Wenn die B12 zur zweiten Heimat wird
„Das war schon heftig“: Haager Ex-Kommandant Tom Göschl über sein Leben bei der Feuerwehr
Tausende Einsätze hat Tom Göschl bei der Haager Feuerwehr erlebt, 20 Jahre als Kommandant. Wie er seinen ersten Einsatz erlebt hat, wie es sich anfühlt, in die hinteren Reihen zurückzutreten und was er heute anders machen würde.
Haag – Auf eine lange Zeit als Kommandant der Haager Feuerwehr kann Tom Göschl zurückblicken: Über 20 Jahre hatte er das Amt inne, bis er es im März diesen Jahres an Stefan Reger abgab.
Für den 54-Jährigen „ein neuer Lebensabschnitt. Jetzt muss ich schauen, was ich mit meiner ganzen Freizeit mache“, erzählt er lachend. Das Kommando abzugeben fiel ihm einerseits schwer, andererseits nicht. „Es ist Zeit, dass jemand anderes die Führung übernimmt. Gleichzeitig muss ich mich erst dran gewöhnen, dass ich in die hinteren Reihen zurückgetreten bin, auch beim Einsatz. Da muss ich mich schon zurücknehmen“, sagt Göschl. „Aber ich habe die Mannschaft in gute Hände abgegeben. Da mache ich mir keine Sorgen“.
„Unzählige Einsätze“ hat Göschl schon erlebt, 1.600 hat er als Kommandant geleitet. Das erste Mal dabei war er mit der Jugendfeuerwehr, ein Unfall auf der B12 – praktisch die zweite Heimat für die Floriansjünger aus Haag. „Die Ausbildung für die Heranwachsenden war damals auch nicht besonders ausgiebig. Wir haben Kleidung und Schuhe bekommen, fertig. Wenn die Sirene schrillte, ging es los. Da war vorher nicht viel mit üben“, weiß er noch. Die Truppe rückte aus, der erste Unfall für Göschl. Vor Ort dann der Schock: Ein toter Lkw-Fahrer musste geborgen werden. „Das war schon heftig“, erinnert er sich. Danach setzten sich die Feuerwehrler zusammen, um das Erlebte gemeinsam zu besprechen. „Das ist wichtig, keiner soll damit alleine gelassen werden“, erklärt der 54-Jährige.
Steckbrief
Name: Thomas Göschl
Beruf: Vorarbeiter im Haager Bauhof
Geboren: 17. August 1968
Familienstand: verheiratet
Wohnort: Haag
Die Einsätze, die Göschl am meisten in Erinnerung geblieben sind: Unfälle mit kleinen Kindern. „Ich weiß noch: Es gab einen Zusammenstoß, auch auf der B12. Wir kamen zum Unfallort und aus dem Auto stiegen Bekannte von mir mit ihren Kids, die damals dasselbe Alter hatten wie meine beiden Töchter. Glücklicherweise ging der Unfall relativ glimpflich aus. Doch ich hatte schon lange dran zu knabbern“, sagt er.
Auf einen Nenner bringen
Trotzdem würde er seine Zeit bei der Feuerwehr nie missen wollen. „Es ist eine innere Befriedigung, Menschen helfen zu können. Wir üben dafür und können unser Wissen im Einsatz anwenden. So bringen wir Gelerntes und Hilfsbereitschaft auf einen Nenner“, erklärt der ehemalige Kommandant seine Leidenschaft.
Obwohl er für die Feuerwehr brennt, mussten er und seine Familie in den vergangenen 20 Jahren viele Abstriche machen. Ohne seine Frau, mit der er seit 31 Jahren verheiratet ist, hätte es nie geklappt. „Sie war oft alleine mit unseren Töchtern. Früher haben Einsätze deutlich länger gedauert. Uns fehlten schwere Gerätschaften, um beispielsweise Lastwagen zu bergen. Bis Gutachter vor Ort waren, dauerte es oft etliche Stunden. Heute geht alles viel schneller voran. Trotzdem braucht ein Einsatz einfach seine Zeit – je nachdem, was passiert ist. Und dann war meine Frau mit den Mädels alleine“, erzählt Göschl. „Wenn sie beim Stammtisch war, nahm sie den Pieper mit. Ging er los, bin ich ausgerückt und sie ist zurück nach Hause zu den Kindern.“
Fast schon eine Selbstverständlichkeit
Doch nicht nur die Einsätze forderten ihren Tribut. „Montags war ich bei der Übung, dienstags bei der Jugendfeuerwehr, mittwochs beim Stammtisch, donnerstags bei der Funkübung und am Wochenende oft im Büro der Feuerwehr“, zählt Göschl auf. Für den ehemaligen Kommandanten fast schon eine Selbstverständlichkeit. „Nur wenn ich selbst da bin, kann ich auch von der Mannschaft erwarten, dass sie kommt“, erklärt er. Trotzdem weiß er: Er hat familiär viel verpasst. „Rückblickend würde ich alles ein bisschen entzerren. Dann hätte ich mehr Zeit gehabt“, meint er. Davon hat er nun mehr als genug, seit er im März sein Amt abgegeben hat. „Meine Frau und ich müssen uns erst ein bisschen zusammenraufen, weil ich jetzt jeden Abend daheim bin. Da kommt es schon manchmal zu Reibereien“, sagt er lachend. „Das muss sich noch einspielen.“
Beruflich ist der gelernte Schreiner seit 1992 am Bauhof in Haag angestellt. „Als ich angefangen habe, waren wir praktisch mit Schubkarre und Besen unterwegs. Heute haben wir einen großen Fuhrpark und die Aufgaben sind sehr vielfältig geworden“, sagt Göschl. Er selbst ist heute als Vorarbeiter auch nicht mehr so oft draußen unterwegs, sondern „viel im Büro“.
Aufgewachsen ist Göschl erst in Kirchdorf, später in Haag, mit zehn Geschwistern. Seine Kindheit bezeichnet der ehemalige Kommandant als „superschön“. „Wir waren eigentlich nur draußen in der Natur unterwegs. Auch meine Zeit als Ministrant habe ich sehr genossen. Ich habe damals viele Beerdigungen begleitet. Vielleicht haben mir die Feuerwehreinsätze deswegen nicht so zugesetzt, für mich war der Tod kein Fremdwort“, meint der 54-Jährige. „Trotzdem musste ich schnell erwachsen werden. Ich habe viel auf meine kleineren Geschwister aufgepasst, musste zuhause viel mithelfen. Ich war oft im Wald beim Holz machen“, erzählt er. „Gleichzeitig habe ich so den Wert harter Arbeit kennengelernt, denn dadurch haben wir im Winter nicht gefroren.“
Kurz und bündig
Was gibt Ihrem Leben Sinn? Meine Familie und meine Großfamilie Feuerwehr
Was können Sie nicht ausstehen? Dampfplauderer
Was würden Sie gerne einmal tun? Da gibt es eigentlich nichts, was ich unbedingt einmal machen will
Wann sind Sie an Ihre Grenzen gestoßen? Beim Tod meines Vaters im Jahr 2015. „Es ging relativ schnell. Es dauerte nicht einmal ein Jahr, bis er verstarb. Das war ein schwerer Schlag für mich. Daran hatte ich lange zu knabbern.“
Worauf sind Sie stolz? Auf meine Kinder
In einer Haager Fahrschule lernte er dann mit 18 Jahren „seine Lydia“ kennen. In derselben Fahrschule, in der sich auch seine Eltern zum ersten Mal begegnet sind. So nahm alles seinen Lauf. Später kamen seine beiden Töchter zur Welt, die jüngere hat ebenfalls das „Feuerwehr-Gen“ geerbt, die ältere die zweite Leidenschaft des Vaters: das Berggehen.
Die 26-Jährige nimmt „ihren alten Papa“ zum Wandern mit, wie Göschl lachend erzählt. Obwohl der 54-Jährige ambitioniert ist – über 4.000 Höhenmeter hat er schon erreicht – „muss man es nicht übertreiben“, erklärt er. Auch beim Skifahren powert er sich gerne aus. Schon viele Jahre begeistert er sich für den Sport, obwohl es auch nicht immer glimpflich ausging. So stürzte er 1993 in Scheffau am Wilden Kaiser und brach sich den Schienbeinkopf. „Das hat höllisch weh getan und ich bin eigentlich nicht zimperlich“, sagt er. Er wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach St. Johann gebracht. Zehn Tage war er insgesamt dort. „Danach ging es relativ schnell wieder bergauf, mit Reha war ich nach rund sechs Wochen eigentlich wieder fit“, berichtet Göschl. Spätfolgen hatte der Unfall also keine, deshalb steht jetzt nach der Aufgabe der Kommandantur dem noch intensiveren Sporteln nichts im Wege.
