Jugendliche trinken Bier und Wein im Gasthaus
Alkohol erst ab 16? Das sagen Wirte und Berater zu Holetscheks Vorschlag
Kein Bier, kein Wein unter 16 Jahren: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) will das Jugendschutzgesetz verschärfen. Der Applaus für den Vorstoß hält sich in Grenzen, nicht nur bei Wirten.
Mühldorf - Derzeit ist es so: Laut Jugendschutzgesetz dürfen Jugendliche ab 14 Jahren in Begleitung ihrer Eltern in Gaststätten Bier und Wein trinken. Bayerns Gesundheitsminister Holetschek will diese Grenze nach oben verschieben und aus der 14 eine 16 machen.
Holger Nagl ist Wirtesprecher im Landkreis und Gastwirt im Hammerwirt, einem Restaurant, das traditionell für Familienfeiern genutzt wird. Er sagt zum Vorschlag Holetscheks: „Es gibt keinen Handlungsbedarf. Wir haben ein funktionierendes System, die Eigenverantwortung der Unternehmer ist sehr groß.“
Es ist Blödsinn
Dass der Wirtesprecher von Holetscheks Vorstoß wenig begeistert ist, überrascht nicht. Dass auch Kinder- und Jugendtherapeuten wenig davon halten, schon eher. Dabei hält Gabriele Blechta mit ihrer grundsätzlichen Haltung nicht hinter dem Berg: „Es ist Blödsinn, wenn man Kinder zum Trinken anleitet.“ Für die Leiterin der Caritas-Erziehungsberatung ist klar: „Alkohol ist eine Droge.“
Danach aber beginnen die Probleme, denn der richtige Umgang mit Alkohol ist für Eltern und Jugendliche schwierig. Der einzige Weg einen vernünftigen Umgang zu finden, ist aus ihrer Sicht eine Schärfung des Bewusstseins für Prävention und für die Gefahren des Alkoholkonsums „Damit muss ich viel früher anfangen, das reicht nicht mit 14 Jahren.“
Andere Wege der Bedürfnisbefriedigung
Aus ihrer Sicht ist es notwendig zu erkennen, dass Menschen ihre Bedürfnisse anders befriedigen können, als durchs Trinken. Dabei komme es vor allem auf das Vorbild der Eltern an, Blechta spricht von den „Eltern als Modell“. Sie sagt: „Ein guter Umgang der Eltern mit Alkohol ist das A und O.“
Offene Gesprächskultur ist entscheidend
Gleich danach komme eine offene Gesprächskultur in der Familie, wo „Fragen ohne schwere Bewertungen besprochen werden können“. Eltern sollten dafür sorgen, dass Kinder über ihre Bedürfnisse sprechen könnten.
Jugendschutzgesetze, sagt Blechta, könnten Eltern dabei helfen, Grenzen zu setzen, aber nicht, das eigentliche Ziel zu erreichen. „Es geht nicht darum, etwas zu verbieten, sondern den Kindern klarzumachen, welches Anliegen Eltern damit verbinden: dass sich ein Kind gut entwickelt.“
Gesetze allein bleiben wirkungslos
Ähnlich beurteilt das Franz Kreitmeier, Leiter der Suchtberatung der Caritas, er steht dem Vorstoß Holetscheks skeptisch gegenüber: „Was bringen Verbote?“ Etwas Gutes aber kann er ihm abgewinnen: „Die Diskussion bringt etwas, denn die Leute schauen wieder hin und kommen ins Reden.“ Und eine Verschärfung des Rechts könnte für Eltern ein gutes Signal sein.
Denn dieses Signal ist nach seiner Ansicht dringend notwendig, weil die Gefahren von Alkohol oft verharmlost würden, sagt Kreitmeier: „Alkohol ist eine Droge und kein Lebensmittel.“ Von den Auswirkungen als Zellgift ist es nach seiner Einschätzung sogar schwerwiegender als das derzeit diskutierte Cannabis.
Kreitmeier sieht zwei Gefahren. Als Zellgift sei Alkohol umso gefährlicher, je früher er getrunken werde. Anders ausgedrückt: „Je später, desto besser.“ Zum anderen könne eine frühe Gewöhnung, die frühe Vermittlung, in welchen Situationen Alkohol gut und hilfreich sei, spätere Sucht fördern. „Es steigt die Gefahr, Alkohol regelmäßig ins Leben einzubauen.“
Wirtesprecher Nagl sieht - zumindest für die Region - keine Notwendigkeit einer Gesetzesverschärfung: „In der Realität passiert es sowieso nicht, dass Eltern ihrem Kind ein Bier bestellen“, sagt er und beruft sich dabei auf seine Erfahrung und die von Kollegen. „Und ich würde es meinem Sohn auch nicht erlauben.“
Andere Forderungen an die Politik
Er hält es für wichtiger, das Augenmerk auf andere Veranstaltungen als Familienfeiern in Gasthäusern zu legen. „Privat organisierte Disko- und Stadlpartys, hinter denen kein Gastwirt steht, sind problematischer. Da gehört mehr aufgepasst“, sagt Nagl. Denn in diesem Bereich gebe es so gut wie keine Kontrollen, Alkohol - auch hochprozentigere Getränke - würde auch an junge Jugendliche ausgeschenkt. „Das Problem ist also, wenn Kinder allein unterwegs sind.“ Da seien Politik und Polizei gefordert.
An die Politik appellieren auch Psychologin Blechta und Suchtberater Kreitmeier. Im Landkreis gibt es keine Jugendsuchtberatung. „Sie fallen raus“, sagt Blechta zur fehlenden, auf Jugendliche spezialisierten Hilfseinrichtung. Nach ihren Angaben ist ein solches Angebot wichtig - aber ungeklärt, wie es finanziert werden könnte. Berater Kreitmeier hofft darauf, dass es künftig wieder Gespräche mit dem Landkreis über die Einrichtung einer Jugendsuchtberatung geben wird.