Gute Chance für junge Leute
Fachkräftemangel in Mühldorf: So soll der Einstieg ins Arbeitsleben perfekt gelingen
Fachkräftemangel, Nachwuchsförderung, teures Studium und Wohnraummangel, schwierige Einarbeitungsprozesse: Diese Probleme wollen heimische Firmen mit einem Mittel bekämpfen. Das bietet viele Vorteile und einen kleinen Nachteil für junge Leute.
Mühldorf - Stefanie Müller hatte eigentlich keinen richtigen Plan. Nach dem Abitur stand sie zwischen Theorie und Praxis, konnte keine besonders überragenden Noten vorweisen. Was also tun? Da kam ihr ODU gerade recht und vor allem das Angebot des Mühldorfer Steckerherstellers, Ausbildung und Studium zu verbinden. So legte die 23-Jährige 2018 nicht nur ihr Abitur in Waldkraiburg ab, sondern begann nach „sehr ausführlichen Bewerbungsgesprächen“ als Werkzeugmacherin eine Lehre bei ODU. Ein Jahr später kam dann das Studium am Campus Mühldorf dazu. Jetzt steht sie kurz vor dem Abschluss als Maschinenbauerin.
Müller ist eine von 20 jungen Leuten, die bei ODU dual studieren, das heißt, gleichzeitig eine Lehre und ein Studium absolvieren. Viele am Campus Mühldorf der Hochschule Rosenheim, andere in Deggendorf oder Regensburg. Zumeist in technischen Fächern, wie im Fall von Simon Karl, aber auch auf andern Gebieten. Der 22-Jährige war bereits Student der Kulturwissenschaft in Passau, bevor er sich für einen direkten Einstieg ins Berufsleben entschied.
Er begann eine Lehre als Industriekaufmann und fiel seinen Führungskräften auf, sodass sie ihm das duale Studium anboten. Jetzt wird er Wirtschaftsingenieur in Landshut und arbeitet in der Marketingabteilung bei Nicole Schindlbeck. Nach ihrer Ansicht bietet das Duale Studium sowohl den jungen Leute als auch dem Unternehmen gute Chancen. Denn beide wissen sehr gut, worauf sie sich einlassen. „Die jungen Leute werden sehr gut ausgewählt und sie wählen ODU ganz bewusst aus“, sagt Schindlbeck, „So bekommen wir fertig einsetzbare Mitarbeiter.“
Aus dem Dualen Studium in die Firmenleitung
Auch Magdalena Obermayer hat ein duales Studium absolviert. Allerdings nicht bei ODU, und nicht in jüngerer Zeit. Die 37-Jährige lernte und studierte Betriebswirtschaft bei der Stadtsparkasse München, jetzt arbeitet sie als Personalchefin bei der Südostbayernbahn (SOB). Sie steht auch aus eigener Erfahrung hinter dem Dualen Studiums. Zehn junge Leute lernen und studieren Betriebswirtschaft, Elektrotechnik, Bauingenieur oder Wirtschaftsingenieur bei der SOB und werden gleichzeitig Gleisbauer oder Fahrdienstleiter. „Wir machen damit beste Erfahrungen“, sagt Obermayer. „Und die Studenten auch.“
Die lernen nicht nur das Unternehmen kennen, in dem sie später arbeiten können. Sie erhalten Gehalt, auch während ihrer Studienmonate und praktisch eine Übernahmegarantie. Auf der anderen Seite fallen natürlich Semesterferien weg, die werden zu Arbeitszeit, es gibt nur den normalen Urlaub.
Schwierige Suche nach Mitarbeitern
Wie für ODU und viele andere Firmen ist auch für die SOB die Mitarbeitersuche schwierig. „Der Markt wird enger, die geburtenstarken Jahrgänge scheiden aus“, sagt Obermayer. Schindlbeck von ODU spricht sogar von einem harten Wettbewerb um Nachwuchs. Deshalb bemühen sich viele heimische Unternehmen aktiv um Auszubildende und Studenten. So laufen seit Monaten aufwendig gedrehte Werbespots zum Beispiel in den Kinos, die sich gezielt an junge Leute richten.
Die Industrie- und Handelskammer bestätigt die Einschätzung der Firmen: „Der Hauptgrund ist im demografischen Wandel, im Alterungsprozess unserer Gesellschaft, zu sehen“, sagt Herbert Prost in Mühldorf. Bis 2035 gehen in Bayern nach seinen Angaben über drei Millionen Menschen in den Ruhestand, Zahlen für den Landkreis oder die Region gibt es nicht. „Unserer Wirtschaft werden dann über eine Million Arbeitskräfte fehlen. Gleichzeitig kommen nicht genügend junge Leute aus den Schulen nach. Das bedeutet, dass die Arbeitgeber fast ein Viertel ihrer offenen Stellen nicht besetzen werden können.“
Das können Firmen gegen den Fachkräftemangel tun
Was Arbeitgeber dagegen tun können, steht für die IHK fest: Die Arbeitgeberattraktivität spielt eine große Rolle zu. Vereinbarkeit von Beruf und Familie, flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung oder Hilfe bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. „Natürlich kommt aber auch der Ausbildung von eigenem Fachkräftenachwuchs eine große Rolle zu. Damit schafft sich jedes Unternehmen einen wichtigen Pool an jungen, dynamischen, innovativen Mitarbeitern.“
Urlaub in Gehalt umwandeln
Deshalb steht bei heimischen Firmen neben der Ausbildung ein ansprechendes Arbeitsangebot im Fokus. Manuel Garst, der sein Duales Studium bei ODU unmittelbar nach dem Abitur begonnen hat, spricht von Weihnachts- und Urlaubsgeld, Zeugnisprämien, einem bezahlten Mittagessen, Fahrtkostenerstattungen und einer Studienbeihilfe. Zusätzlich zu den 1335 Euro, die er seit dem ersten Studiensemester als Lohn erhält. Auch die Studiengebühren von 18.000 Euro trägt die Firma.
Für Mitarbeiter, das sagt SOB-Personachefin Obermayer, spielen vor allem flexible Arbeitszeitmodelle eine entscheidende Rolle. So bietet das Bahnunternehmen unter anderem die Umwandlung von Gehalt in zusätzliche Urlaubstage an.
IHK fordert Hilfe von der Kommunalpolitik
Aus Sicht der IHK muss auch die Kommunalpolitik einen Beitrag leisten. „Lokal betrachtet spielt natürlich der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und der Bau von bezahlbarem Wohnraum eine große Rolle“, sagt Prost. „Das sind herausfordernde Aufgaben, wo aber die lokale Politik entsprechend tätig werden kann und muss.“
