Von der Zahnpflege zur Kinderpflege
„Bürokratie ist ein echtes Problem“: Wie Kita Arche Noah in Haag gegen Personalnot kämpft
Mit Assistenzkräften will der Freistaat Bayern den Personalmangel in den Kindergärten bekämpfen. Das Haager Kinderhaus Arche Noah hat die Chance ergriffen und Daniela Egger eingestellt – als Mitarbeiterin ein „echter Glücksfall“. Doch mit dem Programm ist das Kinderhaus alles andere als glücklich.
Haag – Im Kinderhaus Arche Noah geht es richtig rund. Manche Kinder sind aufgedreht, schreien oder machen Unfug, doch Daniela Egger strahlt trotz des Lärms Ruhe und Herzlichkeit aus. Liebevoll kümmert sie sich um die Vier- bis Siebenjährigen, malt, bastelt und tröstet, wenn mal Tränchen kullern. Die 42-Jährige liebt es, mit Kindern zu arbeiten und ihnen Dinge fürs Leben beizubringen. Ursprünglich hatte die gelernte Zahnarzthelferin und fünffache Mutter, deren eigene Kinder zwischen 22 und acht Jahre alt sind, einige Jahre in einer Zahnarztpraxis gearbeitet. Heute ist sie Teil eines Teams, das insgesamt 148 Kinder betreut.
Die Kinder sind in jeweils vier Gruppen mit Kindergartenkinder und Krippe aufgeteilt. 16 von ihnen sind Integrationskinder, die ganz besondere Förderung und Betreuung benötigen. Die Kinder sind in der Vollverpflegung und werden ganztags betreut. 41 pädagogische Mitarbeiter kümmern sich um sie, darunter Kinderpflegerinnen, pädagogische Fachkräfte, Erzieherinnen und Heilerziehungspflegerinnen. Einige der Kräfte arbeiten nur Teilzeit. Der Personalbedarf ist somit sehr groß. Um das Problem Personalnot anzugehen, hat der Träger, die Pfarrkirchenstiftung Mariä Himmelfahrt Katholischer Kita-Verbund, die Möglichkeit des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales genutzt, Quereinsteiger für den pädagogischen Dienst einzustellen.
Von Zahnarzthelferin, zur Tagesmutter, zur Assistenzkraft
Die Assistenzkräfte unterstützen die Erzieherinnen in den Kindergärten und können sich durch Fortbildungen weiterqualifizieren. Leute aus anderen Berufen, die vielleicht schon immer in einer Kindertagesstätte arbeiten wollten, haben somit die Möglichkeit einen pädagogischen Abschluss in einem Kindergarten zu machen. Was für einen Beruf man mal erlernt hat, wie auch das Alter ist egal. Wichtig ist, dass die Bewerber für die Arbeit mit Kindern geeignet sind. Egger erfüllt diese Voraussetzung. „Ich habe von 2006 bis August dieses Jahr ehrenamtlich im Familienzentrum in Haag eine Spielgruppe geleitet. 2013 machte ich die Tagesmutterausbildung. Im Familienzentrum arbeitete ich dann drei Tage in der Woche als Tagesmutter in der Großtagespflege. Das Familienzentrum wurde leider im September dieses Jahr für immer geschlossen. Dann war meine Überlegung, ob ich wieder zum Zahnarzt zurückgehe, weil ich das ja gelernt hatte, oder mache ich mit den Kindern weiter“, erzählt die 42-Jährige.
Seit Oktober ist nun hier im Kinderhaus Arche Noah tätig als Quereinsteigerin. Über das neue Konzept des Bayerischen Staatsministeriums hatte sie sich schon im Vorfeld informiert. „Für eine Assistenzkraft braucht man das Modul A. Ich startete mit Modul B und durfte Modul A überspringen, weil ich schon eine Tagesmutterausbildung habe. Im September startete ich mit Modul B, Ende Januar bin ich damit fertig. Wenn ich das absolviert habe, bin ich Assistenzkraft. Ich kann dann weitermachen zur pädagogischen Ergänzungskraft. Dieser Kurs dauert dann 14 Monate und läuft über das Kreisbildungswerk in Ebersberg. Dazu muss man dann eine Prüfung ablegen“, sagt Egger.
Monatelange Bewerbung
Für Sabine Materna, Verwaltungsleiterin der Pfarrkirchenstiftung Mariä Himmelfahrt, Katholischer Kita-Verbund Haag, ist Egger „ein totaler Glücksfall.“ „Wir sind wirklich sehr dankbar, dass sie sich bei uns beworben hat. Wir kannten sie ja bereits hier im Haus und waren uns ziemlich schnell einig, dass sie perfekt in unser Team passt“, sagt Materna. Wer von Anfang an eine Ausbildung zur Erzieherin macht, wie Kita-Leiterin Alexandra Engl (33) hat es einfacher, denn während der Ausbildung kann man automatisch auch noch das Abitur machen. Dadurch stehen beruflich viele Türen im pädagogischen Bereich offen.
Der berufliche Neustart stellt dagegen eine Herausforderung dar, die der Freistaat nicht gerade einfach machte, so Egger. Die motivierte Haagerin musste viele Monate warten, bis sie endlich eine Rückmeldung auf ihre Bewerbung bekam. Der Grund: es gibt verschiedene Stufen der Genehmigung. Es müssen unzählige Zustimmungen eingeholt werden, unter anderem vom Träger, der Gemeinde und vom Landratsamt. Das dauert lange. „Die Schulungen, die kann man meistern, aber die Bürokratie ist wirklich ein echtes Problem. Einige meiner Mitschüler erhielten die Kündigung, weil ihre Einrichtung nicht wusste, ob das mit der Assistenzkraft weitergeht“, sagt Egger.
Bewerbung als echter Kraftakt
Selbst für Verwaltungsleiterin Materna war dies ein echter Kraftakt. „Wir haben tolle Unterstützung von unserer Gemeinde, aber es müsste mal jemand vom Staatsministerium zu uns kommen, damit sie unseren Alltag hier miterleben“, sagt sie. Sie wünsche sich mehr Wertschätzung und Unterstützung im pädagogischen Bereich, denn während die Zahl der Kinder zunimmt, schrumpfe die Zahl der Betreuer. „Deshalb laden wir die Politik herzlich zu einem Gespräch in unsere Einrichtung ein. Sozialministerin Ulrike Scharf würden wir zum Beispiel sehr gerne bei uns begrüßen oder Politiker, die mit Integration zu tun haben“, sagt Marterna.
Für Egger als neues Teammitglied sei sie aber dankbar und hoffe, dass sie trotzdem an ihrem Berufswunsch festhält. Die Chancen dafür stehen aber gut: „Ich liebe meine Arbeit und habe ein tolles Team um mich. Das möchte ich nicht missen“, sagt Egger.