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 IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl im Interview

„Typische Männerjobs“? Wie veraltete Rollenbilder in der Berufswelt überwunden werden können

Schwindegg - Ingrid Obermeier-Osl ist IHK-Vizepräsidentin für München und Oberbayern und Unternehmerin.
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Ingrid Obermeier-Osl baut auf Holz - und auf weiblichen Nachwuchs.

In der Berufswahl stehen Handwerk und technisch-naturwissenschaftliche Jobs bei Mädchen immer noch nicht hoch im Kurs. Im Handwerk sind die Zahlen weiblicher Auszubildender sogar rückläufig. Warum sich dieser Trend bald umkehren könnte, erklärt IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl im Interview.

Mühldorf am Inn - Mit „gewissem Realismus“ konstatiert Jutta Müller, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Traunstein auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen, dass handwerkliche oder technisch-naturwissenschaftliche Berufe unter dem weiblichen Nachwuchs noch nicht so en vogue sind, wie man sich das gesellschaftlich wünschen würde.

Diese Einschätzung bestätigten die konkreten Zahlen: Laut Handwerkskammer für München und Oberbayern hat sich der Anteil weiblicher Azubis in den Handwerksberufen von 17,2 Prozent im Jahr 2011 sogar auf 15,9 Prozent in 2021 verringert, bayernweit ging der Anteil von 23,3 Prozent (2011) auf 17,6 Prozent (2021) zurück. Dass aktuell unter den Top 10 bei den Wünschen zur Berufswahl der Mädchen kein einziger handwerklicher Beruf ist, liegt Müllers Ansicht nach vielleicht auch an überalterten „Rollenbildern“, die immer noch vorgelebt werden. Für Ingrid Obermeier-Osl ist dies allerdings nur eine Momentaufnahme. Das sagt die IHK-Vizepräsidentin für München und Oberbayern und Chefin vom Schwindegger Holzwerk Obermeier im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen zu diesen Entwicklungen auf dem Auszubildenden-Markt:

Wie sehen Sie das mit den alten Rollenbildern - spielen die bei der Berufswahl junger Frauen heute noch mit hinein?

Ingrid Obermeier-Osl: Meine Erfahrungen in der Praxis bestätigen dies nicht. Bei den Ausbildungsmessen oder dem IHK Bildungsexpress konnte ich in den letzten Jahren beobachten, dass das Interesse der Mädchen an den männlichen Ausbildungsberufen verstärkt da ist. Wir erleben generell eine deutliche Wandlung weg vom typischen Männerberuf. Das braucht nur seine Zeit und wird sich erst in ein paar Jahren zeigen, wenn diese Ausbildungsverträge abgeschlossen sind. Natürlich gibt es hier immer noch viel Luft nach oben.

Aktuell sind die Zahlen zumindest im Handwerk rückläufig. Betrifft das auch alle Ausbildungsbereiche bei der IHK?

Obermeier-Osl: Unsere Zahlen sind grundsätzlich seit Jahren konstant - bei einem Drittel weiblicher Azubis im Querschnitt der Berufe. Dies aber bei deutlich mehr abgeschlossenen Ausbildungsverträgen als in den vergangenen Jahren. Allerdings muss man dies branchenspezifisch etwas näher betrachten. Gerade auch im Einzelhandel und der Gastronomie sind die Zahlen stark rückläufig. Nachdem aber tatsächlich in allen Berufssparten Nachwuchskräfte fehlen, gehe ich davon aus, dass Berufe wie beispielsweise im Verwaltungsbereich momentan mehr Anziehungskraft für Bewerberinnen ausstrahlen [als Berufe mit technischem oder naturwissenschaftlichem Bezug]. Eine Ausnahme zeigt sich besonders im letzten Jahr: Es gibt immer mehr Chemikantinnen in der Region. Hier ist der Frauenanteil in den vergangenen Jahren sogar um 40 Prozent gestiegen. Über die Hintergründe kann man nur spekulieren. Aus meiner Sicht liegt es auch daran, dass viele junge Menschen oder die Eltern noch nicht erkannt haben, welch gute Grundlage eine Ausbildung für das spätere Leben ob im Beruf oder auch im Studium ist.

Der Frauenanteil bei den Azubis der Handwerkskammer im Landkreis Mühldorf ist seit Jahren prozentual rückläufig.

Welche Rolle spielt die Migration aus eher patriarchisch geprägten Kulturen in puncto veralteter Rollenbilder in der Berufswelt?

Obermeier-Osl: Die Entwicklung ist weniger kulturell bedingt, sondern menschlicher Natur: Die Gründe, dass sich generell junge Frauen eher Stellen in Verwaltungsberufen, im Sozial- und Gesundheitswesen oder in Dienstleistungen suchen, könnten mit der Familienplanung zu tun haben. Gerade im Bereich der langjährigen Migration beispielsweise stelle ich persönlich fest, dass sich hier viele Mädchen gerade in den letzten Jahren auch gerne in Richtung medizinische Fachkraft oder erweitert in naturwissenschaftliche Richtung entwickeln. Das ist sicher für die Entwicklung unseres Landes eine gute Lösung.

Haben die typischen Männerberufe auch ein Imageproblem?

Obermeier-Osl: Das kann mit der bereits genannten Einstellung zur Ausbildung zusammenhängen - doch Unternehmen und Verbände bemühen sich seit Jahren und präsentieren sich auf Messen, bieten Betriebsbesichtigungen und Schnupperpraktika an. Das gab es früher in der Form überhaupt nicht. Nur so kann man auch den Mädchen verdeutlichen, dass es heutzutage (dank Innovationen) keine Männerberufe mehr mit schweren Tätigkeiten gibt.

Sie sagten kürzlich „Frauen können alles erreichen, sogar noch mehr als Männer“ . Gilt das auch für Handwerk und Technik?

Obermeier-Osl: Auf alle Fälle! Aufstieg hängt vom persönlichen Einsatz und nicht vom Berufsbild ab. Frauen haben alle Voraussetzungen, in verschiedenen Bereichen - auch in den technischen - Führungsaufgaben zu übernehmen. Und dazu habe ich noch eine erfreuliche Tendenz aus der Praxis: Im Schnitt ist der Frauenanteil in der Unternehmensführung in den letzten Jahren gewachsen, von 28 Prozent im Jahr 2019 auf 31 Prozent in 2021. Im Landkreis Mühldorf beträgt er sogar 32 Prozent. Das ist doch ein gutes Zeichen.

Ingrid Obermeier-Osl leitet den Ausschuss Unternehmerinnen in der IHK München-Oberbayern.

Sie selbst stehen an der Spitze eines Holzwerks. Wie sieht es bei Ihnen mit Mitarbeiterinnen aus?

Obermeier-Osl: Es gibt Frauen in der Verwaltung, Produktion und Logistik. Bei uns im Unternehmen haben Frauen die gleichen Aufstiegschancen wie Männer. Engagierte Frauen haben die besten Voraussetzungen, in einem Familienunternehmen auch entsprechend weiterzukommen.

Was möchten Sie als Vorsitzende des Unternehmerinnenausschusses jungen Frauen mitgeben, die in typischen Männerjobs Karriere machen wollen?

Obermeier-Osl: Trauen Sie sich, gehen sie den Weg über eine fundierte Ausbildung, engagieren sie sich im Unternehmen. Der Weg im Mittelstand ist gerade auch in typischen Männerjobs für junge engagierte Mädchen ein schneller - über Weiterbildung, Techniker oder Meister entsprechend den Aufstieg zu schaffen und in Führungspositionen zu kommen. Auch Selbständige und Unternehmensnachfolger werden in allen Branchen gesucht.

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