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„Schon ironisch“

„Wer integriert hier wen?“: Lehrerin übersetzt Elternabend-Präsentation und erlebt Shitstorm

„Warum sollte ich nicht auch den Eltern sprachlich auf Augenhöhe begegnen?“, argumentiert eine Lehrkraft. Nicht jeder versteht diese Aussage.

Theresa Wolf ist Lehrerin an einer Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Vor kurzem hat die 29-Jährige den ersten Elternabend für ihre neue fünfte Klasse organisiert. Weil in dieser auch Kinder sind, die noch nicht lange in Deutschland leben, übersetzte sie Begrüßung, Überschriften und wichtige Termine ihrer Powerpoint-Präsentation für die Eltern auf Arabisch, Türkisch und Russisch. Auf TikTok teilte sie ein Video davon (siehe unten). „POV: Du willst, dass sich alle Eltern beim Elternabend in der Schule wohlfühlen“, schrieb sie dazu.

@frau__wolf Sorry für die schlechten Übersetzungen, der Wille zählt ✨🩷 #elternabend #schulalltag #lehrerin #lehrerleben #gesamtschule #fyp ♬ Here Comes the Sun - Relaxing Instrumental Music

„Wenn ich den Kindern sprachlich auf Augenhöhe begegne, warum sollte ich das dann nicht auch bei den Eltern tun?“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. „Sprache ist der Schlüssel für eine gelungene Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften“, sagt Wolf. Ihr sei es wichtig gewesen, den Eltern, die mit Deutsch teilweise noch sehr überfordert sind, „eine Hand zu reichen und ihnen Mut zu machen“.

Nicht alle verstehen diese Botschaft. Mehrere Menschen machten der Pädagogin Vorwürfe, dass sich Eltern auf diese Weise „ins gemachte Nest setzen“ würden. Einige beschwerten sich darüber, dass sie die Präsentation nicht auf Englisch übersetzt habe. „Wer integriert hier wen?“, kommentierte eine Person ihr TikTok. Wolf dreht ein weiteres Video zu den Rassisten, die sich unter ihrem Video tummeln, dahinter der Sound von Donald Trump, wie er von „Hunde essenden Haitianern“ spricht.

@frau__wolf 🌝 #schule #elternabend #lehrerin #gesamtschule #fyp ♬ original sound - Independent

Lehrerin übersetzt Präsentation: „Integration ist keine Einbahnstraße“

„Wenn in Mallorca die Speisekarte auf Deutsch übersetzt wird, dann ist es natürlich praktisch, aber wenn eine Lehrerin das im eigenen Land macht, stört es auf einmal“, sagt Wolf. Die Kommentare unter ihrem Video hätten ihr gezeigt, dass viele unter „Integration“ eigentlich „Assimilation“ verstehen, also dass Menschen ihre eigene kulturelle und religiöse Identität völlig ablegen. Doch das sei nicht richtig. „Integration ist keine Einbahnstraße.“

95 Prozent ihrer Präsentation seien immer noch auf Deutsch gewesen. „Es war für diese Eltern sicher immer noch anstrengend“, sagt Wolf BuzzFeed News Deutschland. Ihr Ziel sei nie gewesen, den Eltern das Deutschlernen abzunehmen, sondern ihnen das Gefühl zu geben, mit ihren Problemen gesehen zu werden. „Wenn ich in ein fremdes Land komme, dann versuche ich alles, dass es meinen Kindern gut geht. Ich selbst komme erst ganz am Schluss, auch wenn es um Sprachkurse geht. Wie kann man so verblendet sein, dass man das nicht sieht?“

Theresa Wolf (29) ist Gesamtschullehrerin geworden, weil sie „echte Erziehungsarbeit“ leisten und für ihre „Schüler und Schülerinnen da sein“ will. Auch auf TikTok versucht sie, für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen.

„Haben sich mehr getraut“: Was die übersetzte Elternabend-Präsentation bewirkt hat

Neben dem rassistischen Shitstorm auf Social Media erhielt Theresa Wolf jedoch auch viel „Support und Dankbarkeit“, erzählt sie. Besonders beim Elternabend selbst. „Ich fand es schon ironisch, dass sich niemand von den deutschsprachigen Eltern in meiner Klasse an den Übersetzungen gestört hat“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland.

Wie kam die Präsentation bei arabisch-, russisch- und türkischsprachigen Eltern an? „Ich hatte das Gefühl, dass sich ausländische Eltern mehr als sonst getraut haben, nach dem Elternabend vorzukommen und Fragen zu stellen“, sagt Wolf. Viele gingen sonst eher heim, aus Angst, sich vor der Lehrerin ihres Kindes zu blamieren. „Diese Eltern wissen ja, dass ihr Deutsch nicht gut ist. Wenn sie aber nicht mal die groben Themen verstehen, dann vielleicht noch komisch angeschaut werden, wenn sie eine Frage stellen, dann gehen sie nie wieder zu einem Elternabend. Und das ist das genaue Gegenteil von gelungener Integration.“

Rubriklistenbild: © privat

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