„Logenplatz“ in luftiger Höhe
Nach schwerem Unfall auf der A94: Das sagen Polizei und Feuerwehr über die Gaffer
Ein vollbesetzter Kleintransporter überschlägt sich auf der Autobahn: Es gibt mehrere Verletzte, Feuerwehr und Rettungskräfte arbeiten unter Hochdruck. Von einer Autobahnbrücke aus schauen neugierige Gaffer zu. Bekommen sie jetzt eine Anzeige?
Töging – Neun Menschen aus Bulgarien, darunter ein dreijähriges Kind, wurden bei dem schweren Unfall am Sonntag (8. September) gegen 7 Uhr mit einem Kleintransporter auf der A94 bei Töging verletzt. Der Unfall ereignete sich direkt unter einer Autobahnbrücke. Trotz der frühen Stunde versammelten sich auf dieser Brücke mehrere Gaffer, darunter auch Eltern mit einem kleinen Kind.
Gaffer wichen nicht von der Stelle
Von ihrem „Logenplatz“ aus verfolgten sie, wie die Verletzten zu Hubschrauber und Rettungswagen geführt und abtransportiert wurden. Beobachteten, wie die Einsatzkräfte der Feuerwehr Töging das auf dem Dach liegende Fahrzeug sicherten und zum Abschleppen vorbereiteten.
„Erst habe ich die Menschen auf der Brücke gar nicht registriert“, sagt Polizeihauptkommissar Thomas Oberbauer von der Autobahnpolizei Mühldorf. Der stellvertretende Stationsleiter war selbst am Unfallort. „Sie haben zugeschaut, bis der Abschleppdienst gekommen ist.“ Er könne schon verstehen, dass man beim Vorbeikommen an einer Unfallstelle kurz einen Blick darauf werfe. Das sei ganz normale menschliche Neugier. Aber nicht mehr von der Stelle zu weichen, und alles akribisch zu beobachten, bezeichnet der Polizist als „nicht schön, aber das muss jeder selbst wissen“. Zum Glück habe es keine Toten gegeben, die begafft wurden.
Keine Anzeige gegen die Neugierigen auf der Brücke
Hätte einer der Schaulustigen auf der Brücke zum Handy gegriffen, dann wäre die Polizei eingeschritten. „Dafür hätte es eine Anzeige gegeben“, betont Oberbauer. „Auch wenn jemand langsam an einem Unfall vorbeifährt, um genau zu schauen, begeht er einen Verkehrsverstoß, der angezeigt wird.“
Feuerwehr hat Sichtschutz immer dabei
Schaulustige am Einsatzort gehören für die Feuerwehr zum täglich Brot, erklärt Markus Rietschl. Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Töging war ebenfalls nach dem Unfall im Einsatz. „Gegen Gaffer haben wir mittlerweile immer einen Sichtschutz dabei, um die Privatsphäre der Unfallopfer, vor allem von Verletzten, zu schützen“, erklärt er.
Schwerer Unfall auf A94 bei Töging am Sonntag (8. September)




„Das möchte man doch selbst nicht, dass Wildfremde einen beobachten, wenn es einem schlecht geht.“ Bei diesem Unfall war das aber gar nicht nötig, denn alle neun Personen konnten sich entweder selbst aus dem Fahrzeug befreien oder wurden von vorbeikommenden Ersthelfern herausgeholt.
Gaffer stören Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit
Auch ohne Sichtschutz waren die Verunfallten keinen neugierigen Blicken ausgesetzt. „Die neun saßen unter der Autobahnbrücke, konnten von den Passanten darüber also nicht gesehen werden“, so Rietschl. „Erstversorgt wurden sie in den Rettungswagen, da konnte auch niemand reinsehen.“
Die Arbeit der Feuerwehr und der anderen Rettungskräfte wurde von den Gaffern auf der Brücke nicht gestört. „Wir haben bei unseren Einsätzen immer wieder Zuschauer, die uns tatsächlich auch behindern. Dann schreiten wir ein, und verweisen sie des Platzes.“ Das bindet aber wieder eine Person, die eigentlich Besseres zu tun hätte, als sensationslustige Beobachter zu verscheuchen.
Leider sind der Feuerwehr aber beim Vorbeileiten des aufgestauten Verkehrs wieder Menschen aufgefallen, die das Geschehen gefilmt haben: „In jedem dritten Auto hatte einer der Insassen schon das Handy gezückt.“ Er versteht nicht, warum man auf das Leid anderer draufhalten muss. Aber zum Glück hätten diese Unfall-Filmer außer einem verbeulten Kleintransporter neben der Autobahn keine „Beute“ gemacht.
Fahrer ist am Steuer eingeschlafen
Die Unfallursache ist einen Tag nach dem Unfall bereits ermittelt. „Der Fahrer des Transporters ist am Steuer eingeschlafen“, stellt Thomas Oberbauer von der Autobahnpolizei fest. „Die neunköpfige Gruppe kam aus Bulgarien und der Mann war nach der langen Fahrt übermüdet.“ Gegen den 35-jährigen Fahrer wird wegen fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung des Straßenverkehrs ermittelt.
Transporter war nicht überbesetzt
Die Erstmeldung vom Unfallort erinnerte stark an den tragischen Schleuserunfall auf der A94 bei Ampfing im Oktober 2023, bei dem sieben Personen ihr Leben verloren. Damals drängten sich 23 Mensche – Syrer, Türken und der österreichische Fahrer –, in einem viel zu kleinen Mercedes Vito. Dieses Mal ging es nicht um eine Schleusung. Das Fahrzeug war mit den neun bulgarischen Staatsangehörigen nicht überbesetzt, alle Insassen waren angeschnallt, keiner wurde aus dem Fahrzeug geschleudert. Zwei Personen wurde bei dem Unfall mit Überschlag schwerer verletzt und sind noch in Krankenhäusern. Alle anderen konnten die Klinken nach einer ersten Untersuchung bereits am Sonntag wieder verlassen.



