Michael Bader seit 70 Jahren im Alpenverein
Innerer Schweinehund? Lass ihn bellen! – Mühldorfer (89) ist weiterhin in den Bergen unterwegs
Täglich Gymnastik oder Radfahren, im hohen Alter auf einen Dreitausender: Für Michael Bader (89) gehört Bewegung zum Leben. Trotzdem muss der Mühldorfer dem inneren Schweinehund beim Kampf Kanapee gegen Gymnastikmatte manchmal das Maul zuhalten.
Mühldorf/Tüßling – Im Treppenhaus der Doppelhaushälfte hängen Dutzende Gemälde. Landschaftsbilder zumeist. Trotz der Fülle fällt eines sofort auf. Es hängt so, dass man es gar nicht übersehen kann: Ein Ölbild des Matterhorns. Am für viele schönsten Berg der Welt geht Michael Bader jedes Mal vorbei, wenn er ins obere Stockwerk will. Dorthin, wo er die Erinnerungen an sein Bergsteigerleben sammelt.
Mit 89 noch 300 Höhenmeter
Bader trägt ein Funktions-T-Shirt, eine Sporthose. Er ist nicht besonders groß, aber sehr schlank. Eine typische Bergsteiger-Statur. Kurze, graue Haare, Schnurbart. Er geht die Treppe zügig hinauf, sehr sicher, ohne den Handlauf zu benutzen. Michael Bader ist 89 Jahre alt, seit mehr als 70 Jahren geht er in die Berge. Bis heute. 300 Höhenmeter maximal. „Größere Touren gehen nicht mehr“, sagt er. Allein geht er selten, das sei in seinem Alter einfach zu riskant.
Auf einem großen Tisch hat Michael Bader die Zeugnisse seiner Bergsteigerzeit ausgebreitet: Dicke Aktenordner voll Bildern und Texten über Bergreisen in den Chiemgau, die Schweiz, Chile, Nepal, Afrika, China. In unzähligen Tourenbüchern hat er mit einer kleinen, sehr akkuraten Handschrift all die Erlebnisse der letzten 70 Jahre festgehalten, auch die 5000er auf denen er stand.
Einmal rauf laufen, einmal mit Ski runter fahren
Als Michael Bader 1954 mit 19 Jahren zum Alpenverein Mühldorf kommt, ist noch vieles anders als heute. Er braucht einen Paten, der für ihn bürgt, Skifahren bedeutet morgens einmal rauf laufen, runter fahren, Mittagessen, und nochmal rauf und nochmal runter. In die Berge geht es mit Bus oder Bahn.
Grenzen gibt es trotzdem kaum, Bilder in seinem Tourenbuch belegen das. Bader zieht einen Ordner nach dem anderen heran, öffnet ihn, weist auf besondere Bergfahrten hin. Diese Fotos zeigen ihn 1990 mit einer großen Gruppe bei der Brotzeit auf dem Montblanc, vor einem rollenden Hotel am Fuß der Himalaya-Riesen, auf Klettersteigen, auf steilen Graten. Gletscherbedeckte 4000er wechseln sich mit Chiemgauer Gipfeln ab, von denen wohl kaum einer nicht in Baders Tourenbuch steht. Auf dem Spitzstein macht er 40 mal Gipfelbrotzeit, sommers wie winters. Ein halbes Album berichtet von einer Fahrradtour nach Rom.
Mit dem Fahrrad nach Rom
Damals ist Bader einer der ersten auf der Modetour, die man heute Transalp nennt. Die Reise der Mühldorfer Gruppe heißt 2003 noch „Fahrradtour von Mühldorf nach Rom“, 12.000 Höhenmeter, gut 1000 Kilometer und eine Audienz bei Papst Johannes Paul II. inklusive. Mit dabei: seine Frau Lilo und einige der bekannten Frauen und Männer aus dem Alpenverein. Wie Roland Unger, der heutige Ehrenvorsitzende.
5000 Kilometer auf dem Rad
Auch heute noch fährt Bader Fahrrad, auf 5000 Kilometer kommt er im Jahr. Natürlich mit Unterstützung: „Ohne E-Bike ist der Spaß nicht mehr so groß.“ Er ist Mitglied in der Sportgruppe Teising, macht jeden Tag Gymnastik, auch Zuhause. Er schmunzelt: „Manchmal wundere ich mich selbst.“ Vor allem dann, wenn das Kanapee vor dem Fernseher die bequemere Alternative zur Gymnastikmatte ist. „Aber ich bewege mich sehr gern“, sagt er, das helfe, wenn der innere Schweinehund mal wieder lautstark seine Meinung zum Sport rausbellt. „Zu 98 Prozent entscheide ich mich für Gymnastik.“
Er zieht eine Parallele zu seinem Beruf: „Jede Schraube rostet ein“, sagt Bader, „die Gelenke auch, wenn man nichts tut.“ Er muss es wissen: als Schlosser mit Meisterbrief und als alter Bergsteiger, als einer, der die Mechanik von Maschinen kennt, ganz gleich ob aus Stahl oder aus Knochen und Gelenken.
Geboren wird Bader in München, ausgebombt zieht die Familie 1943 nach Altmühldorf, wo ihr Haus erneut von einer Bombe getroffen wird. Nach dem Krieg lernt er bei Polensky & Zöllner. Den Wechsel ins Werk Weiding begleitet der Wechsel des Wohnorts nach Teising. 30 Jahre ist er bei Nestlé für die Instandhaltung zuständig. Und natürlich gründet und leitet er dort eine Sportgruppe.
Mit 30 Senioren unterwegs
Im Alpenverein bietet er als Tourenleiter Bergfahrten an, bis vor wenigen Jahren ist er einer der Organisatoren der Seniorenwanderungen, bei denen auch schon mal 30 oder 50 ältere Mitglieder des Alpenvereins vor allem in der Region unterwegs sind. Und stets bei einer Brotzeit im Wirtshaus die Verbindung von Bewegung und Kultur ausklingen lassen.
Ein Höhepunkt seiner Bergsteigerei ist die Jubiläums-Besteigung des Hochschobers in den Hohen Tauern. Auf dem 3000er hat der Alpenverein Mühldorf vor 50 Jahren ein Gipfelkreuz errichtet, natürlich war Bader dabei. Zum 50. Geburtstag dieses Gipfelkreuzes geht er nochmal hinauf, zusammen mit anderen aus der Sektion. Er ist damals 80 Jahre alt. „Das war mein letzter 3000er“, sagt er.
Was ist mit dem Matterhorn?
Nur ein Bergziel fehlt in seinen Tourenbüchern: das Matterhorn. Drei Anläufe unternimmt Michael Bader mit seinen Bergspezln, dreimal macht ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung. „Und jetzt geht es eh nicht mehr“, sagt er und wirkt dabei aber nicht, als ob ihn das sehr traurig stimme. Denn den Berg hat er ja ganz nah bei sich: als Ölgemälde im Treppenhaus.
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