Winter in Zeiten der Energiekrise
Womit heizen? Das sind die Alternativen zu Öl und Gas - und ihre Kosten
München – Der Ukraine-Krieg könnte Deutschland im Winter vor die Zerreißprobe stellen. Die starke Abhängigkeit von russischem Gas trifft auf immer spärlichere Lieferungen. Betroffen sind die Wirtschaft, aber auch Privathaushalte. Und niemand weiß, wann Putin uns das Gas komplett abdreht. Aber Erdgas ist nicht der einzige Weg zu einem warmen Heim. Wir erklären, was es auf dem Markt an Alternativen gibt – und was sie kosten.
Von: Rebecca Habtemariam
Gas
Erdgas ist seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs zum Dauerthema geworden. Mit keinem Rohstoff heizen die Deutschen so viel wie mit Gas – und der Krieg treibt die Gaspreise immer weiter in die Höhe. Während ein durchschnittlicher Einfamilienhaushalt, der 20.000 Kilowattstunden (kWh) Gas verbraucht, im Dezember im Schnitt noch 8,52 Cent für eine kWh Gas gezahlt hat, lag der Preis im Juli bei 16 Cent. Ab Oktober kommt noch die Gasumlage von 2,419 Cent pro kWh obendrauf, mit der die Gasimporteure gestützt werden sollen. Dieser Preis wird jedoch alle drei Monate neu angepasst. Die Umlage ist bis zum 1. April 2024 befristet. Ob ein totaler Gasstopp Russlands kommt, kann niemand absehen. Sicher ist: Billig-Gas gibt es so schnell nicht mehr.
Strom
Strom ist der umgangssprachliche Ausdruck für „elektrische Energie“. Sie entsteht, wenn andere Energieformen, zum Beispiel Sonnen- oder Kernenergie, umgewandelt werden. Aktuell stehen vor allem zwei Strom-Energiequellen im Fokus: Gas und Kohle. In Deutschland wurden im ersten Quartal 13 Prozent des Stroms mit Erdgas und 31,5 Prozent mit Kohle erzeugt. Da durch den Krieg die Gas- und Kohlepreise stark gestiegen sind, ist auch der Strompreis in die Höhe geschossen. Ein Haushalt, der durchschnittlich 20.000 kWh Strom zum Heizen im Jahr verbraucht, hat laut dem Energie-Vergleichsportal Verivox im Dezember 2021 noch 32,52 Cent pro kWh gezahlt. Im Juli liegt der Preis bei 37,89 Cent pro Kilowattstunde. Für Nachtspeicherheizungen oder Wärmepumpen gibt es gesonderte, günstigere Tarife.
Heizlüfter und Konvektoren lassen sich schnell und günstig anschaffen, haben aber einen hohen Stromverbrauch. Eine Infrarotheizung braucht etwas weniger Strom, aber immer noch viel – vor allem in Altbauten. Auch Nachtspeicherheizungen sind Stromfresser, bieten aber den Vorteil, dass sie ihre Wärme zeitversetzt an den Raum abgeben können. Aktuell raten einige Verbände jedoch davon ab, Direktheizgeräte wie Heizlüfter, Konvektoren oder Infrarotheizungen als Ersatz zu Gas zu nutzen. Das Stromnetz wäre zu schnell überlastet und es könnte zu Stromausfällen kommen.
Holzpellets
Pellets sind kleine, aus Sägemehl-Resten gepresste Stäbchen – also eigentlich ein Abfallprodukt. Damit lässt sich gut und umweltfreundlich heizen. Der Preis wird hauptsächlich vom Bauholz gesteuert: „Ist der Bauholzpreis hoch, weil viele Leute Holz brauchen, kosten die Pellets tendenziell weniger, da es dann viele Sägereste gibt“, sagt Martin Bentele, Chef des Deutschen Energieholz- und Pellet-Verbands. Wegen der Gaskrise sei die Nachfrage nach Pellets explodiert. Eigentlich ist der Pelletpreis nicht von Gas oder Öl abhängig. Aber da jetzt viele Menschen auf einmal ihre Heizungen wechseln und sich Bestandskunden für den Winter rüsten wollen, treibt das auch die Pelletpreise nach oben. Während 2020 im Schnitt nur 4,82 Cent für eine kWh Pelletwärme anfielen, kosteten die Holzstäbchen im Juli 2022 schon 10,16 Cent je Kilowattstunde. Im Vergleich zu Gas (16 Cent) und Öl (14,74 Cent) sind Pellets aber immer noch günstiger.
Allerdings sind die Anschaffungskosten hoch: Für Wasserspeicher, Pelletkessel und Pelletlager muss ein Kunde mit Einfamilienhaus zwischen 14.000 und 25.000 Euro einplanen. Für die Montage oder einen womöglich nötigen Umbau für das Pelletlager können weitere Kosten dazukommen. Gegenrechnen kann man neben niedrigeren Heizkosten die Fördergelder. Seit dem 15. August werden Pelletheizungen mit bis zu 35 Prozent vom Staat gefördert. Wer auf Pellets umstellen will, dem empfiehlt Verbandschef Bentele eine Hybridheizung. Pellets werden dann mit einem anderen Heizsystem, etwa Solarthermie oder Wärmepumpe, kombiniert, um für höhere Effizienz und niedrigeren Verbrauch zu sorgen.
Fernwärme
Das Prinzip ist einfach: Wärme wird über Leitungsrohre vom Erzeuger direkt in die Haushalte gebracht. „Bis vor Kurzem hat Fernwärme ein Schattendasein gefristet, obwohl wir ohne sie unsere Klimaziele in den Städten nicht erreichen werden“, sagt John Miller vom Energieeffizienzverband AGFW. Die Energiequellen sind unterschiedlich: Geothermie, Steinkohle – und zu 50 Prozent Gas. Das bedeutet, dass die Preise für Fernwärme sehr variieren können.
Über welche Energiequelle Wärme durch die Rohre strömt, entscheidet der Betreiber. Meistens haben Städte nur einen Anbieter. So betreibt etwa die Gemeinde Unterhaching im Kreis München seine Fernwärme nur mit Geothermie. Bei den Stadtwerken München sind die Hauptenergieträger noch Erdgas und Steinkohle. Der Vorteil von Fernwärme ist, dass die Energiequelle gewechselt werden kann. München will bis in die 2030er-Jahre den Geothermieanteil ihrer Fernwärme von 13 auf 70 Prozent erhöhen. Der Anschluss ans Fernwärmenetz kostet 5000 bis 15.000 Euro, wird aber vom Bund mit bis zu 35 Prozent gefördert. Ob man auf Fernwärme umsteigen kann, ist von der Infrastruktur des Wohnortes abhängig. Ballungsgebiete haben hier einen Vorteil.
Heizöl
Seit Jahren gibt es immer weniger Ölheizungen, aber noch sind 5,2 Millionen davon in Betrieb. Allein 1,1 Millionen Ölheizungen befinden sich in Bayern. Die Preise für Heizöl sind aufgrund des Angriffskriegs stark gestiegen, da Russland bislang Deutschlands größter Lieferant für Rohöl und Diesel war. Im Dezember 2020 lag der Heizölpreis bei einer Abnahme von 2000 Litern im Schnitt bei 5,15 Cent pro kWh, stieg im Dezember 2021 auf 8,12 Cent und im Juli 2022 kostete eine kWh Heizöl 14,74 Cent. „Derzeit stellen zahlreiche Unternehmen aus Industrie und Gewerbe ihre Versorgung von Erdgas auf Heizöl um. Das wird voraussichtlich die Nachfrage weiter erhöhen“, sagt Adrian Willig vom Wirtschaftsverband Fuels & Energie.
Denn die Preis-Höhenflüge lägen nicht daran, dass das Rohöl knapp sei – es gebe schlichtweg zu wenige Raffinerien, in denen das Öl zum Heizen weiterverarbeitet werden kann. Hinzu kämen aktuelle logistische Herausforderungen, etwa durch Niedrigwasser in den Flüssen, auf denen das Heizöl transportiert wird. Aber: „Wer einen eigenen Heizöltank hat, hat derzeit den großen Vorteil, sich einen eigenen Energievorrat anlegen zu können”, sagt Willig. Wer im Winter abgesichert sein will, kann also vorsorgen.
Geothermie
Die Energie des Erdkerns in Heizwärme umwandeln: Das ist die Idee von Geothermie. Um die Wärme in die eigenen vier Wände zu bekommen, gibt es zwei Wege: über ein Fernwärmenetz wie beispielsweise in Unterhaching – oder über eine Bohrung im eigenen Garten. Die Anschaffungskosten sind in beiden Fällen hoch. Bei Fernwärme liegen sie wie erwähnt zwischen 5000 und 15.000 Euro.
Wer autark sein will, lässt im Garten bohren. Das ungefähr CD-breite Rohr geht meist ca. 100 Meter tief. Zusätzlich braucht es eine Wärmepumpe, die die Erdwärme in eine zum Heizen passende Temperatur umwandelt. Eine Erdwärmepumpe kostet zwischen 14.000 und 25.000 Euro. Und es gibt Bundesförderungen von maximal 40 Prozent. „Geothermie ist eine strategische Investition. Die Investitionen am Anfang sind hoch, aber perspektivisch ist es günstiger“, sagt André Deinhardt vom Bundesverband Geothermie.
Unterhaching etwa ist mit seiner Geothermie vor dem aktuellen Energiepreisanstieg gut geschützt: 10,82 Cent pro kWh zahlen Kunden dort für Wärme. Personen mit eigener Erdwärmepumpe zahlen durchschnittlich 700 bis 1400 Euro im Jahr fürs Heizen. Die Pumpe braucht Strom, weswegen die Wärme überwiegend vom Strompreis abhängt. Deinhardt: „Wer seine Wärme selbst produziert, kriegt für eine Kilowattstunde Strom fünf Kilowattstunden Geothermiewärme.“ Bei Geothermie via Fernwärme, also Tiefen-Geothermie, ist das Verhältnis sogar noch besser: Eine kWh Strom kann dort bis zu 30 kWh Wärme produzieren. Deshalb können die Preise für Endverbraucher trotz steigender Strompreise stabil bleiben.
Wärmepumpe
Mit diesem Gerät lässt sich aus der Umwelt – egal ob Luft, Erde oder Gewässer – Heizwärme erzeugen. Dazu wird der Umwelt Wärme entzogen und dann in der Wärmepumpe mithilfe eines Kältemittels in Heizenergie umgewandelt. Um zu funktionieren, braucht die Wärmepumpe Strom. „Aus einer Kilowattstunde Strom werden durch die Nutzung erneuerbarer Energie aus der Umwelt drei bis vier Kilowattstunden Wärme“, erklärt Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe. Nimmt man den Juli, als Wärmepumpenstrom 30,74 Cent pro kWh gekostet hat, erhielt man dafür Wärme für maximal 10,25 Cent pro kWh. Wer seinen Strom über Photovoltaik selbst erzeugt, kommt günstiger weg.
Wie viel Wärme man aus der Pumpe herausbekommt, ist von der Quelle abhängig, die man nutzt. Mit Erdwärme (um genauer zu sein: oberflächennaher Geothermie) lässt sich beispielsweise effizienter heizen, da der Untergrund ab zehn Meter Tiefe im Gegensatz zur Luft eine konstante Temperatur hat.
Während die Betriebskosten also im Vergleich zu Gas oder Heizöl relativ niedrig sind, sind die Anschaffungskosten hoch: „Bei einem Heizungstausch im Einfamilienhaus muss man mit 20.000 Euro rechnen“, sagt Sabel. Wer seine Energie durch Geothermie erzeugen will, muss für die Quellenerschließung noch zusätzlich zahlen.
Aber: Der Bund übernimmt bis zu 40 Prozent der Investitionskosten. „Laut Bundesregierung sollen ab 2024 jährlich 500.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert werden“, sagt Sabel. Der Experte empfiehlt, bei einem Heizungswechsel frühzeitig zu planen und lieber im Sommer zu wechseln, wobei aufgrund der starken Nachfrage zurzeit mit Wartezeiten gerechnet werden muss.
Solarthermie
„Ein Wasserschlauch im Garten, der sich durch die Sonne aufheizt und dann warmes Wasser abgibt: Das ist im Prinzip Solarthermie“, sagt Charlotte Brauns vom Bundesverband Solarwirtschaft. Genauer funktioniert es so: Über am Dach oder der Fassade angebrachte Kollektoren wird die Sonnenenergie gesammelt und mittels einer Trägerflüssigkeit in einen Wärmespeicher transportiert. Welcher Anteil des Heizbedarfs gedeckt werden kann, ist stark vom Zustand des Gebäudes abhängig. Neubauten wie Sonnenhäuser können nahezu komplett mit Solarthermie beheizt werden. Bei Bestandshäusern sieht es anders aus: Zwischen 20 und 30 Prozent des Wärmebedarfs, in Einzelfällen auch deutlich mehr, lassen sich dann solar decken.
Die Betriebskosten sind gering – eine kWh Strom für die Solarpumpe reicht für 100 kWh Wärme. Außerdem kann Solarenergie den zweiten Wärmeerzeuger unterstützen: „Sie kann zum Beispiel der Wärmepumpe beim Erwärmen des Wassers der Zentralheizung helfen, sodass diese weniger Strom benötigt und die Stromkosten gesenkt werden“, erklärt Brauns. Jeder Quadratmeter Kollektor kostet inklusive aller Nebenkosten ungefähr 1000 Euro. Zur Heizungsunterstützung braucht man zwei bis drei Quadratmeter pro Person. Der Bund fördert den Bau mit 25 Prozent. Solarenergie gibt es teilweise auch über Fernwärme: Sie lässt sich zwar nicht in Reinform beziehen, aber drückt den Preis – denn Sonnenwärme allein kostet unter fünf Cent pro kWh.