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Tanz-Saison heuer nur vier Wochen

Mit der Biene Maja um den Kreisverkehr: Ein Tag bei den Schäfflern des TSV Mühldorf

Sie tanzen an vielen Orten im Landkreis, auf unserem Bild am Stadtplatz in Mühldorf. 90 Auftritte werden die Schäffler des TSV Mühldorf absolviert haben, wenn am 13. Februar der Fasching zu Ende geht.
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Sie tanzen an vielen Orten im Landkreis, auf unserem Bild am Stadtplatz in Mühldorf. 90 Auftritte werden die Schäffler des TSV Mühldorf absolviert haben, wenn am 13. Februar der Fasching zu Ende geht.

Die Kälte ist ihr Wohnzimmer. Nicht umsonst heißt es bei den Schäfflern „Aber heid is koid!“, wenn sie alle sieben Jahre in Mühldorf und Umgebung tanzen. Ein Tag gelebtes Brauchtum bei minus zehn Grad Celsius.

Mühldorf – Sie lieben es, wenn es kalt ist. Und so wundert es auch nicht, wenn an diesem Morgen ein beschwingtes „Aber heid is koid“ von einem Tänzer zu hören ist. Man schwört sich auf den Tag ein. Die Sonne ist gerade aufgegangen, ein herrlich sonniger Tag kündigt sich an. Doch das Thermometer zeigt noch minus 10 Grad Celsius. Ideale „Wettkampfbedingungen“ also. „So meng ma‘s, mia Schäffler“, Nebelschleier stößt einer der erfahrensten Tänzer der Gruppe, Hermann Veigl, aus, während er dies sagt.

Weit über 1.000 Tänze hat der Abteilungsleiter der Schäffler im TSV Mühldorf schon hingelegt. Selbstverständlich ist er auch in diesem Jahr mit dabei, natürlich entsprechend warm angezogen an diesem kalten Samstagmorgen. Skiunterwäsche unter dem Schäfflerkostüm ist ein Muss, dicke Socken sowieso, denn erst mit der Bewegung wird es den Schäfflern wärmer.

Talentierter Schäffler-Nachwuchs: Taferlbua Xaver Hartmetz scheint ein Faible auch für die Musik zu haben.

35 Personen umfasst die Schäffler-Crew, die in diesem Jahr, außerhalb des Sieben-Jahres-Modus, die Auftritte der TSV-Abteilung möglich machen. Vom Taferlbuam über die Marketenderin bis zum Fasslschläger. Auffällig ist die Begeisterung für diese Tradition quer durch alle Altersstufen. Toni Seifinger ist mit sieben Jahren der Jüngste der Gruppe. Der Sohn von TSV-Geschäftsleiter Toby Seifinger turnt wie der Vater als Clown zwischen den Schäfflern herum. Immer noch treu mit dabei ist auch Gerhard Plöderl mit seinen immerhin schon 73 Jahren, als Fasslschläger bringt sich der Judotrainer des TSV ein.

Der Papa tanzt, der Bub trägt das Taferl

Überhaupt sind erstaunlich viele Elternteile mit Kind dabei: Martin Hartmetz etwa tanzt zum ersten Mal mit, während seine Frau Birgit als Marketenderin unterwegs ist. Sohn Xaver trägt das Taferl und wechselt sich dabei mit Lukas Tratzl, Sproß von Fasslschläger Heini Tratzl, ab. Die Blasmusiker von morgen vielleicht? Die beiden Lausbuben lassen zumindest keine Gelegenheit aus, während der Pausen auf der Trommel zu klopfen oder der Trompete den ein oder anderen Ton zu entlocken, wenn gerade kein Musiker herschaut.

Koordinationsfähigkeit und Geschicklichkeit gefragt, um ja nicht den Schnaps im Reifen zu verschütten: Bertl Buchner teilt sich den Job des Reifenschwingers mit Toni Harrer.

Jahrzehntelange Familientradition hat die Schäfflerei bei den Schörghubers. Stefan Schörghuber, Vorsitzender des Vereins, ist zum vierten Mal dabei, in dieser Saison erstmals als Schäfflermeister. Das war auch schon sein Großvater Karl als TSV-Chef und sein Vater Karl. Er selbst schwingt nicht mehr das Tanzbein, sondern den Schlegel, wenn er zu Ehren des Tanzspenders ein dreifaches „Vivat!“ erklingen lässt. Doch Sohn Maxi dreht eifrig seine Runden, zählt mit seinen 20 Jahren zu den jüngsten Tänzern.

Bis zu zehn Tänze an einem Tag

Bis zu zehn Tänze absolvieren sie pro Tag. Gerade soviel, dass auch noch Zeit für eine Unterhaltung mit den Spendern des Tanzes bleibt, sagt Schörghuber. Immerhin knapp 90 Tänze sind es insgesamt in diesem recht kurzen Fasching – damit ist er zufrieden.

Denn die Schäffler haben sich diesmal nicht an den Sieben-Jahres-Turnus gehalten, tanzen zwei Jahre früher als geplant. Damit wollen die Mühldorfer der Tradition des Schäfflertanzes folgen. Der wurde der Legende nach erstmals 1517 während einer Pestepidemie aufgeführt, um die Bevölkerung zu beruhigen, die sich wegen der Pest kaum mehr auf die Straße traute. Der Tanz sollte das öffentliche Leben wieder in Gang bringen. Heuer steht der Tanz der TSV-Schäffler als Sinnbild für das Ende der Corona-Pandemie.

Die Familie Schörghuber ist eng mit dem Schäfflertanz verbunden. TSV-Vorsitzender Stefan Schörghuber (links) hat früher selbst getanzt und ist jetzt Schäfflermeister wie einst schon Großvater und Vater. Sohn Maxi tanzt mit, Tochter Emilia geht mit der Sammelbüchse unter die Leute.

Das Interesse ist groß. „Wir haben immer noch Anfragen“, sagt Schörghuber, jetzt, da der Faschingsendspurt eingeläutet wird. Von zehn Tanz-Reservierungen spricht er, „die wir nicht unterbringen. Um wieder in unseren siebenjährigen Rhythmus zu kommen, werden wir diese am Faschingswochenende 2026 abschäfflern.“ Und damit die Corona-Saison und die Tanzsaison 2026 in einem abschließen.

Meistens bleibt auch Zeit zum Ratschen

Immer mit dabei, wenn die TSV-Schäffler unterwegs sind: die Blaskapelle Altmühldorf. Ein Dutzend Musiker sind es mit Trompete, Flöte, Tenorhorn, Tuba, Posaune und Schlagwerk, die an diesem Tag neun Auftritte zu spielen haben. Sie folgen dem immer gleichen Muster: Marschmusik hin, dann der Münchner Schäfflertanz, es folgt der Reifenschwinger, bevor erneut der Schäfflertanz erklingt und sich die Gruppe zum Abmarsch bereit macht. Der erfolgt in den meisten Fällen aber erst nach einer kleinen Verköstigung. Ein wärmendes Schnapserl oder Tee, ein kleines Bier, warme Würstl, Leberkässemmeln. Verhungern muss niemand.

Auch das gibt es: Schäffler-Hund Altena schaut den tanzenden Menschen gerne zu.

Der erste Tanz des Tages stellt auch die Blasmusiker vor Herausforderungen. Die Temperaturen sind um 9 Uhr morgens immer noch weit unter dem Gefrierpunkt. Mit Taschenwärmern und Mullbinden versuchen die Musiker ihre Ventile warmzuhalten, damit sie nicht einfrieren. Mittags strahlt dann die Sonne vom Firmament. Erste Schals und Handschuhe bleiben im Bus.

Die Tänzer sind ausgelassen, bleiben aber diszipliniert. Wolfgang Ölknecht, ein Salmanskirchener, schwört die rot-gewandete Truppe immer wieder aufs Neue ein. „Die Bögen habt ihr schön hochgehalten, beim nächsten Mal bitte wieder so“, positive, konstruktive Kritik, denn man will sich schließlich von der besten Seite zeigen.

Mit „Oana geht no“ in den Kreisverkehr

Die Stimmung zwischen den Auftritten ist jedenfalls prächtig. Es dauert nicht lange und schon weit vor der Mittagszeit werden im Bus die ersten „Prosit“ angestimmt. Der Busfahrer macht gerne den Spaß mit, wenn Schäffler und Musiker unisono im Kreisverkehr „oana geht no“ skandieren, um damit den Chauffeur dazu bringen, nicht gleich die erste Abfahrt zu nehmen. Der meistgespielte Marsch im Bus ist „Dem Land Tirol die Treue“, spätestens nach dem letzten Tanz sind die Mitfahrer textsicher.

Tenorhornist Christoph Hein spielt seit 1984 bei den Schäfflern, es ist seine siebte Saison als Musiker. Er weiß, wie man die Ventile auch bei minus zehn Grad Celsius warm hält.

Ja, und dann gibt es die „Freestyle“-Musiker, meistens in Person des Trommlers der Gruppe, der im Bus die Schlagzahl vorgibt. „Biene Maja“, „Bohemian Rhapsody“, „We Will Rock You“: Jeder ist ausgelassen, auch wenn die große Trommel bereits am Spannreifen Schaden genommen hat; Holzteile abgebrochen sind, weil es dem Musiker bei einem Auftritt nachmittags in Frauendorf auf einer Eisplatte die Füße weggezogen hat. Auch das gehört dazu.

Einmal wird Vortänzer Martin Röser unvorsichtig

Konzentriert bleibt die Truppe bis zum letzten Tanz. Zumindest fast. Ein einziges Mal ist Vortänzer Martin Röser nachlässig, hält seinen Tanztaktstock nicht richtig fest. Schwups, hat ihn auch schon ein Blasmusiker einkassiert. Die Auslöse ist Verhandlungssache.

Das ist nochmal gut gegangen: Der Trommler ist ausgerutscht, ein Spannreifen wurde beschädigt. Die Schäffler sind gleich helfend zur Seite geeilt. Links Vortänzer Martin Röser.

Der Ansatz der Blasmusiker hält, auch wenn die Lippen dann bereits tiefrot sind. Und auch Schäffler-Chef Veigl klagt schon über Krämpfe in den Oberschenkeln. „Am schlimmsten is es, wenn wir vom Kalten ins Warme kommen. Das mag der Muskel nicht“, weiß Veigl.

Durchhalten bis zur Dämmerung

Doch er hält durch, wie auch der Rest der Gruppe. Es gibt Tage, da dämmert es bereits, wenn der Schäfflertanz zum letzten Mal angestimmt wird. Die Betriebstemperatur ist auf dem Siedepunkt. Die Luft draußen wird aber schon wieder kälter, sobald die Sonne verschwunden ist. Es wird wohl wieder eine eisige Nacht, wahrscheinlich viel zu kurz, weil man sich nach getaner Arbeit stets zum Absacker im Wirtshaus trifft oder einen Faschingsball unsicher macht. Es herrschen Wettkampfbedingungen bis zum Schluss.

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