Windpark-Diskussion im Landkreis Altötting
Windpark sorgt für Spaltung: Demo dafür, Abstimmung dagegen und Söder versus Aiwanger
Markus Söders Ankündigung eines „Mega-Windparks“ im Landkreis Altötting vor rund einem Jahr sorgte für ordentlich Zunder – doch von einer Aufklärungskampagne durch die Politik war keine Spur. Kein Wunder, dass die verspätete Werbetour Aiwangers nicht überzeugen konnte. Die Gegner planen derweil eine weitere Abstimmung, die Befürworter organisieren Demos und die Gemeinden leiden unter der Spaltung.
Landkreis Altötting – „Alle Akteure sind auf der richtigen Spur. Es gibt keinen Widerstand aus der Bevölkerung“, so zitierte BILD am 13. Dezember 2022 den Bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). Zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) hatte er damals angekündigt, dass ein „Mega-Windparks bei Burghausen“ kommen solle. In Burghausen selbst war man von der Meldung überrascht. „Überrumpelt“ beschriebe wohl besser, wie sich die Bürger im Landkreis Altötting fühlten.
Die (spärlichen) Informationen von Anfang an
Der Burghauser Bürgermeister, Florian Schneider (SPD), kaufte sich an diesem Tag prompt eine Ausgabe des besagten Blatts. Einen Tag später, bei der Stadtratssitzung am 14. Dezember 2022, gab er sich jedoch entspannt: Auf Anfragen aus dem Rat antwortete er, dass noch viele Dinge abgeklärt werden müssten. Nur zwei Tage zuvor, hatte eine Kreistagssitzung stattgefunden, und da Aiwanger gegenüber der Bild angegeben hatte, dass das Projekt mit Landrat und Bürgermeistern besprochen worden sei, dürften Schneider zumindest die Randdaten bekannt gewesen sein.
Eilige Beschlüsse und zu wenig Information
Am selben Tag stimmte die Stadt Altötting über den Beschlussvorschlag der Bayerischen Staatsforsten ab – als erste der neun betroffenen Kommunen. Das Ergebnis war positiv – doch unter massivem Widerstand von AfD-Stadtrat Günter Vogl. „Ich verspreche, dass wir dagegen eine Bürgerinitiative gründen werden!“, sagte er damals und schuf kurzerhand eine Telegram-Gruppe, in der sich Windpark-Gegner fanden. Mit der Gründung von „Gegenwind e.V.“ habe Vogl aber nichts zu tun gehabt, so der AfD-Stadtrat später. Die Gruppe sei bunt zusammengewürfelt – Bezug zur AfD bestehe keiner.
Während der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (CSU) keine Informationsveranstaltung für Bürger organisieren wollte und dies den Bürgermeistern überließ, waren die Windpark-Gegner fleißig: An gut besuchten Abenden führten sie regelmäßig Veranstaltungen durch – und auch Bürgermeister kamen. Erst nach den Windpark-Abstimmungen in fünf Gemeinden und zwei Enthaltungen in Emmerting und Kastl, wurde seitens der Bayerischen Staatsforsten am 31. Januar 2023 eine nicht öffentliche Informationsrunde in Burgkirchen organisiert.
Uneinigkeit an allen Fronten
Bereits vor dem Termin in Burgkirchen hatten Marktl und Mehring für den Windpark gestimmt – ein Fehler? Erst Ende Januar kippte ein Bürgerbegehren den Beschluss des Mehringer Gemeinderats, und am 9. Juni wird in Marktl abgestimmt. Die vielen Bürgerversammlungen, die im Herbst 2023 von den Kommunen des Landkreises durchgeführt wurden, konnten wohl nur noch wenig bewegen. Zu stark hatte sich bereits die Gegner formiert. Doch auch in den Reihen von Gegenwind e. V. kam es zu Uneinigkeiten: Erst vor vier Tagen – am 25. Februar – hatten drei sehr aktive Mitglieder der Initiative ihren Austritt verkündet: Maria Schmöckel, sowie Irmi und Wolfgang Peiskar.
Bereits vor einem Jahr hatten sie sich massiv gegen Presseberichte gewehrt, die der Initiative AfD-Bezug unterstellten. Nun sagen sie selbst, dass die fehlende Distanzierung des Führungsteams zu AfD-Mitgliedern zu ihrem Austritt führte. Nachdem sich AfD-Stadtrat Günter Vogl bereits aus der Gruppe zurückgezogen hatte, sei die Aktivität eines anderen Mandatsträgers innerhalb der Initiative verborgen gehalten worden. Nur wenige Tage vor dem Ausstieg der Aktiven hatte auch Frank C. Starke, der Anwalt der Initiative, seine Arbeit für „Gegenwind e.V.“ niedergelegt. Weil er nicht mit Verfassungsfeinden zusammenarbeiten wolle, begründete Starke gegenüber der PNP.
BUND Naturschutz und Fridays For Future demonstrieren
Auch die Befürworter organisieren sich inzwischen: Am Freitag, dem 1. März findet unter dem Motto „Saubere Energie in Altötting“ eine Demo statt. Jahrelang sei von vielen Seiten für eine Energiewende mit sauberer Energieerzeugung gekämpft worden, doch „kaum, dass diese endlich hier auch im großen Stil (Windräder) umgesetzt werden sollte, formiert sich aus einem Teil der Bevölkerung Widerstand dagegen“, sagen die Veranstalter. Zusammen fordern Fridays For Future und BUND Naturschutz mehr regionalen Strom aus erneuerbaren Energien, aber auch mehr Aufklärung und mehr Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. Auch die Gründung eines Bündnisses zur „Energiewende – INN-Salzach“ fordern sie.
Hubert Aiwangers verspätete Werbekampagne
Dass die Informationen seitens der Politik schwach waren und zu wünschen übrig ließen, konnte auch der Besuch von Hubert Aiwanger in Mehring und Marktl nicht mehr ändern. Er wollte sich für Kompromisse starkmachen und bot den betroffenen Bürgern mehr Abstand zur Wohnbesiedlung an. Seine Argumente waren jedoch schwammig: „Im Wald sieht man vor lauter Bäumen die Windräder nicht“, überzeugte die Zuhörer genauso wenig wie das Versprechen, dass das Rauschen der Blätter lauter sei, als das Geräusch der Windräder. Ob die hohe Bürgerbeteiligung und ein Strombonus nun die Kritiker noch umstimmen können? Die Bayerischen Staatsforsten wollen überzeugen, indem sie Busausflüge zu den Windrad-Standorten anbieten.
Wenig Optimismus für die Gegner dürfte eine Äußerung Markus Söders liefern: „Ob er jetzt mit 41 oder 39 Windrädern kommt, darüber kann man diskutieren, aber er muss kommen“, sagte er gegenüber der SZ. Einen Seitenhieb auf seinen Wirtschaftsminister konnte er sich dabei nicht verkneifen: „Endlich“ sei Aiwanger jetzt unterwegs, um sich um die Sache zu kümmern. Bleibt nur die Frage, ob es dafür nicht längst zu spät ist.
