„Gesundheitsschädlich“
Trennung, geschiedene Eltern, Job-Frust: Gen Z spricht über ihre Traumata
Junge Menschen kippen Süßkram in eine Schüssel und sprechen darüber, was in ihrem Leben traurig und heftig war. „Candy Trauma Salad“ nennt sich dieser neue Trend.
„Hi, mein Name ist Sidney und mein Vater hat meine Mutter in meiner Kindheit immer wieder betrogen, sie hat ihn aber nie verlassen“, sagt eine junge Frau und leert eine Packung süßsaurer Dracula-Gummibärchen in eine große Schüssel. Ihre Freundin macht weiter. Sie erzählt, dass ihre Mutter ihre Homosexualität nie wirklich akzeptiert habe. Dann lacht sie und leert eine weitere Packung zuckriger Snacks in die Schüssel.
@racc00n_str1p3s_ candy salad trauma edition with @Sydney🍉 (comms open!) !!!! #scene #alt #scenekid #candysalad ♬ original sound - ✖Connor/Raccoon✖
Die beiden machen mit beim TikTok-Trend „Candy Trauma Salad“, bei dem hauptsächlich die Gen Z traumatische Erlebnisse aus ihrer Kindheit verarbeitet, indem sie diese eher ins Lächerliche ziehen und für jedes Trauma eine Packung Süßigkeiten in eine Schüssel gibt. Seit Sommer verbreitet sich der Trend nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Auch deutschsprachige Personen mixen auf der Social-Media-Plattform Trolli-Erdbeeren mit Coca-Cola-Haribos, während sie lachend von zerbrochenen Beziehungen und Mobbing erzählen.
@finnchristiansen Life is tough get a helmet ✨💕
♬ Originalton - Finni 🧌
TikTok-Trend Candy-Trauma-Salad – Psychologe reagiert
Ist es gut, dass die Gen Z, die ihre Eltern insgeheim beneidet, locker und ironisch über die eigenen Traumata spricht? BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA fragt beim Psychologen Andreas Maercker vom Psychologischen Institut an der Universität Zürich nach. Er ist Experte für Traumata und posttraumatische Belastungsstörungen.
Maercker stellt fest, dass es sich bei den meisten auf TikTok vorgetragenen Dingen um sogenannte „Mikrotraumen“ handelt, auch als „Frustrationen oder aversive Lebenserfahrungen“ bezeichnet. „Das ist schon etwas Anderes, als was wir fachsprachlich als Traumata bezeichnen, nämlich: Lebensgefahr, sexualisierte Gewalt oder systematische Misshandlungen in der Kindheit“, sagt er uns.
„Wenn die jungen Leute nach diesen aversiven Lebensereignissen diese mit TikTok-Clips und dem Candy Salad-Trend verarbeiten, warum nicht“, sagt er. Für Traumata im eigentlichen Sinne könne er sich eine psychische Wirkung nicht vorstellen. Um Resilienz zu entwickeln, brauche es solche Rituale nicht.
Maercker findet den TikTok-Trend „Candy Trauma Salad“ zwar „kreativ“, er habe jedoch nicht auf psychischer, sondern physischer Ebene Bedenken. „Scheint mir zuckerreich und damit gesundheitsschädlich zu sein, dieser Salat“, sagt er BuzzFeed News Deutschland.
Generation Alpha macht sich über den Candy-Trauma-Salad der Gen Z lustig
Neben vielen ernstgemeinten Candy-Trauma-Salaten finden sich auf TikTok auch einige Menschen, die sich über den Trend lustig machen. Sie erzählen nicht nur lachend von ihren „Mikrotraumen“, sondern erfinden offenbar (manchmal zusätzlich zu ihren echten traumatischen Erfahrungen) wilde Storys.
So machen sich zum Beispiel zwei 14- und 15-jährige Schülerinnen aus der Generation Alpha (die von der Generation Z einiges unterscheidet) über den Candy-Trauma-Salad der Gen Z lustig. „In Sizilien habe ich ein gemietetes Auto gegen den Zaun gefahren“, erzählt eine von ihnen bei TikTok lachend. „Ich dachte mal, ein Dämon sucht mich heim und habe mein Handy gegen die Wand geschmissen“, fährt ihre Freundin fort und leert kichernd eine Packung saure Sterne in die Metall-Schüssel voller Süßkram.
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