26.367 Einsätze im Landkreis Mühldorf
„Vollkasko-Mentalität“? Warum Fehlfahrten beim BRK in Mühldorf immer häufiger werden
72-mal am Tag rückt das Rote Kreuz Mühldorf aus, um Menschen zu helfen. Wie auch die Rotkreuzler im Landkreis erfahren müssen, sind diese aber nicht immer dankbar. Außerdem wächst die Zahl sogenannter Fehlfahrten. Was dahinter steckt und was die Zahlen für den Notarzt-Standort Haag bedeuten.
Mühldorf - Ein schwerer Unfall auf der A94, ein Herzinfarkt zu Hause, eine schwere Verletzung bei Waldarbeiten: Menschen in Not melden sich bei der Rettungsleitstelle, die funkt das Rote Kreuz an, das seine Helfer aussendet. Dazu kommen Einsätze beim Volksfest oder Sandbahnrennen. Insgesamt 26.367 Einsätze meldet das Rote Kreuz (BRK) Mühldorf für das vergangene Jahr, 2200 mehr als im Vorjahr.
Es sind aber nicht immer Notfälle, die das BRK auf den Plan rufen, berichtet Franz Kolm, stellvertretender Leiter des Rettungsdienstes in Mühldorf. „Die Hemmschwelle wird immer niedriger die 112 anzurufen“, sagt er. Die Gründe dafür sind aus seiner Sicht vielschichtig. Die Wartezeit bei Anrufen beim ärztlichen Bereitschaftsdienst sei oft lange, Patienten erwarteten sich eine schnellere Behandlung, wenn sie mit dem Rettungswagen in die Notaufnahme kämen, viele Menschen hätten eine „Vollkaskomentalität“ und wollten Rundumversorgung, auch wenn es kein Notfall sei. „Es gab aber nicht mehr Unfälle“, sagt Kolm.
Zehn Prozent Fehlfahrten
Das BRK bleibt zwar nicht auf den Kosten der Fehlfahrten sitzen, die Fehlalarme bringen aber ein anderes Problem mit sich: „Unsere Rettungswagen sind teilweise belegt, wenn dann etwas Schlimmeres passiert“, sagt Tina Buchner, die beim Roten Kreuz für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.
Deshalb sind die Rotkreuzler froh, dass sich eine Schreckensnachricht nicht bewahrheitet hat: Der Rettungswagenstandort Haag bleibt erhalten. Das Innenministerium hatte im Januar eine Studie des Instituts für Notfallmedizin veröffentlicht, nach der die Notarzt-Standorte Haag und Burghausen wegfallen sollten.
Notarztwagen in Haag kann bleiben
Davon kann jetzt keine Rede mehr sein, berichtet Kolm. Denn auch die Einsatzzahlen in Haag sind gestiegen. Auf 1475 beziffert das Rote Kreuz die Zahl im vergangenen Jahr. „Als verantwortliche Behörde hat der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung durch den Verbandsvorsitzenden bekannt gegeben, dass für die nächsten Jahre keine Notwendigkeit besteht, der Empfehlung nachzukommen“, sagt Kolm. „Somit wird auch künftig der Notarzt vom Standort Haag aus, zum Einsatz kommen.“ Auch die Belegung mit Notärzten sei gesichert.
Vergleichsweise positive Nachrichten kann Kolm auch von den Arbeitsbedingungen der Sanitäter berichten. In den vergangenen Wochen und Monaten gab es deutschlandweit immer wieder Berichte von Übergriffen gegen die Hilfskräfte. „Das hält sich bei uns in Grenzen“, sagt der stellvertretende Leiter des Rettungsdienstes. Nur punktuell komme es zu verbalen Ausfällen gegen Sanitäter und Notärzte. „Meist sind dann Alkohol oder Drogen im Spiel.“
Nur ein halbes Dutzend Übergriffe
Körperliche Attacken seinen dagegen sehr selten, sagt Kolm. „Vielleicht vier bis sechs, Tritte oder Schläge.“ Verletzt sei dabei aber noch kein Helfer worden, „es war keiner krankgeschrieben.“
Personell geht es dem roten Kreuz im Landkreis gut. Das liegt laut Kolm daran, „dass uns die Industrie nicht so aussaugt“. In anderen Gegenden mit größeren Industriebetrieben oder Kliniken würden die gut ausgebildeten Sanitäter abgeworben; diese fehlten dann bei den Hilfskräften. „Die Firmen und Krankenhäuser schätzen das hoch qualifizierte Personal, Firmen selbst bilden keine Rettungssanitäter aus. Derzeit bildet das BRK Mühldorf zehn Notfallsanitäter aus.
83 hauptamtliche Mitarbeiter und 65 Ehrenamtliche stellen Rettungsdienst sicher
83 haupt- und 65 ehrenamtliche Mitarbeiter sichern die Versorgung in den vier Rettungswachen in Mühldorf, Waldkraiburg, Neumarkt-St. Veit und Haag. Sie fahren sechs Rettungswagen, drei Krankentransporter und drei Notarzteinsatzfahrzeuge, mit denen Ärzte unabhängig vom Rettungswagen zum Notfallort gebracht werden.
Sie absolvierten im vergangenen Jahr 26.367 Einsätze (2021: 24.185) und fuhren dabei 936.392 (2021: 856.118) Kilometer. Jede zehnte Fahrt war überflüssig, eine Fehlfahrt. „Seit 2019 hat die Zahl der Einsätze um mehr als 20 Prozent zugenommen“, sagt Kolm.
Die drei Notarztfahrzeuge in Mühldorf, Waldkraiburg und Haag rückten zu 5165 Einsätzen aus.