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Drei Jahre gemeinschaftliches Wohnen

„Mir gefällt, dass ich glücklich bin“: So sieht der Alltag in der Stiftung Ecksberg in Haag aus

Gemeinsam kochen und essen: Das ist für die neun Bewohner der Stiftung Ecksberg Alltag.
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Gemeinsam kochen und essen: Das ist für die neun Bewohner der Stiftung Ecksberg Alltag.

Zusammen wohnen, essen, garteln: Seit drei Jahren wohnen in Haag neun Menschen mit Behinderung in einer Wohngruppe der Stiftung Ecksberg zusammen. Nadine, Thomas und Franziska erzählen von ihrem Alltag, wie sie sich in die Gemeinschaft einbringen und was sie so besonders macht.

Haag – Vor einem Jahr feierte die Haager Außenwohngruppe der Stiftung Ecksberg bedingt durch die Corona-Einschränkungen mit zweijähriger Verspätung ihre Einweihung, der Bezug des Hauses im Osten von Haag liegt heute bereits drei Jahre zurück. Neun Menschen im Alter zwischen 22 bis 47 Jahren mit leichter Beeinträchtigung leben hier. Umgesetzt, erklärt Gruppenleiter Raphael Stellner, werde hier die Inklusion, also die Teilhabe dieser Menschen am gesellschaftlichen Leben. Das geschehe in Außenwohngruppen besser als in einem Heim. Dabei genießt die Selbstständigkeit des Einzelnen einen hohen Stellenwert.

Michael M. kümmert sich um den gelben Sack.

Wie sieht der Alltag für diese Menschen aus? Die Stiftung Ecksberg mit ihren mehr als 1000 Mitarbeitern betreibt mehrere Wohngruppen in dieser Art. Diese in Haag ist der Wohngemeinschaft Ramsau angegliedert. Jedes Zimmer hat eine Dusche mit WC , hinzu kommen Gemeinschaftsräume wie Küche und Wohnzimmer. Es war der Wunsch von Michael M. hierhin zu kommen. Das hat er nicht bereut, ihm gefällt es hier, wie ausnahmslos allen anderen, gut. Bei der Bäckerei kauft der 31-Jährige regelmäßig ein, zuständig ist er auch fürs Rasenmähen, das erledigt er gerne. Darüber hinaus mag er Musik und auch wenn er etwas vorgelesen bekommt. Schreibtischfüße schraubt er in seiner Arbeit in der Werkstatt für Beeinträchtigte in Attl zusammen.

Thomas E. lebt gerne in der Haager Wohngruppe.

Zweimal in der Woche wird groß eingekauft

Unter der Woche beginnt der Tag um 6 Uhr, nach dem Frühstück verlassen die ersten ab 7 Uhr das Haus mit Bussen, die in unterschiedliche Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung nach Attel, Steinhöring, Algasing oder Ecksberg fahren, so dass ab 7.20 Uhr bereits niemand mehr im Haus ist. Am Nachmittag treffen die ersten ab 16.30 Uhr wieder ein; danach regeln Dienstpläne, wer etwa fürs Briefkastenleeren, das Tischdecken oder Abendessen zubereiten verantwortlich ist, so dass gegen 18 Uhr alle am großen Tisch zusammensitzen. Zweimal in der Woche steht ein größerer Einkauf an, selbstständig kaufen die Bewohner nahezu täglich beim Metzger oder Bäcker ein.

Nadine G. arbeitet in einer Wäscherei und mangelt. Da sei es manchmal „brutal heiß, da haut’s dich um“. Fahrradfahren tut sie auch gern, ist auch gerne auf Festen unterwegs. Sie genießt es sehr etwas in der Gemeinschaft zu unternehmen. In der Freizeit stehen Spieleabende, Filme anschauen oder Spaziergängen auf dem Programm, fasst Heilerziehungspflegerin Josefine Martl zusammen. Gefragt ist derzeit auch die Teilnahme am „Lauf10“ des Ramsauer Sportvereins. Gegen 22 Uhr wird es ruhig, damit haben auch die Betreuer Feierabend.

Franziska G. bereitet in der Küche einen Salat zu. Gemeinsam kochen gehört für die Bewohner zum Alltag dazu.

Man habe gemerkt, so Josefine Martl, „dass die Nächte sehr ruhig sind“, so haben die Bewohner ganz im Sinne der Selbstständigkeit nur sich selbst und Telefonnummern für den Notfall. Einmal in der Nacht kommt eine Mitarbeiterin des Nachtdienstes in Ramsau und vergewissert sich, ob alles in Ordnung ist. Raphael L. kommt aus dem Kinderheim in Gars. Er hat sich mithilfe des Handys und dem Google-Übersetzer selbst Italienisch beigebracht, der Umgang mit WhatsApp ist für ihn Routine. Auf der Arbeit geht es darum, Material abzuzählen und zu sortieren. Sein Vergleich zum Kinderheim: „Mir gefällt es hier megagut und mir gefällt, dass ich glücklich bin“.

Soziale Kontakte weiterhin pflegen

In Haag kommen bis auf einen Bewohner, der zuvor in einem anderen Heim war, alle von Zuhause aus der Umgebung. Die Bewohner schätzen die Nähe zu ihrem Elternhaus sehr, da sie somit nicht aus ihrer bekannten Umgebung wegziehen mussten und alle bisherigen sozialen Kontakte weiterhin bestehen und gepflegt werden können. Viele Veranstaltungen wie der Faschingsumzug oder das Straßenfest war für die meisten schon immer ein fester Punkt im Jahreslauf.

Thomas E. hat sich die Mühe gemacht, was er mag und was er nicht mag auf seinem Tablet zu notieren. Etwa wenn es mal zu laut wird oder wenn es Streit gibt, darauf kann er verzichten. Viel lieber ist ihm am Abend miteinander kochen, Fahrradfahren oder laufen. Auch der letzte gemeinsame Urlaub am Chiemsee hat ihm sehr gut gefallen. Warum es gut ist, in einer Wohngruppe zu leben, erklärt Gruppenleiter Raphael Stellner. Sobald ein Mensch mit Beeinträchtigung das eigene Leben mit grundlegenden Bedürfnissen wie Essen, Schlafen oder Arbeiten entsprechend gut bewältigen kann, wächst in ihm auch der Wunsch nach Selbstständigkeit, Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit.

Franziska G. freut sich über Ausflüge und gartelt gerne

Das ist bei den Eltern nur begrenzt möglich, trotz oft liebevoller Pflege, die erfahrungsgemäß irgendwann an ihre Grenzen stößt und mit zunehmendem Alter schwieriger wird. Zudem sei es nicht immer einfach, die Bedürfnisse eines Menschen mit Beeinträchtigung zu erkennen und diese zu erfüllen. Die meisten Eltern sehen das aber auch als Chance und freuen sich, wie sich das Kind weiterentwickelt und selbstständiger wird. Für viele Eltern wird die Sorge um die Entwicklung ihres Kindes, verbunden mit einer aufwändigen Pflege oft zum Lebensinhalt und lässt wenig Raum für eigene freie Zeit.

Nadine G. erntet das Hochbeet.

Franziska G. sieht ihre Eltern oft, freut sich auf Ausflüge und mag Gesellschaftsspiele. Die 39-Jährige arbeitet in einer Gärtnerei und kennt sich beim Zubereiten von Speisen und vor allem bei Salaten sehr gut aus. Bedeutet nun Inklusion, dass auch von außen jeder mal vorbeischauen darf? Nein, erklärt der Gruppenleiter Stellner, das sei wie jedes Zuhause auch und damit ein privater Raum. Doch gibt es mit dem OBA-Stammtisch, das steht für „Offene Behinderten-Arbeit“, die Möglichkeiten zum gegenseitigen Kennenlernen. Einmal im Monat ist das meistens in der Gaststätte Unertl und wird in der Tageszeitung angekündigt. Viele Bewohner freuen sich darauf. Weitere Informationen dazu gibt es unter Telefon (0 86 31) 98 47 426. Die üblichen Feste in der Umgebung sind auch eine gute Gelegenheit zum Kennenlernen, denn viele Bewohner sind recht lebens- und unternehmungslustig. Aushänge auf dem Schwarzen Brett informieren über Angebote, bei denen sich jeder eintragen kann, etwa zu Ausflügen.

Yvonne S. schraubt Hochbeete in einer Schreinerei in Fendsbach zusammen, reitet gerne und freut sich
auf den OBA-Stammtisch. Die 44-Jährige kümmert sich um die beiden Katzen im Haus. Zuweilen sind ihre Mitbewohner „bissl nervig“. Die Kommunikation ist nicht immer einfach, doch dafür gibt es Hilfsmittel. Während der eine Bilder und Gegenstände benutzt um das Gesagte zu verdeutlichen, nutzen andere ihr Handy um Sätze aufzuschreiben. Bei Bedarf assistieren gerne die Mitarbeiter.

Martina M. hat ein Zimmer mit schöner Aussicht.

Martina M. schätzt überraschenderweise das Treppensteigen. Daraus hat sie für sich im Laufe der Zeit eine Gymnastik entwickelt, um mit Gehstöcken den Rollstuhl zu ersetzen, was ihr tatsächlich auch gelungen ist. Die 48-Jährige malt gerne, schreibt Briefe und hat eine Freundin in Australien. Das Falten von Verpackungen für Salben zählt zu ihren Arbeiten in Fendsbach. Einige der Bewohner haben auch vor sich in der Kirchengemeinde zu integrieren. Für manche sind regelmäßige Gottesdienstbesuche wichtig. Dabei sind alle sehr offen für Angebote in der Gemeinde und freuen sich auf ein weiteres harmonisches Zusammenleben.

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