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Darauf thronen Mühldorfer Bürgermeister

„Mission impossible“ – Wie Otto Hartinger vor 50 Jahren das Wahrzeichen des Faschings baute

Narrenschiff Mühldorf
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Besuch in der Werkstatt des Bauhofs (von links): Bauhofleiter Wolfgang Huber und sein Stellvertreter Manfred Wimmer, Otto Hartinger und Schreiner Walter Lohr. 

Otto Hartinger (89) wurde mit dem Bau des Narrenschiffs der Inntalia beauftragt. Noch heute treibt ihm die Erinnerung daran den Schweiß auf die Stirn.

Mühldorf – „Ja, is denn heit scho Faschingssonntag“, werden sich jetzt vielleicht einige Leser fragen. Nein, das ist nicht der Fall. Trotzdem bat die Heimatzeitung Otto Hartinger zu einem ganz besonderen Interview. Immerhin ist der 89-Jährige der Erbauer des Mühldorfer Narrenschiffes, das jährlich beim Faschingszug seinen großen Auftritt hat. Und das bis zum heutigen Tag.

Der ehemalige städtische Bauhof-Mitarbeiter tupft sich im Nachhinein noch symbolisch den Schweiß von der Stirn, wenn er sich an diesen Auftrag erinnert. „Anfang der 1970er Jahre erschienen der damalige Mühldorfer Bürgermeister Josef Feder und Stadtbaumeister Franz Vaas bei mir und verkündeten ich soll aus einem Lkw ein fahrendes Narrenschiff bauen. Da bin ich regelrecht erschrocken“. Federer war jedoch überzeugt, der Hartinger wird’s schon machen.

„Es fehlte an Material“

Vor der Arbeit habe er sich sein ganzes Leben lang nicht gefürchtet, aber dieses Ansinnen des Bürgermeisters sei schon etwas heikel gewesen. „Außerdem fehlte es an Material“, erinnert sich der Mühldorfer, der gemeinsam mit seinem mittlerweile verstorbenen Kollegen Albert Jost erst mal auf Brettersuche gehen musste. Am Stadtwall wurde zu dieser Zeit gerade ein Zaun abmontiert. Die Bretter reservierte sich Hartinger gleich für das geplante Großprojekt. Anbauplatten vom Schneepflug mussten herhalten und weiteres Material wie Kanthölzer, Latten, Schrauben und Farben wurden letztendlich doch noch zugekauft.

Bei einigen Faschingsumzügen marschierte Schiffsbauer Otto Hartinger selbst mit einem Einweisestab vorne weg.

Bei jedem Wetter im Freien gewerkelt

Hartingers Narrenschiff bestand aus drei Teilen: Bug, Heck und ein Mittelteil, sodass es zerlegt werden konnte. Das Schiff zimmerten Hartinger und Jost während der kalten Jahreszeit zusammen. Der Bauhof war seinerzeit im Gebäude der heutigen Stadtbücherei untergebracht. „Das Schiff bauten wir aber hauptsächlich im Freien und zwar bei jedem Wetter, egal ob es schneite oder stürmte“, betont der Mühldorfer. Die Konstruktion ist hinsichtlich ihrer Größe durchaus eine beachtliche Hausnummer. Die Maße: zwölf Meter lang, 3,10 Meter breit und 4,50 Meter hoch.

Anfänglich leuchtete das Narrenschiff in den Stadtfarben.

Wie das Schiff auf dem Lastwagen befestigt wurde weiß Otto Hartinger noch ganz genau. „Das Vorderteil machten wir an der Schneepflugplatte fest, das Mittelteil an den Bordwänden des Lkw und das Heckteil an der Anhängerkupplung.“ So aufgerüstet startete das nagelneue Gespann nach wochenlanger Arbeit zu einer Probefahrt. „Schließlich mussten wir prüfen ob unser Schifferl überhaupt durchs Altöttinger Tor passt“, meint Hartinger schelmisch, der mit seinen knapp 90 Jahren immer noch eine große Portion Humor besitzt.

1972 über den Stadtplatz gerattert

Im Fasching 1972 ratterte das Narrenschiff dann tatsächlich stolz durch Mühldorfs gute Stube. Der Fahrer des Gefährts musste sich anfangs von unten her zur Führerkabine hangeln. „Das ist heute nicht mehr der Fall. Jetzt krabbelt der Lenker an der Fahrerseite durch eine kleine Türe“, so Wolfgang Huber, Leiter des städtischen Bauhofs. Nach wie vor ist es aufgrund der Sichtverhältnisse nicht ganz einfach, dieses Unikum zu steuern.

Daher marschieren immer Leute mit Einweisestäben vor dem Narrenschiff einher. Diesen Job übernahm anfangs sogar der Schiffsbauer höchst persönlich. „Später durfte mein Mann das Gefährt selber fahren, worauf er ziemlich stolz war“, verrät Gattin Luise Hartinger. Sie besorgte Otto einen Matrosenanzug, schließlich sollte auch sein äußeres Erscheinungsbild zum Narrenschiff passen.

Jahrelang auf- und wieder abgebaut

Weil der Lastwagen, Baujahr 1971, seinerzeit für Tätigkeiten am Bauhof benötigt wurde konnte das Schiff nicht verankert bleiben. Es wurde jedes Jahr auf- und wieder abgebaut. Erst 1998 änderte sich die Lage als der Lkw in den Ruhestand ging. Seit dieser Zeit steht das Narrenschiff mit dem Laster fest verbaut und verschraubt in einem städtischen Bauhof-Depot und wartet dort geduldig auf den nächsten Faschingszug und natürlich auf die Honoratioren, die hoch auf dem Narrenschiff dem närrischen Volk zuwinken und Süßigkeiten werfen. Neben dem Inntalia-Prinzenpaar und der Garde thront immer auch der aktuelle Bürgermeister in luftiger Höhe. Michael Hetzl ist hinter Josef Federer, Günther Knoblauch und Marianne Zollner der vierte Rathauschef der auf dem „Hartinger-Schiff“ einen Ehrenplatz einnimmt.

Das über 50 Jahre alte Unikum bezeichnet Wolfgang Huber als schönes Erbstück, das erhalten und gepflegt gehört. Anfallende Ausbesserungsarbeiten am Schiff liegen in den Händen von Schreiner Walter Lohr. Manfred Wimmer, stellvertretender Bauhofleiter, kümmert sich akribisch um die Funktionsfähigkeit des Gefährts, das jedes
Jahr vom TÜV geprüft wird. Außerdem sind die Bauhofleute für die Dekoration zuständig.

Otto Hartinger, der im Dezember 90 Jahre alt wird, schmunzelt, denn er freut sich über den Zeitungsartikel und die damit unverhoffte öffentliche Würdigung seiner damaligen Arbeit, die bis heute Bestand hat. „Aber übermütig werde ich trotzdem nicht“, ist sich der Senior ziemlich sicher.

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