Nachbar verständigte die Polizei
Schuldspruch und horrende Kosten wegen Abriss einer Asbestfassade in Ampfing
Der private Abriss einer Asbestfassade in Ampfing sollte Geld sparen: Am Ende zahlt der Hausbesitzer ein Vielfaches des offiziellen Preises. Wie es zu dem Prozess vor dem Amtsgericht Mühldorf kam und was der Angeklagte zu den Vorwürfen sagt.
Ampfing/Mühldorf – Wer an älteren Gebäuden arbeitet, hat oft mit Bauteilen aus Asbest und anderen krebsverdächtigen Stoffen zu tun. So auch 54-Jähriger aus dem Landkreis Erding, der Eternitplatten von einer Fassade und Dämmwolle aus dem Dachgeschoss eines Hauses in Ampfing entfernen ließ. Weil dabei so einiges falsch lief, stand er jetzt vor dem Amtsgericht Mühldorf. Der Vorwurf: Unerlaubter Umgang mit Abfällen und Nötigung. Der Angeklagte (54) bestritt das vehement. Bezeichnete den Inhalt der Anklageschrift als „Grampf“ und das ganze Verfahren als „Kasperltheater“. Vorsitzender Richter Florian Greifenstein rief ihn deshalb energisch zur Ordnung.
Ein Nachbar verständigt die Polizei
Was war geschehen? An einem Freitag Ende April hatte ein Nachbar die Polizei Mühldorf alarmiert, weil am Anwesen gegenüber womöglich Eternit abgeschlagen wird. Polizeibeamte machten sich auf den Weg und stellten an dem Haus drei Arbeiter fest, die an der Fassade werkelten. „Einer stand auf der Leiter und schlug die Fassadenplatten von oben herunter“, schilderte ein Polizist dem Gericht als Zeuge. Die beiden anderen seien am Erdgeschoss am Werk gewesen. „Da der Verdacht auf Asbest bestand, haben wir die Arbeiten vorläufig eingestellt, die Bruchstücke mit Wasser benetzt und notdürftig abgedeckt.“
Einer der Arbeiter habe den jetzt angeklagten Hausbesitzer angerufen und das Handy an die Polizei weitergereicht. Der Hausbesitzer hatte angeblich keine Ahnung, ob es sich bei den Eternitplatten um Asbest handelte. „Die Arbeiter wussten es wohl auch nicht, sie trugen keine Schutzkleidung“, so der Zeuge. Die drei Männer aus der Slowakei gaben in späteren Vernehmungen bei der Polizei an, dass ihr Auftraggeber sie zu den Arbeiten genötigt habe: Sollten sie sich weigern weiterzuarbeiten, würden sie auch für vorher geleistete Arbeit keinen Lohn bekommen.
Landratsamt ordnet fachgerechte Entsorgung an
Anfang Mai wurde die Polizei erneut von Nachbarn angerufen, dass in dem Haus weitergearbeitet werde. Die drei Arbeiter waren im ersten Stock zu Gange, der Boden war übersät von Fetzen der verdächtigen Mineralwolle. Postwendend wurde daraufhin vom Landratsamt die fachgerechte Entsorgung von Eternit und Dämmung sowie die Dekontaminierung der Baustelle angeordnet.
Der Angeklagte räumte vor Gericht kein Fehlverhalten ein. Die Arbeiter sollten nur unbedenkliche Vorarbeiten im Haus leisten, Holz und Restmüll getrennt in Container werfen und die Dämmwolle in Säcken sammeln. Er sei mit Corona daheim gewesen. Die Fassade sollten sie nicht abreißen, weil wegen des Eternits Verdacht auf Asbest bestand. Deshalb hatte er für den Abbau auch bei einer Fachfirma in Erding angefragt. Er habe die Männer nicht genötigt. Sie hätten wohl Angst, nicht mehr in Deutschland arbeiten zu dürfen und würden ihm deshalb die Schuld in die Schuhe schieben.
„Vollständiger Verstoß gegen die Regeln“
Für das Gericht hatte ein Gutachter den Asbestgehalt der Eternitplatten festgestellt und die Mineralwolle als krebserzeugend eingestuft. „Alle an Fassade und Dämmung durchgeführten Arbeiten waren ein vollständiger Verstoß gegen die Regeln für den Umgang mit Gefahrstoffen“, so sein Fazit. Angenagelte Asbestplatten dürften nur bruchfrei demontiert werden, was Privatleute in der Regel nicht hinbekämen. Die Arbeiter müssten extrem mit den fürs Auge unsichtbaren Asbestfasern kontaminiert worden sein.
Korrekte Entsorgung wäre viel billiger gewesen
Richter Greifenstein bat den Sachverständigen um eine Kostenschätzung: „Was hätte diese unsachgemäße Entsorgung eingespart?“ Die Antwort: „Arbeitslohn und korrekte Entsorgung hätten maximal 2500 Euro gekostet.“ „Der Schuss ging finanziell nach hinten los“, konstatierte der Richter mit Blick auf den Angeklagten. „Es wäre viel billiger gewesen, als die jetzt entstandenen Kosten.“ Der Angeklagte musste für die Fachfirma 11.750 Euro berappen, das Landratsamt forderte ein Zwangsgeld von 2.700 Euro.
Beschuldigter zeigt kein Unrechtsbewusstsein
Der Staatsanwalt forderte einen Schuldspruch wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen und Nötigung. Zwar sei der 54-jährige Angeklagte bisher straffrei geblieben, aber er sei nicht geständig, habe nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen, habe die Gesundheitsschädigung seiner Arbeiter in Kauf genommen und zeige kein Unrechtsbewusstsein. Er forderte eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 120 Euro.
„Nichts blieb vom Strafvorwurf“, trug Strafverteidiger Berthold Menacher vor. „Keiner der wesentlichen Punkte konnte geklärt werden.“ Weder die Aussagen der drei Arbeiter, die sich in der Slowakei aufhalten und nicht vom Gericht befragt werden konnten, noch, ob der Angeklagte tatsächlich vom Asbest wusste. Also komme nur ein Freispruch für seinen Mandanten infrage.
Kein Zweifel am Sachverhalt
„Das Gericht hat keinen Zweifel an dem Sachverhalt“, Richter Greifenstein sprach den 54-Jährigen schuldig des vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen. Polizei, Sachverständiger und die Fotos hätten die schweren Verstöße gegen die Abfallvorschriften bestätigt. „Es spricht gegen jede Lebenserfahrung, dass der Angeklagte nichts damit zu tun haben soll.“ Die Nötigung der Arbeiter sei nicht nachzuweisen, da es dabei auf jedes Wort ankomme und die Zeugen nicht direkt befragt werden konnten.
„Das ist schon ein dicker Hund“
Der Amtsrichter verhängte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 50 Euro und die Kosten des Verfahrens. Er hielt dem Angeklagten zugute, dass er nicht vorbestraft sei, es sich um bedingten Vorsatz eines Laien gehandelt habe und er für die ordnungsgemäße Entsorgung und das Zwangsgeld bereits knapp 15.000 Euro hatte bezahlen müssen. Negativ kreidete er ihm sein Vorgehen an: „Das ist schon ein dicker Hund, wie hier brachialst ohne jegliche Schutzmaßnahmen mit diesen gefährlichen Stoffen umgegangen wurde.“