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Anonyme Mails an Kindergarten im Landkreis Altötting

Essenszwang im Kindergarten? Vorwürfe enden in Ermittlungen gegen angebliches Opfer

In einer anonymen E-Mail beschuldigte eine Frau ihre ehemalige Kindergärtnerin, sie als Kind zum Essen gezwungen zu haben.
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In einer anonymen E-Mail beschuldigte eine Frau ihre ehemalige Kindergärtnerin, sie als Kind zum Essen gezwungen zu haben.

Meldungen über Gewalt in Kitas und Kindergärten stiegen zuletzt stark an. Auch im Landkreis Altötting* erhob eine anonyme Person schwere Vorwürfe gegen ihre ehemalige Kindergärtnerin: Sie soll Kinder mit Gewalt zum Essen gezwungen haben. Die Ermittlungen liefen am Ende jedoch in die andere Richtung.

Landkreis Altötting – Körperliche Strafe und Zwang sind in der Kindererziehung schon lange verboten. Doch laut einer Umfrage des BR stieg die Gewalt in bayerischen Kindergärten und -tagesstätten zuletzt stark an. Erst im März wurde auch im Landkreis Altötting Anzeige gegen die ehemalige Mitarbeiterin eines Kindergartens* erstattet.

Die Anzeigeerstatterin gab an, dass die Mitarbeiterin gegenüber Kindern handgreiflich geworden sei und sie zum Essen gezwungen haben soll. „Sie war eine äußerst boshafte Person: Bei ihr gab es nahezu täglich Essenszwang“, schrieb die Dame in einer anonymen Mail an den Kindergarten und dessen Trägerin, das Bistum Passau. Die Mail ging zeitgleich an das Bayerische Staatsministerium der Justiz, das Landgericht Traunstein, die Polizei Bayern, das Jugendamt Altötting, die Staatsanwaltschaft Traunstein und an die Presse. Sie schildert weiter, was sich vor über 20 Jahren ereignet haben soll.

Trotz Anzeige keine Aussage

Nachdem die Polizei den Namen der Anzeigeerstatterin ermittelt hatte, wurden erste Ermittlungen eingeleitet: Die Schilderungen aus der Mail konnten jedoch nicht bestätigt werden. Bei der Kriminalpolizei machte die Anzeigeerstatterin nämlich keine Aussage mehr. Am Ende mussten die Ermittlungen eingestellt werden. Die Interventionsbeauftragte des Bistums Passau, Antonia Murr, der inzwischen die Akten des Falls sowie die Geburtsdaten der Anzeigeerstatterin vorliegen, hat den ungefähren Zeitraum berechnet, in dem die Dame den fraglichen Kindergarten besucht haben könnte: in den Jahren zwischen 1998 und 2002.

In ihrer Mail beschuldigt die Anzeigeerstatterin die pensionierte Kindergärtnerin aufs Schärfste. So beschreibt sie, dass Kinder gezwungen wurden, sitzen zu bleiben, bis sie aufgegessen hatten. „Wenn ein Kind dann das Essen runterwürgte und sich danach jedes Mal übergeben musste, war es ihr egal“, schreibt sie. Ihrer Mail zufolge soll die Erzieherin ihre „Macht“ über die Kinder genossen haben. Der Ton der E-Mails ist aufgebracht und der Nachrichtenverlauf zeigt eine wirsche Aufforderung der Dame an die Kindergartenleiterin, sich bei ihr zu entschuldigen. Außerdem erwähnt sie Schmerzensgeldforderungen.

Ermittlungen gegen die Anzeigeerstatterin

„Ihr Verhalten, sich einfach gar nicht mehr zurückzumelden, halte ich für äußerst provozierend mir gegenüber“, heißt es da, und: „Nicht einmal eine Entschuldigung, für das, was mir angetan wurde, bin ich Ihnen also wert.“ Die Einladung der Kindergartenleitung zu einem persönlichen Gespräch lehnte die Beschwerdeführerin als unzumutbar ab. Weil sie jedoch den Kindergarten auch telefonisch kontaktierte und dabei eine Mitarbeiterin verbal attackierte, wurden am Ende Ermittlungen gegen die Anzeigeerstatterin selbst eingeleitet. Auch diese wurden nun eingestellt.

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Keine weiteren Vorwürfe bekannt

Auf unsere Anfrage beim Bistum Passau reagierte die Interventionsbeauftragte, Antonia Murr, und zeigte sich sehr kooperativ. Ihr zufolge liegen dem Bistum bezüglich des fraglichen Kindergartens keine weiteren Meldungen wegen Essenszwang vor. Generell gebe es aus der jüngeren Vergangenheit keine Vorwürfe gegen Kindergärten in der Trägerschaft des Bistums Passau. Dagegen lägen einige Meldungen aus sehr viel früheren Zeiten vor: „Speziell aus zwei Kinderheimen und Internaten. Auch aus dem Knabenseminar St. Max im Zeitraum der 50er und 60er Jahre“, so Murr.

Weil die Staatsanwaltschaft das Bistum gebeten habe, bis zum Abschluss der Ermittlungen keine eigenen Untersuchungen und Befragungen vorzunehmen, seien laut Murr bis zur Übersendung der Akten keine Schritte seitens des Bistums eingeleitet worden. In der Regel verhalte sich dies anders, denn Meldungen über Aufsichtspflichtverletzungen und unangemessenes Verhalten pädagogischer Kräfte gingen dann an den Diözesan-Caritasverband, der sich um Präventions- und Interventionsmaßnahmen kümmere.

Betroffenen würden anschließend psychologische oder therapeutische Beratung angeboten, sowie Unterstützung bei der Einreichung von Entschädigungsanträgen. Auch die Aufarbeitung von Fällen in den betroffenen Institutionen spiele eine wichtige Rolle: „Aufarbeitung soll aufdecken, in welcher Kultur Gewalt stattgefunden hat“, erläutert Andrea Kramer, Präventionsbeauftragte des Diözesan-Caritasverbands. „So wird aufgedeckt, welche Strukturen oder Haltungen dazu beitragen, dass Gewalt stattfinden, vertuscht und verschwiegen werden kann.“

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Wegen Ermittlungen übliches Vorgehen gestoppt

Weil der vorliegende Fall 20 Jahre zurückliege, die Kindergärtnerin bereits pensioniert und so viele öffentliche Stellen von der Beschwerdeführerin kontaktiert worden seien, könne dies nicht als ‚Musterfall‘ betrachtet werden, betont die Interventionsbeauftragte des Bistums. Auch in diesem Fall habe man zwar die Akte an den Diözesan-Caritasverband weitergeleitet, doch aufgrund der Bitte der Staatsanwaltschaft sei das übliche Vorgehen gestoppt worden.

Nachdem nun aber die Ermittlungen abgeschlossen seien, solle geklärt werden, ob und in welcher Weise Aufarbeitung und Begleitung angezeigt und gewünscht sind. „Es wird sich zeigen, ob hier Ruhe einkehrt oder gegebenenfalls weitere, eventuell auch gerichtliche Schritte anstehen“, so die Interventionsbeauftragte. Nach Einsicht in die Ermittlungsakten sieht Murr die Problematik des Falls nicht beim Kindergarten oder der pensionierten Mitarbeiterin. In diesem Fall liege die Schwierigkeit eher bei der Anzeigeerstatterin selbst.

Was tun, wenn Eltern etwas auffällt?

Besorgten Eltern rät das Landratsamt Altötting sich zuerst an die Gruppenleitung oder die Leitung des Kindergartens zu wenden. „Sollte hier keine Klärung möglich sein, können sich die Eltern auch an den Träger der Kita wenden und letztendlich natürlich auch an die Kindergartenaufsicht.“ Auch mit verschiedenen Beratungsstellen können Eltern Kontakt aufnehmen. „Zuerst wäre hier das Jugendamt zu nennen, die Erziehungsberatungsstelle oder auch Frauen helfen Frauen in Burghausen“, heißt es vom Landratsamt. Jede Kindertageseinrichtung habe sich ein Schutzkonzept erarbeitet, nach dem die Einrichtungen arbeiten. „In dem Konzept geht es um den Schutz der Kinder, sowohl in der Kita als auch daheim.“

* Der fragliche Kindergarten befindet sich im Landkreis Altötting. Weil die Ermittlungen zu keinen Ergebnissen führten und die Unschuldsvermutung gilt, wird hier auf eine nähere Ortsangabe verzichtet.

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