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Am 13. Oktober 2023 jährt sich der Schleuser-Unfall auf der A94 bei Ampfing. Dabei starben sieben Menschen. Am 8. Oktober beginnt in Traunstein der Mordprozess gegen den Fahrer.
Ein Schleuser-Unfall auf der A94 forderte am 13. Oktober 2023 bei Ampfing sieben Todesopfer und 15 Verletzte. Feuerwehr-Kommandant Thomas Hell erinnert sich an den schlimmsten Einsatz seiner Karriere. Der Mordprozess gegen den Fahrer beginnt am Dienstag, 8. Oktober.
Ampfing/Traunstein – „Zunächst war es eine normale Alarmierung“, erzählt Ampfings Feuerwehr-Kommandant Thomas Hell. Ein Unfall auf der A 94 in der Ausfahrt nach Ampfing. Doch als Hell wenig später am Freitag, 13. Oktober 2023, zur Unfallstelle kam, „war mir relativ schnell klar: Ich muss sofort unseren Feuerwehr-Notfallseelsorger nachalarmieren.“
Es war noch dunkel, der Tag brach gerade an, als Hell in Richtung Unfallstelle lief. In der Luft kreiste schon ein Hubschrauber. Auch die Polizeipräsenz war massiv. Überall standen und saßen Menschen, Verletzte wurden wiederbelebt. Ein kleines Kind lief weinend herum und rief nach seiner Mutter.
Halsbrecherische Flucht endet tödlich
So begann für Hell und seine Kameraden ihr wohl schlimmster Unfall-Einsatz, nachdem ein Schleuser versucht hatte, mit seinem vollkommen überladenen Kleinbus in einer halsbrecherischen Fahrt der Polizei zu entkommen. Als er bei Ampfing von der Autobahn fuhr, verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug. Das überschlug sich. Sieben Menschen starben, darunter ein sechs-jähriges Kind, weitere 15 wurden teilweise schwerst verletzt. Der Fahrer, der als einziger angeschnallt war, kam mit einem gebrochenen Arm und Prellungen davon.
Sieben Tote bei Horror-Unfall auf A94 im Kreis Mühldorf am Freitag (13. Oktober)
Hell und seine 17 Ampfinger Kameraden sowie die aus Zangberg waren direkt an der Unfallstelle im Einsatz. Sperrten den Verkehr und leuchteten die Stelle aus. Sie sahen die Rettungsversuche mit an.
„Richtig, den Seelsorger zu holen“
„Es war definitiv richtig, den Seelsorger zu holen“, sagt Hell auch gut ein Jahr später noch. Kein Kamerad hatte die Unfallstelle ohne ein Gespräch mit dem Seelsorger verlassen. Auch danach haben sie es gemeinsam verarbeitet: unmittelbar nach dem Einsatz im Gerätehaus, später bei einem weiteren Termin mit einem Seelsorger.
Gut eine Woche später stellten sie an der Unfallstelle einen eigens gebauten Kerzenständer auf, haben gebetet. „Die haben ja keine Angehörigen“, so Hell. „Das war auch für uns ein Abschluss, wie wir ihn bei jedem Einsatz machen.“
Der 25-Jährige 22 soll am 13. Oktober 22 Menschen mit türkischer beziehungsweise syrischer Staatsangehörigkeit in einem Kleinbus über den Grenzübergang Burghausen in das Bundesgebiet transportiert haben. Der Bus war lediglich für neun Personen ausgelegt.
Polizisten trifft keine Schuld am Unfall
Als der Fahrer registrierte, dass die Polizei auf ihn aufmerksam geworden waren, soll er mit einem Vorausfahrzeug telefoniert habe. Danach ignorierte er die Signale der Polizei und beschleunigte den Kleinbus auf der A 94 auf bis zu 180 Kilometer pro Stunde beschleunigt haben.
Die Polizisten folgten mit einem Abstand zwischen 100 und 200 Metern mit Blaulicht und Martinshorn, dabei haben sie nach Auskunft der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft Traunstein keine Vorschriften missachtet und nicht zum Unfall beigetragen.
Mit Tempo 150 die Ausfahrt genommen
Letztlich soll der 25-Jährige den Kleinbus kurz vor der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing auf die Ausfahrtspur gezogen haben, um die Autobahn mit circa Tempo 150 zu verlassen. Bei der Einfahrt in die Rechtskurve kam er aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit nach links von der Fahrbahn ab. Der Kleinbus durchbrach die Leitplanke, überschlug sich und schleuderte weiter, bevor er auf dem Dach liegend zum Stillstand kam.
Staatsanwalt Markus Andrä wirft dem Fahrer Mord und Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge in sieben Fällen vor. Hinzu kommen versuchter Mord, versuchtes Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge und gefährliche Körperverletzung in 15 Fällen. Darunter ein Fall von schwerer Körperverletzung sowie verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge.
Prozess ist bei Feuerwehr kein großes Thema
Für Ampfings Feuerwehr-Kommandanten Hell und seine Kameraden ist der Prozess kein großes Gesprächsthema. „Nicht, dass ich wüsste“, so Hell.
Mit ihrer Gedenkfeier am Unfallort war der Einsatz abgeschlossen. Aber noch heute erinnert er sich immer wieder daran, wenn er an der Auffahrt vorbeikommt. „Die Bilder sind nicht weg, aber ich kann damit umgehen. Man muss und braucht das nicht zu vergessen, schon gar nicht verdrängen. Sie dürfen nur nicht zur Belastung werden.“ Allerdings weiß er von zwei Kameraden, die sich ärztliche Hilfe geholt haben.
„Vielleicht können wir anderen helfen“
Gleichwohl bleibt der Unfall sporadisch ein Thema. Hell und seine Kameraden nehmen nämlich derzeit an einer Studie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin teil. Hier werden mögliche Belastungen von Einsatzkräften nach potenziell traumatisierenden Ereignissen erforscht. Hell: „Vielleicht können wir durch unsere Erfahrungen anderen helfen.“
Autor Jörg Eschenfelder schließen
