Lisa Boxhammer und Romana Kaske
Zwei Frauen aus Bad Aibling und Oberaudorf: Warum sie ihre Zukunft in der Kirche sehen
Die einen treten aus der Kirche aus. Die anderen finden in der Kirche ihre berufliche Zukunft – oder sie kehren nach einem Austritt wieder zurück. Zwei Beispiele aus der Region. Die Geschichte zweier Frauen – eine aus Bad Aibling, die andere aus Oberaudorf.
Bad Aibling/Oberaudorf – Lisa Boxhammer (28) hat eine Bilderbuch-Kirchensozialisation erlebt. Auch so etwas gibt es – immer noch. In Bad Aibling war sie im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenchor. Sie war Ministrantin – „da hatte ich auch meinen kompletten Freundeskreis“. Mit diesen guten Erfahrungen wurde der Grundstein für ihre Berufswahl gelegt. Am 8. Juli ist sie mit sieben weiteren jungen Frauen als Pastoralreferentin, also Laientheologin, von Kardinal Reinhard Marx in Landshut in ihr Amt eingeführt worden.
Nach dem Abitur wollte sie zunächst Lehrerin werden
Als junge Frau sich heute für einen Beruf in der Kirche entscheiden? Nach dem Abitur wollte sie zunächst Lehrerin werden für Deutsch und Religion am Gymnasium – „hab dann aber gemerkt, dass mich Religion als Studienfach so interessiert, dass ich mich ganz für die Theologie entschieden habe“. Eine wissenschaftliche Laufbahn hatte ihr zunächst vorgeschwebt. Die Vielseitigkeit des Studiums hatte sie in den Bann gezogen: Kirchengeschichte, Philosophie, Fremdsprachen, Kirchenrecht. Also studierte sie Theologie in München, wollte promovieren und in der Lehre bleiben. Trotzdem macht sie nach dem Studium die Ausbildung zur Pastoralreferentin. „Der Dienst in der Diözese, an den Menschen, das ist doch das richtige“, hatte sie gemerkt.
Pastoralreferenten werden in der kirchlichen Jugendarbeit eingesetzt, bereiten Kinder auf die Erstkommunion und die Firmung vor, geben Religionsunterricht, leiten Wortgottesdienste, sind in Krankenhäusern, Altenheimen und Jugendstellen als Theologen eingesetzt. Sie dürfen zwar eine Beisetzung vornehmen, aber keine Taufen, keine Trauungen und keine Krankensalbung spenden. Vom Priesteramt sind die Frauen in der katholischen Kirche ohnehin ausgeschlossen.
Nach dem Missbrauchsgutachten kamen ihr Zweifel an der Berufswahl
Hat sie nie Zweifel? „Doch definitiv! Vor allem, als im vergangenen Jahr in München das zweite Missbrauchsgutachten veröffentlicht wurde, habe ich damit gehadert, ob das der richtige Beruf für mich ist“, gibt sie zu. „Kann ich vor allem als junge Frau in der Kirche arbeiten – trotz des Missbrauchsskandal und der anderen Missstände, die nicht von der Hand zu weisen sind“, hat sie sich gefragt. Es laufe vieles schief in der Institution. Es gehöre dazu, sich diese Fragen zu stellen, sagt sie heute – „weil man nur dann authentisch Seelsorgerin oder Pastoralreferentin sein kann, wenn man sich auch kritisch mit seiner eigenen Institution auseinandersetzt“.
„Ich fühle mich beauftragt für den Dienst an den Menschen“
So weit, dass sie komplett vor dem Ausstieg stand, ging es aber nicht. Lisa Boxhammer hat sich aber eine Art Verteidigungsstrategie zurechtgelegt, die sie denen präsentiert, die mit Vorwürfen an sie herantreten, die ja zum Teil auch berechtigt sind. „Der Punkt, warum ich nie gegangen bin und diesen Beruf mache, ist: Ich arbeite nicht für die Institution, ich arbeite für die Menschen.“ Ich fühle mich beauftragt, zu den Menschen zu gehen und meinen Dienst an den Menschen zu tun – unabhängig von der Institution.
An der Frauenfrage wird sich die Zukunft entscheiden
An der Frauenfrage wird sich nach Überzeugung von Lisa Boxhammer die Zukunft der Kirche mitentscheiden. „Vieles ist nicht mehr zeitgemäß und wird von den Menschen nicht mehr verstanden“, sagt sie. Daher wirke die Kirche weltfremd nach außen – ohne den Zölibat, mit gleichen Rechten für Frauen wäre die Kirche mehr am Puls der Zeit. Als Pastoralreferentin muss sie auch den traditionellen Katholiken mit Verständnis begegnen. Aber: „Ich glaube, dass wir viele gute, charismatische Menschen für unsere Kirche gewinnen könnten, wenn der Zölibat freiwillig wäre.“ Die Laientheologin will Jugendlichen die Kirche als Raum erlebbar machen, „wo man hingehen kann, wenn es einem mal nicht so gut geht und man jemanden zum Reden braucht“. Das werde oft vergessen – ebenso wie die anderen segensreichen sozialen Dienste.
Romana Kaske ist vor vier Jahren ausgetreten – und kehrte wieder zurück
Romana Kaske (35) aus Oberaudorf hat vor vier Jahren der Kirche den Rücken gekehrt. „In meinem Freundeskreis gab es eine regelrechte Austrittsstimmung. Gegen die Kirche zu sein, war ein Zeichen von Intelligenz und eigenem freien Denken“, berichtet sie. Damals war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Philologie. Wer glaubt und betet, galt als nicht rational.
Es ist ein verschlungener Weg, der Romana Kaske wieder in die Kirche führte. Nach dem Austritt war sie eineinhalb Jahre berufsbedingt in Ontario/Kanada. Sie fühlte sich einsam und fand Anschluss bei einer katholischen Gemeinde mit einem handfesten Pfarrer. „Gott zeigt sich dann, wenn man ihn braucht. Man muss sich aber auch finden lassen“, sagt sie heute. Als sie wieder in München war, merkte sie: „Es zieht mich wieder zurück in die Kirche. Eine Freundin hat mich dann gebeten, ob ich Patentante von ihrem Kind werden möchte – und da war klar: Dafür muss ich wieder eintreten.“
„Austritt war notwendig, um den Glauben neu zu finden“
Innerhalb einer Woche hatte sie Kontakt zur „Glaubensorientierung in St. Michael“, dem Ansprechpartner für Wiedereintritt des Münchner Erzbistums. Nach einem langen Gespräch mit dem Jesuitenpater Andreas Batlogg erhielt sie schon eine Woche später einen Brief mit dem besiegelten Wiedereintritt. „Es hat mir Frieden gegeben.“ Der Austritt, so sieht sie es rückblickend, sei notwendig gewesen, um den Glauben neu zu finden. „Ich bin sehr froh, dass ich diesen schwereren Weg gehen durfte. Jetzt habe ich einen anderen Glauben als vor dem Austritt.“ Nun hat sie sich ins Kloster Waldsassen in der Oberpfalz zurückgezogen und lebt bei Zisterzienserinnen. „Kloster auf Zeit“ nennt sich diese Auszeit. Sie nimmt sich die Zeit. Wohin sie der Weg führt? Alles scheint möglich nach der Rückkehr zur Kirche.