Blick hinter Gitter
Was sich seit dem filmreifen Löffel-Ausbruch in der JVA Bad Reichenhall getan hat
Seitdem im vergangenen Dezember ein Inhaftierter aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bad Reichenhall mithilfe eines Löffels sich ein Loch grub und durch die Außenwand ausbrach, „sind Abläufe und Sicherungsmaßnahmen zur zusätzlichen Absicherung mit Hochdruck geprüft“ worden, teilt Jürgen Burghardt, leitender Regierungsdirektor und Anstaltsleiter der JVA Bad Reichenhall, Bernau und Traunstein, auf Nachfrage mit. Auch für die Gefangenen hat sich etwas geändert.
Bad Reichenhall - 73 Jahre lang existiert die Justizvollzugsanstalt Bad Reichenhall. Sie gilt als kleine Einrichtung, als die südöstlichste der Republik. 230 Häftlinge waren im Laufe des vergangenen Jahres dort untergebracht - bei insgesamt 20 Einzelhafträumen und sieben Gemeinschaftshafträumen für insgesamt 43 Inhaftierte zeitgleich.
Als es im vergangenen Jahr einem Inhaftierten gelang, zu flüchten, war die mediale Aufregung groß. Die Nachricht schwappte durch das ganze Land. Natürlich kommt das nicht gut an in einer Einrichtung, in der der Ausbruch nichts weniger als den Gau darstellt. Es sei viel geschrieben worden, sagt Anstaltsleiter Jürgen Burghardt. Nicht mit jeder der verbreiteten Notizen zeigt man sich in der Justizvollzugsanstalt zufrieden.
Dem Gefangenen war es „trotz regelmäßiger Kontrollen von Personen und Räumen“, so Burghardt, in der Nacht auf den 17. Dezember vergangenes Jahr gelungen, aus der Anstalt auszubrechen. Unmittelbar nach der Flucht wurden umfangreiche Fahndungsmaßnahmen eingeleitet. Einen Tag lang war er schließlich auf freiem Fuß. Am Folgetag wurde er dann in Traunstein wieder festgenommen, weiß Burghardt.
„Das letzte derartige Ereignis in der Justizvollzugsanstalt Bad Reichenhall liegt über zwei Jahrzehnte zurück“, heißt es auf Nachfrage. Burkhardt teilt mit, dass der Gefangene sich „ein Loch in die Wand seines im ersten Obergeschoss an der Außenwand der Anstalt befindlichen Haftraums gegraben“ hatte. Mit Bettlaken hatte er sich schließlich über eine Höhe von rund sechs Metern abgeseilt und war geflohen. Aus „Gründen der Anstaltssicherheit“ darf der Anstaltsleiter zu den Details des Vorganges und den ergriffenen Maßnahmen keine weiteren Einzelheiten nennen, schreibt er per E-Mail. Was er aber sagen kann: „Derzeit wird kein Gefangener mehr in Hafträumen an der Außenmauer untergebracht.“
Sanierung Schritt für Schritt
1979 fand die letzte umfassende Sanierung der Anstalt in Bad Reichenhall statt. Damals wurden die Hafträume neu ausgestattet, „hygienische Badeeinrichtungen“ geschaffen, wie es heißt, und eine Gasheizung installiert. Knapp zehn Jahre später wurde die Torwache erneuert, zudem die Vollzugsgeschäftsstelle. Anfang der 1990er-Jahre kam eine Arbeitshalle hinzu. Der Endausbau der Anstalt sei zu diesem Zeitpunkt „weitgehend abgeschlossen“ gewesen, heißt es auf Mitteilung der Anstaltsleitung. Kurz vor der Jahrtausendwende wurden Haftraumfenser und entsprechende Gitter erneuert, später die Drahtsicherungs-Umwehrung der Anstalt durch eine Mauerkronensicherung ersetzt.
Vor 14 Jahren erneuerte der Freistaat die Heizanlage, Keller und Dachboden wurden isoliert. Drei Jahre darauf kamen neue Türen und eine Fahrzeugschleuse hinzu. Auf Nachfrage, wie groß der Sanierungsbedarf und mögliche Investitionskosten heute ausfallen würden, gibt es keine Antwort. Aktuell laufen Baumaßnahmen zur Erneuerung der Duschgelegenheiten für Inhaftierte, teilt leitender Regierungsdirektor Burghardt mit. Inwiefern auch Sicherungsmaßnahmen von einer Erneuerung und Optimierung profitieren würden, ist nicht bekannt.
Kurze Verweildauer in Reichenhall
Die Verweildauer der Gefangenen gilt in der Justizvollzugsanstalt Bad Reichenhall als sehr kurz. Durchschnittlich sei ein Gefangener, laut Zahlen von vergangenem Jahr, hier 65 Tage inhaftiert. Untergebracht werden in der Kreisstadt ausschließlich Untersuchungsgefangene. Dabei wird bei der Unterbringung von den ausschließlich männlichen Personen nicht nach vorgeworfenen Delikten unterschieden. Mehr als 80 Prozent der Inhaftierten sind ausländische Staatsbürger, sagt Anstaltsleiter Jürgen Burghardt.
Therapeutisch ausgerichtete Vollzugsmaßnahmen kommen in Bad Reichenhall nicht in Betracht. „Im Gegensatz zu Strafgefangenen sind Untersuchungsgefangene nicht zur Arbeit verpflichtet“, weiß Burghardt. Auf Wunsch können sie einer Arbeit freiwillig nachgehen. Die Justizvollzugsanstalt unterhält einen Unternehmerbetrieb. Zudem besteht Anspruch auf mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien pro Tag. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zu sportlichen Aktivitäten oder anderweitiger Freizeitgestaltung mit Mitgefangenen.
Dem Wunsch bei der Recherche, der Justizvollzugsanstalt einen Besuch abzustatten, wurde im Vorfeld widersprochen. „Insbesondere Gründe der Sicherheit und des Datenschutzes“ stünden einem Vor-Ort-Besuch entgegen, teilte der Anstaltsleiter mit.
Jürgen Burghardt
Jürgen Burghardt ist Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalten Bernau, Bad Reichenhall und Traunstein. Seinen Dienst begonnen hatte er 1996 in der JVA Bernau. 2001 wechselte er an die Justizvollzugsanstalt Straubing. Dort war er zunächst als Abteilungsleiter tätig. 2003 wurde er zum weiteren Vertreter des Leiters der Justizvollzugsanstalten Straubing und Passau ernannt. Im Juli 2004 kehrte er als Abteilungsleiter nach Bernau zurück. Ein Jahr später wurde er Vertreter des Anstaltsleiters. Seit 1. Januar 2015 ist Burghardt nun Anstaltsleiter besagter drei Justizvollzugsanstalten.
kp
