Friseur aus Ampfing muss Deutschland verlassen
Freunde, Führerschein, Festanstellung: Trotzdem soll dieser junge Iraker gehen
Abschiebung trotz Festanstellung: Seit fünf Jahren lebt Jamal Almiho in Deutschland. Seit knapp einem Jahr arbeitet er in Ampfing als Friseur, ist bei Kollegen und Kunden beliebt. Nun soll der junge Iraker das Land verlassen. Eine Ausreise in eine ungewisse Zukunft.
Ampfing – „Man kann im Irak nicht leben, es gibt da weder eine sichere Arbeit noch ein sicheres Leben”, sagt Jamal Almihos Kollege und gleichzeitig stellvertretender Geschäftsführer bei Oscars Barbershop in Ampfing. Zeitweise übersetzt oder antwortet er für Jamal Almiho, der zwar Deutsch spricht, aber sich mit der Sprache noch schwertut. Beide stammen aus dem Irak, Jamal Almihos Kollege möchte seinen Namen jedoch nicht öffentlich machen.
Jamal Almiho ist sehr ruhig, wirkt bedrückt. Seine Kollegen beschreiben ihn als schüchtern. Fünf Jahre ist es her, dass Jamal Almiho nach Deutschland kam, weil in seinem Heimatland Krieg herrscht. Bis heute warnt das Auswärtige Amt vor Reisen in den Irak. „Es muss weiterhin landesweit mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen terroristischen Gruppierungen und Sicherheitskräften gerechnet werden”, heißt es in den Reise- und Sicherheitshinweisen.
„Er ist ganz fleißig und nie krank“
In Deutschland lebte Jamal Almiho zunächst in Neufahrn und zog dann nach Ampfing. Er hat eine eigene Wohnung, die er selbst eingerichtet hat. Letzten Monat bestand er hier die Führerscheinprüfung. Das war notwendig, um als Friseur zukünftig auch Hausbesuche machen zu können. Seit knapp einem Jahr hat der 24-Jährige eine unbefristete Vollzeitstelle. „Er ist ganz fleißig und nie krank”, sagt sein Kollege.
Doch aktuell bleibt sein Platz im Friseursalon leer. Am 18. Januar bekam Jamal Almiho ein Schreiben des Landratsamts, dass er Deutschland verlassen soll. „Mit Bescheid des Bundesamts wurden Ihre Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Zuerkennung subsidiären Schutzstatus abgelehnt”, heißt es in dem Schreiben.
Alle rechtlichen Möglichkeiten sind ausgeschöpft
Innerhalb von 30 Tagen soll er ausreisen. Bleibt er über den 19. Februar hinaus, droht ihm die Abschiebung in den Irak. „Einspruch ist nicht möglich, auf rechtlichem Weg lässt sich da nichts mehr machen”, sagt Martin Müller, der sich deswegen an das OVB gewandt hat. Sein Name ist von der Redaktion geändert, da auch er unerkannt bleiben möchte. Martin Müller arbeitet bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und berät Oscars Barbershop steuerlich, gleichzeitig ist Jamal Almiho sein Friseur. „Über die Monate hat sich eine Freundschaft entwickelt”, sagt Müller.
Seit er das Schreiben aus dem Landratsamt in den Händen hält, darf Jamal Almiho nicht mehr arbeiten. Stattdessen sitzt er in seiner Wohnung und grübelt. Er nimmt seine Cap ab und zeigt einzelne kreisförmige kahle Stellen zwischen seinen schwarzen Haaren. „Das ist nicht rasiert, durch den Stress und die ganze Traurigkeit fallen ihm die Haare aus”, sagt sein Kollege.
Der Bayerische Flüchtlingsrat kann die Entscheidung nicht nachvollziehen
„Fälle wie seinen, begleiten wir seit den letzten Monaten täglich und sind erschüttert über die Willkür der Ausländerbehörden”, teilt der Bayerische Flüchtlingsrat auf Anfrage mit. Im bayerischen Koalitionsvertrag haben sich CSU und Freie Wähler darauf verständigt, auf Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zu verzichten, „wenn ein fester Arbeitsplatz oder ein Ausbildungsvertrag besteht und keine Straftaten oder Gefährdungslagen vorliegen”. „Im Hinblick auf die Versprechen können wir solche Entscheidungen nicht verstehen”, meint der Bayerische Flüchtlingsrat.
Das Landratsamt Mühldorf äußert sich zu Jamal Almihos speziellem Fall aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht, schreibt aber: „Die deutliche Mehrheit der irakischen Staatsangehörigen im Landkreis hat inzwischen ein gefestigtes Aufenthaltsrecht erlangt und somit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu befürchten.” Bevor entschieden werde, ob eine Duldung verlängert wird, werde jeder Einzelfall umfassend geprüft.
Ist Jamal Almiho also eine Ausnahme? Seine Kollegen verneinen dies, bereits vergangenes Jahr habe ein anderer Mitarbeiter des Friseursalons das Land verlassen müssen. „Eine schreiende Ungerechtigkeit”, sagt Martin Müller.
Im Irak hat er weder Wohnung noch Familie
Wenn Jamal Almiho in den Irak zurückkehren muss, weiß er nicht, wohin er gehen soll. Der Großteil seiner Familie ist nach Syrien geflüchtet, im Irak hat er niemanden mehr. Auch eine Wohnung oder Unterkunft hat er dort nicht. „Er müsste auf der Straße wohnen”, sagt sein Kollege. „Sollte er nun abgeschoben werden, steht er absolut vor dem Nichts..“
Absprachen zwischen der Bundesregierung und dem Irak über eine verstärkte Rücknahme, die im Frühjahr 2023 getroffen wurden, machen Abschiebungen wie diese möglich. Über den zunächst geheimen Migrationsdeal berichtete unter anderem die Tagesschau. Seitdem „werden binnen weniger Monate Einzelpersonen oder ganze Familien aus ihrem vertrauten Umfeld gerissen”, zeigt sich der Bayerische Flüchtlingsrat besorgt. Dabei würden weder gute Integrationsleistungen, eine bevorstehende Ausbildung oder ein fester Arbeitsplatz schützen, so scheine es.
Umsatzeinbruch durch die fehlende Arbeitskraft
Gleichzeitig wird Jamal Almiho in Ampfing gebraucht: „Für mich ist das sehr schwierig, wenn er geht – Mitarbeiter im Handwerk zu finden, ist nicht leicht”, sagt Geschäftsführer Sardar Almoho. Sein Friseursalon ist mittlerweile über die Stadtgrenzen hinaus beliebt. Dadurch, dass Jamal Almiho seit dem 18. Januar nicht mehr arbeiten darf, sei schon jetzt ein Umsatzeinbruch zu verzeichnen, der auch durch Mehrarbeit des verbleibenden Personals nicht aufgefangen werden könne, bestätigt Martin Müller.
Die rechtlichen Möglichkeiten seien bei abgelehnten Ayslbewerbern sehr begrenzt, schreibt der Bayerische Flüchtlingsrat auf Nachfrage. „Deutschland spricht irakischen Staatsangehörigen nur selten einen Schutzstatus zu. Sind Personen in Deutschland ausreisepflichtig hilft oft nur der Weg über politische Entscheidungen, wie Petitionen, die Härtefallkommission oder Öffentlichkeitsarbeit, um zu erreichen, dass Entscheidungen überdacht werden. ” Aber auch das sei nur in wenigen Fällen erfolgreich und oft langwierig.
Die Chancen zu bleiben, stehen für Jamal Almiho schlecht. „Wir im Friseursalon und seine Kumpels sind alle im Herzen traurig, dass er geht”, sagt sein Kollege. Geschäftsführer Sardar Almoho ergänzt: „Ich verliere nicht nur einen Mitarbeiter, sondern auch einen Cousin. Wie soll ich da einen neuen finden? Das geht nicht.”