Das raten die Experten
Medikament abgelaufen – kann man es trotzdem noch nehmen?
Krank wird man sowieso nur zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – und sucht man dann in der Hausapotheke nach Medikamenten, sind diese meist längst abgelaufen. Kann man sie trotzdem noch nehmen, oder sollte man besser die Finger davon lassen?
In der kälteren Jahreszeit husten und schniefen wieder alle Menschen um einen herum – kein Wunder, dass es einen da mal erwischt, während man in den wärmeren Jahreszeiten eher davon verschont bleibt. Wer das letzte Mal vor einem Jahr krank war, der wird bei einem Blick in die Hausapotheke sicher einiges an angebrochenen Medikamenten finden. Allerdings werden die meisten Präparate schon längst abgelaufen sein. Was jetzt also tun: Kann man Medikamente auch nach Ablauf des Verfallsdatums noch verwenden – was einem gerade jetzt in Zeiten von Lieferengpässen entgegenkommt - oder ist das gar gesundheitsgefährdend?
Ulrike Holzgrabe ist Seniorprofessorin am Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg und untersuchte in Studien den Zustand von Arzneimitteln nach Ablauf des Verfallsdatums. Die betrachteten Mittel waren dabei mindestens 20 Jahre alt. Das verblüffende Ergebnis, von dem die Deutsche Apothekerzeitung berichtet: Viele der Substanzen erfüllten auch nach all den Jahren noch die Qualitätsstandards, was heißt, dass es keine Verunreinigungen oder eine Verringerung der Wirksamkeit gab. Trotzdem empfiehlt die Expertin im BR, dass sich Verbraucher an das Verfallsdatum halten sollten. Denn: um beurteilen zu können, ob ein Medikament noch gut ist, fehlt in der Regel die Fachkundigkeit.
Wie lange sind Medikamente haltbar?
Wie lange Medikamente haltbar sind, hängt von der Art des Präparats ab. Tabletten sind in der Regel länger haltbar, als das bei Salben oder Sprays der Fall ist. Das liegt daran, dass wasserhaltige Medikamente schneller verfallen. Außerdem sind Tabletten meist einzeln verpackt, wohingegen Tuben und Tiegel für jeden Gebrauch erneut geöffnet werden und mit Sauerstoff in Kontakt kommen. Flüssige bis halbfeste Medikamente halten daher nach Anbruch nur mehr wenige Wochen bis Monate.
Hierzulande darf die Laufzeit eines Medikaments aber nie fünf Jahre überschreiten, selbst wenn es theoretisch noch länger gut wäre. Das hat rechtliche Gründe: in so einer langen Zeit können sich neue Erkenntnisse über Neben- und Wechselwirkungen ergeben, weshalb der Beipackzettel dann nicht mehr aktuell wäre.
Warum sollte ich abgelaufene Medikamente nicht mehr verwenden?
Auch wenn Studien gezeigt haben, dass viele Medikamente auch weit über das Verfallsdatum hinaus noch verwendbar sind, raten Experten davon ab, abgelaufene Medikamente zu nehmen. Das hat mehrere Gründe: Erstens haften die Medikamentenhersteller nicht mehr für etwaige Schäden oder Komplikationen, die durch die Einnahme auftreten, wenn das Medikament bereits abgelaufen ist. Zweitens lässt sich bei vielen Medikamenten optisch nicht feststellen, dass sie bereits schlecht geworden sind – vor allem für Laien.
Das häufigste Problem, das bei abgelaufenen Medikamenten eintritt, ist, dass sie an Wirksamkeit verlieren. Das ist zum Beispiel für Allergiker problematisch, die bei einem Allergieschock einen Adrenalin-Pen injiziert bekommen müssen. Ist dieser abgelaufen, ist die Wirkung möglicherweise zu gering. Potenziell gefährlich ist die Einnahme von abgelaufenen Medikamenten aber nur ein Ausnahmefällen. Zu diesen Ausnahmefällen gehören Antibiotika: Diese können rasch zerfallen und unwirksam werden. Werden diese dann eingenommen, kann man im schlimmsten Fall eine Resistenz entwickeln, die die Bekämpfung von bakteriellen Infektionen enorm erschwert. Ein Sonderfall ist außerdem das das Antibiotikum Tetracyclin. Hier können Zersetzungsprodukte das sogenannte Fanconi-Syndrom auslösen, eine Störung der Nierenfunktion.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass Verbraucher immer auf der sicheren Seite sind, wenn sie Medikamente nach dem Verfallsdatum nicht mehr einnehmen – rechtlich wie gesundheitlich. Nehmt Ihr aber aus Versehen zum Beispiel ein Schmerzmittel, das bereits abgelaufen ist, müsst Ihr in der Regel keine gesundheitlichen Probleme erwarten, es ist lediglich möglich, dass das Mittel nicht mehr wirkt. Anders ist das nur bei Antibiotika. Hier gilt nach Ablauf des Verfallsdatums: Finger weg.
Richtige Aufbewahrung und Warnzeichen
Wer möchte, dass seine Medikamente möglichst lange haltbar sind, sollte auf die richtige Lagerung achten. Die Stichworte dafür sind dunkel, kühl und trocken. Gut geeignet ist dafür zum Beispiel das Schlafzimmer, oder ein Abstellraum. Ungeeignet ist Küche oder Bad, da dort die Luft eher feucht-warm ist. Ein weiterer Tipp: Bewahrt die Medikamente in ihrer Originalverpackung auf. Darin sind sie optimal lichtgeschützt. Einige Präparate sollten zudem im Kühlschrank gelagert werden, genauere Infos findet Ihr dazu immer im Beipackzettel. Dann ist der beste Ort das Gemüsefach; dort sind die Temperaturschwankungen am geringsten.
Aber auch bei perfekter Lagerung kann ein Medikament schlecht werden. Das ist für Laien zwar oftmals schwer zu erkennen – es gibt aber einige klare Hinweise, bei denen ein Medikament sofort weggeschmissen werden sollte:
- Verfärbungen oder Flecken bei Tabletten und Kapseln
- Ranziger Geruch oder veränderte Konsistenz bei Salben und Cremen
- Ausflockungen bzw. Bodensatz bei sonst klaren Flüssigkeiten
- Glitzernde Auflagerungen bei Zäpfchen
- Essiggeruch bei Aspirin – das bedeutet, dass die Wirkstoffe bereits in ihre Einzelteile zerfallen sind, nämlich in Salicylsäure und Essigsäure
So entsorgt Ihr abgelaufene Medikamente richtig
Abgelaufene Medikamente sollten niemals in den Abfluss gekippt werden oder die Toilette runtergespült werden. Dadurch werden die Gewässer unnötig belastet. Tabletten und Co. gehören daher immer in den Restmüll – im Optimalfall trennt Ihr davor die Papier- und Plastikverpackungen und entsorgt sie entsprechend. Nur einige Medikamente, zum Beispiel Krebsmedikamente oder Betäubungsmittel, müssen gesondert entsorgt werden. Genauere Infos findet Ihr dazu im Beipackzettel, sowie auf der Website www.arzneimittelentsorgung.de.
fso