Löschschaum eingetreten?
Nach Chemie-Unfall bei OMV: Bedrohte Fischart „Nase“ in Rechtmehring und Soyen in Gefahr?
Der Nasenbach, der durch Rechtmehring, Albaching und Soyen fließt, ist bereits vor Jahren als „Umweltdesaster“ bezeichnet worden. Nun steht der Bach möglicherweise vor einer neuen Herausforderung. Denn bei einem Chemie-Unfall in Steinhöring könnte giftiger Löschschaum eingetreten sein. Droht nun eine Verschärfung des „Desasters“?
Rechtmehring/Albaching/Soyen – Vor fünf Jahren kam es in Steinhöring zu einem Chemie-Unfall. Am angrenzenden Nasenbach laicht die gefährdete Fischart „Nase“. Aufgrund der schwierigen Wassersituation spricht der Landesfischereiverband Bayern beim Nasenbach ohnehin seit Jahren von einem „Umweltdesaster“. Nun kommt auch noch ein Chemie-Unfall hinzu. Hat das Auswirkungen auf die Fischart?
Hintergrund des Problems: Ein Unfall bei der Firma OMV, einem internationalen Öl- und Gaskonzern mit Sitz in Wien, im November 2019. Damals ist hoch-giftiger Löschschaum in das Leitungssystem der Anlage eingetreten. Das hat die Firma nun, fünf Jahre später, dem Wasserwirtschaftsamt Rosenheim und dem Landratsamt Ebersberg bestätigt.
In regelmäßigen Abständen wird die Anlage mit 250.000 Kubikmeter Rohöl überprüft. 2019 ist der Schaum hineingeraten, laut Landratsamt Ebersberg wahrscheinlich aufgrund menschlichen Versagens. Möglich, dass das gesamte Löschsystem der Firma dabei verunreinigt wurde. Möglich auch, dass der Nasenbach dadurch verunreinigt wurde. OMV hat laut eigener Aussage zwar damals sofort den Überlauf des Löschwasserbeckens in den angrenzenden Nasenbach abgeriegelt, aber dass sich weitere Abläufe in Richtung Nasenbach gebildet haben, kann im Moment laut Landratsamt Ebersberg nicht ausgeschlossen werden.
Vor allem sogenannte PFAS-Stoffe (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) – bekannt als „Ewigkeitschemikalien“, weil sie sich über Jahrzehnte anreichern, ohne abgebaut zu werden – könnten ihren Weg in den Nasenbach gefunden haben.
Laichplatz leidet an notorischem Wasserverlust
Dabei ist der Bach bereits vor mehreren Jahren in die Medien geraten. Denn seit langer Zeit spricht der Landesfischereiverband Bayern hier von einem „Umweltdesaster.“ Der Nasenbach gilt als einer der letzten Heimatorte in der Region für die gefährdete Fischart „Nase“. Ein wichtiger Laichplatz für die bedrohte Art im Soyener Ortsteil Königswart leidet laut den Fischern seit Jahren unter notorischem Wasserentzug. Das Problem: Seit der Inbetriebnahme des Soyenseekraftwerks wird der Nasenbach vollständig in den Soyensee abgeleitet und von dort durch einen Stollen dem Kraftwerk Vorderleiten zur Stromerzeugung zugeführt. Dadurch fehlt Wasser an der Laichstelle. Zudem speist sich das vorhandene Restwasser vor allem aus der Soyener Kläranlage und aus dem Altdorfer Mühlbach, der ebenfalls mit Abwasser vorbelastet ist. Der Landesfischereiverband befürchtet deshalb seit längerem den Verlust des Laichplatzes.
Entsprechend kritisch beäugt auch Udo Steinhörster, Fachbeirat für Natur- und Artenschutz beim Landesfischereiverband Bayern, der sich sehr für die „Nase“ einsetzt, den nun bekannt gewordenen möglichen Eintritt des Löschschaums. PFAS sei zwar zunächst kein Problem für die Fische. Zumindest gebe es dafür bisher keine Hinweise. Problematisch sei nur, dass die Fische ab bestimmten Grenzkonzentrationen nicht mehr für den Verzehr geeignet seien. „Die Fische dürfen so lange verzehrt werden, bis die Behörde ein Verzehrverbot erläßt. Das ist ähnlich wie bei den radioaktiv kontaminierten Schwammerln“, sagt Steinhörster. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sei grundsätzlich nach einem solchen Vorfall angehalten, Rückstandsuntersuchungen anzuordnen und die erforderlichen Empfehlungen auszusprechen. „Sollte sich daraus eine Einschränkung der Fischerei ergeben, können die Fischereiberechtigten Schadensersatzforderungen geltend machen“, sagt der Experte. „Am ökologischen Schaden ändert das freilich nichts.“
Fischtoxische Substanzen im Schaum
Denn während PFAS zwar für die Fische unbedenklich sei, würden Löschschäume auch andere fischtoxische Substanzen, wie zum Beispiel Tenside, enthalten. „Diese können die Fische bei entsprechend hoher Konzentration akut schädigen und auch unmittelbar zu Fischsterben führen“, erklärt Steinhörster. So sei eine Schädigung der Kiemenoberfläche möglich und infolge starker Sauerstoffzehrung könne Sauerstoffmangel im Gewässer eintreten. Darüber hinaus seien Löschschäume geeignet, Fischnährtiere zu schädigen. Grundsätzlich seien durch einen Eintritt der hochgiftigen Substanz „negative Auswirkung auf das gesamte Ökosystem Fließgewässer möglich“.
Zudem seien neben dem Laichplatz für die „Nase“ im Nasenbach, vor allem in dem 1,5 Kilometer langen Abschnitt vor der Mündung in den Inn, noch weitere Fischarten vorhanden. „Gemäß Fischzustandsbericht des Landesamtes für Umwelt ist der Zustand der Fischfauna in diesem Wasserkörper rückläufig“, sagt Steinhörster. Ob dies mit dem Unfall zusammenhänge, sei aber noch nicht bekannt.
Besserer Ablauf gefordert
Dass der Vorfall erst fünf Jahre später mitgeteilt wurde, hat vor allem in der Gemeinde Steinhöring und im Landkreis Ebersberg für viel Kritik gesorgt. Nach Einschätzung Steinhörsters hätte eine frühere Information aber höchstwahrscheinlich nichts am möglichen Schaden für den Fischbestand geändert. „Wahrscheinlich hätte man nicht mehr viel machen können, nachdem die Löschschäume in den Bach gelangt sind“, so Steinhörster. Kritik übt er allerdings erneut an der Abführung des Wassers in den Soyensee. „Würde nicht das gesamte Wasser des Nasenbachs abgeleitet werden, dann hätte die höhere Wasserführung im Nasenbach mit Sicherheit eine bessere Verdünnung der Schadstoffe bewirkt“, sagt der Experte.
Im Moment wird laut Landratsamt Ebersberg „mit großem Aufwand untersucht“, ob durch bei dem Unfall im November 2019 Störstoffe das Betriebsgelände verlassen haben und in den Nasenbach eingetreten sind.
