt, wenn der Rezensent nicht höllisch aufpasst, den Blick auf ein gelungenes Konzert, zeigt aber auch, welche erwünschten und auch angekündigten Versprechen nicht eingehalten wurden.
Ich habe Georg Ringsgwandl erstmals vor über 30 Jahre in Waldkraiburg live erlebt. Er war noch relativ unbekannt und stand vor der Entscheidung: Weiterhin Arzt bleiben oder alles auf die Kunst setzen? Raum und Bühne waren klein, alles ein wenig provisorisch. Ringsgwandl, der heute 74 ist, war jung, wild, schräg. Es war ein berauschender, ein genialer Abend, ein „Da hast was verpasst“-Abend.
Das Versprechen von Radau, Randale und Emotionen
Jetzt über drei Jahrzehnte später also ein Wiedersehen beim Sommerfestival – auch wegen des Plakats und der Ankündigung. Das Plakat zeigte vor schwarzem Hintergrund einen in Purpur getauchten Ringsgwandl mit Gitarre, Anzug und Hut, einen wilden, unscharfen Ringsgwandl, dessen Temperament zu viel ist für die träge Kamera. Darunter der Konzert-Titel: „Wuide unterwegs“. Das versprach Radau, Randale, Emotionen.
Ebenso die offizielle Ankündigung: „Noch einmal der heftige Radau. Sex & Drugs & RocknRoll & Funk & Punk & Maiandacht. Besuch bei den aufgezwickten Gesängen der frühen Jahre. Keine Oldie-Andacht, ein Hochamt für aufgekratzte Geister im musikalischen Irrenhaus.“ Es war also alles angerichtet für einen herrlich wilden, schrägen und schweißtreibenden Abend.
Ein 74-Jähriger und drei geniale, junge Musiker
Im sommerlichen Innenhof trat dann ein ungeschminkter 74-jähriger Ringsgwandl auf die Bühne – begleitet von Stefan Kahne (Bass), Tommy Baldu (Schlagzeug) und Daniel Stelter (Gitarre, Mandoline). Drei junge Musiker, von denen vor allem Stelter ein kongenialer Partner und virtuoser Gitarrist war.
Das Schrägste waren Ringsgwandls Hut und sein rotes Hemd. Ein kurzes „Griaß Euch“ an das überwiegend grauhaarige Publikum und los ging es mit ruhigen, scheinbar entspannten „Tage“, gefolgt vom „Heavy Metal Landler“, einem zynischen Loblied auf das Leben im Wohnmobil.
Kritischer, böser und liebevoller Blick auf das Leben
Ringsgwandl liebt den doppelten Boden. Er vereint den kritischen, bösen, aber auch liebevollen Blick auf das Leben mit hohem musikalischem Können und Finesse, er kontrastiert den bissigen Inhalt liebend gerne mit scheinbar harmlosen Melodien und Grooves, die von volkstümlich bis bluesig, rockig und funky reichen.
Ringsgwandl und seine Band beherrschen die ganze musikalische Bandbreite virtuos. Vor ihm ist nichts und niemand sicher: Weder das „Digitale Proletariat“, noch die Idylle des „Garten Nazi“, noch der Lebenslauf der „Spargelkönigin“ zur Bürgermeisterin: „Es könnte schlimmer sein.“ Oder die geniale Cover-Version von Chuck Berrys „You never can tell“ (bekannt aus Pulp Fiction) über den ganz normalen, brüchigen, kleinbürgerlichen Lebensweg: „So is des Lebn, sagn die Alten. Irgendwie wird’s scho wern.“
Liebe zum wahren, echten Bayern
Ringsgwandl, der aus Bad Reichenhall stammt, liebt seine bayerische Heimat, die echte, wahre, nicht das weiß-blau-touristische Klischee. Und so trällert er „Dahoam is ned dahoam“ oder „Unser Dorf muas schiacher wern“.
Dazwischen war er – nicht nur bei so manchen Moderationen – herrlich sinnfrei und grotesk wie bei der „Thaller-Hymne“. Er singt „Mein Hund wird falsch ernährt“, „Simpler Typ“ und vom Schicksal des „Unterhoserl“. Ringsgwandl kann auch (doppelbödig) lyrisch: „Nest / Di vasteh i nie“ oder „Nur ein paar alte Sachen“. Nach gut zwei Stunden markiert „Gute Nacht, die Damen“ den Rausschmeißer und erntet begeisterten Applaus.
Weil noch genügend Zeit bis zur Haberkasten-Sperrstunde war, gab es reichlich Zugaben. Den Schlusspunkt setzte das ruhige „Wia de Johr vorbeigehn“: „Aber mir, mir is des alles Wurst. I kauf ma a Halbe für mein Durst. Weil ändern tuat se sowieso nichts. Prost, mei Freund, was solls.“
Hast was verpasst?
„Wuide unterwegs“ im Haberkasten war eher ruhig, hintersinnig, doppelbödig, manchmal auch poetisch und lyrisch. Ein Abend zum gepflegten Mitwippen, aber schrill, schräg, grotesk, schweißtreibend oder „wuid“ war er nicht. Kurzweilig und unterhaltsam ja, aber kein Abend, von dem der Rezensent sagen würde: „Da hast was verpasst.“
