Langfinger treiben ihr Unwesen
„Gibt nix mehr auf Vertrauen“: So wehren sich Hofläden gegen dreiste Lebensmittel-Diebe
Nudeln, Wurst, Käse, Fleisch, Obst und Gemüse: Hofläden sind sehr gut sortiert. Selbstbedienung ist angesagt, doch viele nehmen das zu wörtlich. Sie zahlen einfach nicht.
Erharting – Das Geschäft boomt. Ohne Zweifel. Auf seinem Hof in Unterrohrbach bei Erharting hat Cristian Mittermüller deswegen schon drei Hofläden aufgebaut, wo er seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse verkauft: Eier, Wurst, Honig, Nudeln, Obst und Gemüse. Dabei vertraut er auf die Ehrlichkeit. Denn kein Mitarbeiter steht im Laden, der kassiert und kontrolliert, dass sich niemand einfach bedient, ohne zu zahlen.
Doch das ist der Punkt: Die Kunden werden immer dreister, bedienen sich, ohne zu zahlen. „Zwei Anzeigen wegen Diebstahls können da pro Monat schon zusammen kommen“, beklagt Landwirt Mittermüller. Aktuell verweist er auf zwei laufende Verfahren.
Ungarische Forint und kroatische Kuna in der Kasse
Seit zehn Jahren betreiben die Mittermüllers ihren Hofladen. Besonders in den Sommermonaten kommen die Gauner, Grillgut sei dann begehrt, sagt Mittermüller. Es gebe Langfinger, die eine besondere Taktik anwenden: Sie werfen zwar Geld in die bereitgestellte Kasse. „Dass es sich dabei um ungarische Forint oder kroatische Kuna handelt, stellt sich meistens erst bei der Leerung der Kasse heraus.“ Parkzettel, Kassenbons, Bahntickets – das alles haben sie schon in der Kasse gefunden. Die Fantasie kennt keine Grenzen.
Deswegen hat der 44-jährige Erhartinger schon vor einiger Zeit reagiert und nicht nur die Einfahrt zu seinem Hof, sondern auch die Hütten selbst mit Kameras ausgerüstet. Zwölf Überwachungskameras hat er installiert, um jeden Diebstahl zu dokumentieren und der Polizei bei der Ermittlung zu helfen.
Das Laptop, das die Hofläden aus verschiedenen Perspektiven, innen wie außen, zeigt, steht in der Küche, direkt neben dem Esstisch. Die Mittermüllers schauen damit rund um die Uhr zu, wer in den Laden kommt, wer sich ungewöhnlich verhält, oder eben nicht zahlt. Hat ein Kunde nicht gezahlt, dann lässt sich das Auto-Kennzeichen nachverfolgen.
Die mahnenden Worte aus dem Off
Oder man erwischt den Dieb in flagranti. Dann kann es schon mal eine Stimme aus dem Off ertönen: „Bitte seien Sie ehrlich und bezahlen Sie alles“, ermahnt Mittermüller dann seine Kunden über einen Lautsprecher. Eine App auf dem Smartphone macht es möglich.
Wie kann man den Dieben Herr werden? Mittermüller hat einen Vorschlag: „Vielleicht sollte jeder Diebstahl mit 1.000 Euro Strafe geahndet werden.“ Ohnehin macht er keine Ausnahme: „Alles wird zur Anzeige gebracht. Da ist es mir dann auch egal, ob ich den Dieb gut kenne.“
Es helfe, wenn man regelmäßig Präsenz zeige. Bei Stoßzeiten wird auch mal persönlich abkassiert, zwischendrin stichprobenartig. Seine Frau Maria bedauert es, dass es diese schwarzen Schafe gibt. Die Hofläden zu kontrollieren, binde viel Zeit. Zeit, die man anders besser verbringen könnte. „Denn eigentlich machen wir das ganze, weil es uns ja auch Spaß macht, weil es unsere Leidenschaft ist“, sagt sie. Um zumindest nachts ruhig schlafen zu können, sind die Läden im Winter ab 20 Uhr geschlossen. Im Sommer eine Stunde später.
Eine Betreiberin resigniert schon
Kameras, Überwachung, Stichproben: „Bringt alles überhaupt nichts!“, sagt hingegen Michaela Obermeier-Lohner, die in Niederbergkirchen einen Dorfladen hat. Auch sie hat schon Erfahrung mit Langfingern gemacht. Die Kamera im Inneren des Ladens an der Sankt-Blasius-Kirche hat den mutmaßlichen Täter auch gefilmt, gut erkennbar. Sie ließ das Video viral gehen, tatsächlich sei der Täter erkannt worden.
Polizei ist bemüht, doch der Schaden bleibt
„Die Polizei war bemüht, hat den Diebstahl aufgenommen, das ging dann weiter bis zur Staatsanwaltschaft. Am Ende wurde es eingestellt!“ Warum? „Es war nicht eindeutig zu belegen, dass die Person tatsächlich für alle verantwortlich gemacht werden kann“, berichtet Obermeier-Lohner. Sie spricht von einem Schaden in Höhe von knapp 3.000 Euro, der ihr in den Monaten von Mai bis September 2024 entstanden sei. „Auf diesen Kosten bin ich sitzen geblieben!“
Ihre Konsequenz: „Es gibt halt jetzt nix mehr auf Vertrauen. Hochwertige Waren im freien Verkauf ohnehin nicht. Kein Gemüse mehr, was sehr viele bedauern. Sondern in erster Linie Waren aus dem Automaten.“
Die eigentlichen Verlierer sind die Dorfbewohner
Man kann mit Bargeld zahlen, auch mit Karte. Aber das Angebot ist reduziert. „Was schade ist, weil es doch einige ältere Frauen in Niederbergkirchen gibt, die kein Auto haben. Für die war das Angebot schon gut“, so Obermeier-Lohner. Sie ist sich sicher: Das sind keine hiesigen, keine Niederbergkirchener, die sich bedienen ohne zu zahlen. Es seien Autos mit fremden Kennzeichen gesichtet worden, bevor gestohlen wurde.
„Der Umsatz ist damit natürlich auch weniger geworden.“ Dabei verursacht der Laden jede Menge Unkosten. Unter anderem auch für die Pacht des Parkplatzes, der auf Kirchengrund steht. Dann der Strom, den Obermeier-Lohner selbst verlegen ließ. Ihr Fazit: „Ich würde keinen solchen Laden mehr aufstellen!“
Die Zick-Zack-Zu-Methode
Oder man wird erfinderisch. Wie die Landwirtsfamilie Kaiser bei Töging. Auch dort gibt es einen Laden am Hof. Auch dort hat man schon Erfahrung mit Langfingern gemacht. 1.000 Euro Schaden können da pro Jahr schon mal zusammenkommen. „Wir haben Kameras installiert. Bei einem Diebstahl schickt man sich das Bildmaterial. In der Branche hilft man da gut zusammen. Der Täter ist dann oft gleich ermittelt“, sagt Karl Kaiser. Dann stellt man eine Rechnung aus, inklusive Bearbeitungsgebühr zwischen 30 und 50 Euro, und schickt diese dem Übeltäter zu. „Im Regelfall wird das dann auch bezahlt, da andernfalls die Anzeige folgt!“
Das Besondere bei den Kaisers: Der Laden hat eine Tür, die sich per Schalter und bald auch mithilfe einer App schließen lässt. Wird ein Dieb auf frischer Tat ertappt, wird er damit festgesetzt. „Wir rufen dann die Polizei, die dann den Rest erledigt!“, so Kaiser. Den vermeintlichen Täter selbst zu konfrontieren, davon lassen die Kaisers die Finger: „Man kann sich schließlich nicht sicher sein, dass die Person nicht austickt!“ Entlarvungen seien nicht immer mit einem Triumphgefühl verbunden. Mitunter gibt es auch Enttäuschungen: „Nämlich dann, wenn sich herausstellt, dass man den Dieb persönlich kennt“.
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