Nachgefragt in Rosenheim und Burghausen
Weinpanscher-Skandal 1985: Ist das Vertrauen in österreichischen Wein wieder voll da?
Im Sommer 1985 erschütterte der sogenannte „Weinpanscher-Skandal“ auch unsere Region. Wir haben uns nun bei Händlern aus Burghausen und Rosenheim erkundigt: Ist das Vertrauen in österreichischen Wein 40 Jahre später wieder da?
Burghausen/Rosenheim – „Haben Sie Angst vor Gift in Lebensmitteln? - Reaktionen auf die Giftpanschereien“, so die Überschrift einer Straßenumfrage, welche die in der Ausgabe des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) vom 24. August 1985 erschien. „Die Giftpanschereien in Lebensmitteln sind derzeit in ganz Deutschland noch vor ‚AIDS‘ das Thema Nummer eins“, heißt es darin, „Wie unsere Umfrage zeigt, sind die Reaktionen der Bürger auf die Skandale völlig unterschiedlich. Einige werden in Zukunft gezielter einkaufen, andere stellen sich nicht um.“
„Zum Glück kaufe ich nur italienischen Wein. Dennoch ist man ein wenig verunsichert, denn es wird sicherlich schon länger gepanscht und erst jetzt ist man draufgekommen“, wird eine Rosenheimerin zitiert. „Ich nehme den Wirbel um die Panschereien nicht so ernst, denn vor zehn Jahren wurde wahrscheinlich schon genauso herumgemurkst“, meint demgegenüber ein Mann aus Niedermoosen, der dann ergänzt: „Zu diesem Zeitpunkt nahm man es aber mit den Kontrollen noch nicht so ernst.“
Nachgefragt in Rosenheim und Burghausen - Weinpanscher-Skandal 1985: Ist das Vertrauen in österreichischen Wein wieder voll da?
„Anfang Juli 1985 informierte die österreichische Bundesregierung, dass einzelne Winzer eher minderwertigen Wein mit Hilfe eines Frostschutzmittels (Diaethylenglykol) zu einem Prädikatswein gestylt hatten“, fasst das Haus der österreichischen Geschichte das Geschehen zusammen, „Diese so produzierte ‚Spätlese‘ war primär für den Export mittels Tankwagen bestimmt und speiste vor allem den deutschen Markt. Die Weinpanscher profitierten von der marktspezifischen Süßweinnachfrage. Illegale Verschnitte mit österreichischen Süßweinen belasteten auch in Deutschland Handel und Produktion.“
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„Der Skandal um den Panschwein aus Österreich sorgt auch im Raum Rosenheim für Unruhe. Wie gestern von der Stadt Rosenheim und dem Landratsamt zu erfahren war, wurden auch bei uns größere Mengen des mit dem Frostschutzmittel Diethylenglykol vermischten Rebensafts aus dem Burgenland zum Verkauf angeboten“, heißt es im OVB am 13. Juli, „Vom Gift-Wein-Skandal erfaßt wurde auch die Rosenheimer Verbraucherzentrale. Hier gingen, wie Mechthild Guse, Leiterin der Beratungsstelle berichtet, seitdem täglich über zwanzig Extra-Anrufe ein. Alle Anrufer fragten nach, was sie mit ihrem österreichischen Wein machensollten. Viele von ihnen hatten tatsächlich etliche Flaschen des Frostschutz-Gemischs in ihrem Keller.“
Weinexport aus Österreich brach zeitweise zusammen
„Besorgte Bundesbürger versuchten unterdessen, ihre Kellerbestände auf gefährliche Beimischungen untersuchen zu lassen. Wie jedoch mehrere staatliche Chemielabors meldeten, sind diese zurzeit mit amtlichen Proben überlastet. Außerdem wiesen sie darauf hin, dass chemische Weinanalysen für private Konsumenten mit Kosten in Höhe von rund 300 Mark verbunden sind“, erfahren wir beispielsweise aus einem Bericht im OVB vom 20. Juli 1985. Einer der Verantwortlichen musste sich in der Folge vor Gericht verantworten. Der Export österreichischer Weine brach zeitweise komplett zusammen. In der Folge kam dann allerdings einen Sinneswandel, weg von Billigprodukten und hin zu höherer Qualität, der einen neuen Aufschwung brachte.
„Die vom Skandal betroffenen Weine wurden seinerzeit ausnahmslos über Strukturvertriebe à la Pieroth und dem Lebensmitteleinzelhandel vertrieben“, erinnert sich Albert Geith, zuständig für den Weineinkauf beim seit 1922 bestehenden Weinhaus Geith aus Burghausen, „Der Fachhandel war nicht involviert. Anders als diese Vertriebsformen, die damals zurecht 90 Prozent ihres Österreichumsatzes verloren, haben wir nur wenig an Österreichumsatz eingebüßt, weil unsere Kunden Vertrauen in uns und unsere Weine hatten. Heute machen wir mehr Umsatz mit österreichischen Weinen als vor dem Skandal. Es besteht heute kein Anlass, an der Korrektheit der österreichischen Weine zu zweifeln.“
„Unsere Kunden haben inzwischen keine Bedenken mehr. Als wir unsere Vinothek eröffnet haben, mussten wir das Thema noch öfter diskutieren“, berichten Christine und Rainer Hacker von der auf österreichische Weine spezialisierten Vinothek Hacker aus Rosenheim, „Der ‚Weinskandal‘ hat dem österreichischen Weinbau einen totalen Aufschwung gebracht. Das österreichische und deutsche Weinbaugesetz gehören zu den strengsten Gesetzen der Welt. Der österreichische Wein hat inzwischen eine große Fangemeinde und es kommen täglich neue Genießer des österreichischen Weins dazu. Natürlich können wir bedenkenlos dazu raten, österreichischen Wein zu kaufen und zu trinken. Österreich ist zurzeit so ziemlich das einzige Land in Europa, das im Export Zugewinne hat.“
