Unglaublich hohes Niveau: RKI fordert Rücksichtnahme
Ungewöhnliche Festtage stehen bevor: Weihnachten mit Maske? Grippewelle fegt weiter über Deutschland
Weihnachten wurde in den vergangenen Jahren oft mit Abstand, Maske und in kleiner Runde gefeiert. Corona und die Grippewelle könnten auch in diesem Jahr für ungewöhnliche Festtage sorgen. Denn die Grippe und andere Atemwegserkrankungen sind stark verbreitet und auch die Corona-Inzidenz legt im Wochenvergleich wieder etwas zu. Angesichts der bevorstehenden Feiertage hat das Robert Koch-Institut (RKI) daher zu besonderer Rücksichtnahme aufgerufen.
Deutschland – Nach zwei Jahren Weihnachten unter Pandemie-Bedingungen, hatten in diesem Jahr viele auf sorgenfreiere Feiertage gehofft. Nun führen jedoch unter anderem die Grippewelle und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zu einer hohen Zahl an Atemwegserkrankungen. Auch das Coronavirus mischt weiter mit. Insgesamt sind über 9 Millionen Menschen in Deutschland an einer akuten Atemwegsinfektion erkrankt, wie die Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI) in ihrem Bericht zur vorigen Woche (12.-18.12.) mitteilte. Demnach werden womöglich viele das Bett hüten müssen, anstatt besinnlich unter dem Baum zu sitzen.
Immerhin sei das Niveau der Erkrankungen im Vergleich zur Vorwoche leicht gesunken, berichtete das RKI. Dies sei aber vor allem auf eine abnehmende Krankheitszahl bei Kindern bis zu 14 Jahren zurückzuführen. In den Altersgruppen ab 35 Jahren sei sie dagegen gestiegen. Insgesamt liege die Verbreitung von akuten Atemwegserkrankungen weiterhin sehr deutlich über dem Niveau der Vorjahre zum Höhepunkt schwerer Grippewellen, teilte das RKI mit. Auch schwere Verläufe gebe es weiterhin viele. Die Daten wurden mit Hilfe von Bürger-Angaben geschätzt und umfassen auch leichtere Atemwegserkrankungen.
Die hohen Zahlen machen sich auch in den Hausarztpraxen bemerkbar: „Das Arbeitspensum, das die Hausärztinnen und Hausärzte und ihre Praxisteams derzeit stemmen müssen, ist vergleichbar mit dem während den Hochzeiten der Corona-Pandemie“, erklärte Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes. Hinzu kämen krankheitsbedingte Personalausfälle.
Die Leistungen, die zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Influenza, Corona oder dem RS-Virus erbracht würden, müssten zusätzlich vergütet werden. „Wir brauchen dringend Sofortmaßnahmen zur Entlastung und Stärkung der hausärztlichen Versorgung, vergleichbar mit denen, die während der Corona-Pandemie von der Politik ergriffen wurden“, sagte der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Markus Beier.
Operationen wegen Personalengpässen abgesagt
Aufgrund einer hohen Anzahl an Krankenfällen bei Ärzten und Pflegekräften haben aber auch Kliniken bundesweit Personalengpässe und mussten in den vergangenen Tagen teilweise sogar Operationen verschieben oder absagen. Etliche Krankenhäuser in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bremen berichteten bereits vor einer Woche von einer angespannten personellen Situation. Die Berliner Charité gab aus dem Grund am Mittwoch vor einer Woche bekannt, dass alle verschiebbaren Operationen bis Jahresende abgesagt würden – in Bremen entscheide man im Einzelfall. Doch nicht überall muss demnach zu drastischen Mitteln gegriffen werden. In Bayerns Krankenhäusern etwa gibt es mit Ausnahme der Kinderkliniken nach Angaben der Bayerischen Krankenhausgesellschaft keine vergleichbare Notlage wie an der Berliner Charité. „Wir haben bis jetzt keine solchen Alarmmeldungen“, sagte ein Sprecher der dpa. Dennoch sei die Lage angespannt.
Krankmeldung von Kindern für drei Tage ohne Attest
In Anbetracht des hohen Patientenaufkommens solle in Arztpraxen kurzfristig ermöglicht werden, dass eine Krankmeldung von Kindern für mindestens drei Tage ohne ärztliches Attest auskomme. Bei der telefonischen Krankschreibung fordert der Verband ebenfalls eine Anpassung an die aktuelle Lage - sie müsse genauso hoch vergütet werden wie eine Krankschreibung nach einem persönlichen Praxisaufenthalt. „Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen würden kurzfristig wirken und die Belastung in den Praxen spürbar reduzieren“, sagte Buhlinger-Göpfarth.
Das RKI berichtete, rund 2,3 Millionen Menschen hätten in der dritten Dezemberwoche einen Arzt wegen einer akuten Atemwegserkrankung aufgesucht. Auch diese Zahl liege auf überdurchschnittlich hohem Niveau. Buhlinger-Göpfarth: „Man muss klar sagen: Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten an der Belastungsgrenze.“ Der Großteil der von bestimmten Arztpraxen an das RKI gesandten Proben wies das Grippevirus auf, gefolgt vom Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Nur ein sehr kleiner Teil enthielt das Coronavirus Sars-CoV-2.
ABER: Bis Ende November war die Corona-Inzidenz zunächst zurückgegangen und war dann auf einem ähnlichen Niveau verharrt. Seit Anfang Dezember steigt der Wert wieder leicht.
Generell sei es in dieser Grippewelle für einen Schutz gegen einen schweren Verlauf noch nicht zu spät für eine Impfung, sagte Buhlinger-Göpfarth. Wer möchte, könne sich noch jetzt kurzfristig impfen lassen. Bis ein Impfschutz vollständig aufgebaut ist, dauert es laut RKI 10 bis 14 Tage.
RKI fordert Rücksichtsnahme
Der weitere Verlauf und der Schutz von Risikogruppen hänge wesentlich von der Inanspruchnahme der angebotenen Impfungen gegen Corona und Influenza sowie gegenseitiger Rücksichtnahme ab, schrieben die Autoren des Covid-19-Berichts in der vergangenen Woche. „Diese Rücksichtnahme ist angesichts der bevorstehenden Festtage von besonderer Bedeutung, um andere, möglicherweise besonders gefährdete Personen, vor einer Ansteckung zu schützen.“
Ist ein sorgenfreies Zusammenkommen an Weihnachten angesichts hoher Infektionszahlen von Atemwegserkrankungen überhaupt möglich? „Wer jetzt insbesondere vor den Weihnachtsfeiertagen eine Ansteckung vermeiden will, der kann sich durch das Tragen einer Maske in Innenräumen gut schützen“, urteilte Buhlinger-Göpfarth.
mz/dpa