Zukunftsvertrag zur Landwirtschaft
Jährlich 120 Millionen Euro: Kritik an Söders Wahlkampf-Geschenk für die Bauern
Einen Zukunftsvertrag zur Landwirtschaft hat Ministerpräsident Söder mit dem Bauernverband geschlossen: 120 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für Agrarprojekte. Ein warmer Geldregen für die Landwirte kurz vor der Landtagswahl. Das sorgt für Kritik.
München – Einen so freudigen Montagmorgen (11. September) hatte Markus Söder schon lange nicht mehr. Im Kaisersaal der Münchner Residenz blickt der Ministerpräsident in 300 strahlende Gesichter von Bäuerinnen und Bauern, als er an dem barocken Schreibtisch den Zukunftsvertrag zur Landwirtschaft unterzeichnet. Söder, seine Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), Bauernpräsident Günther Felßner und Christine Singer setzen ihre Namen unter das achtseitige Papier, das der bayerischen Landwirtschaft pro Jahr zusätzlich 120 Millionen Euro und einmalig fünf Millionen Euro für die Digitalisierung garantiert.
Das Geld soll für 60 Maßnahmen eingesetzt werden
„Wir haben so viel erreicht“, freut sich ein Vertreter des Bauernverbands zu Beginn der Feierstunde, die für die Landwirte, die unter sinkender Akzeptanz in der Bevölkerung leiden, wie Labsal auf ihren verletzten Seelen ist. Das Geld, das nun in 60 Maßnahmen zur Förderung der bäuerlichen Familienbetriebe, der bäuerlichen Tierhaltung, für Pflanzenbau und Erneuerbare Energien, ein aktives Wassermanagement und gesunde, regionale Ernährung, Bildung und Entbürokratisierung eingesetzt werden soll, ist für die Bauern wie ein Landregen auf ausgetrockneten Feldern. Mit dem Geld sollen etwa 50 weitere Berater für nachhaltige Tierhaltung, der Umbau von tierwohlgerechten Ställen sowie die Förderung regionaler Erzeugnisse bezahlt werden. Nach dem Vertrag sollen rechtliche Grundlagen geschaffen werden, um „Problemtiere“ – etwa den Wolf – schnell entnehmen zu können. Der Flächenverbrauch soll auf fünf Hektar pro Tag begrenzt werden.
Freilich wissen die Bauern, dass Söder vier Wochen vor der Landtagswahl mit einem solchen Programm sie als wichtige Wählerschaft im Blick hat. „Aber wir wären ja dumm, wenn wir die ausgestreckte Hand nicht nehmen würden“, so einer aus der Runde der Kreisobmänner. Vom „Highway in die bioökologische Zukunft Bayern“ schwärmt Bauernpräsident Günther Felßner über den Vertrag, der als Meilenstein, als klares Bekenntnis der Staatsregierung zur bäuerlichen Landwirtschaft und zur Nutztierhaltung gelobt wird.
Zwei Jahre lang am Vertrag gefeilt
Zwei Jahre lang wurde an dem Vertrag gefeilt. Wie man hört, war bis vor einem Monat nicht sicher, ob Söder die Mittel in der Größenordnung zusagt. Dann wurde vor zwei Wochen der Vertrag im Heimat-Ministerium in Nürnberg unterschriftsreif beschlossen.
Nachdem die vergangenen beiden Wochen durch die Flugblatt-Affäre seines Stellvertreters Hubert Aiwanger (Freie Wähler) für den Ministerpräsidenten alles andere als erfreulich waren, kommt dieser strahlende Montag wie bestellt. Söder präsentiert sich als Bauernfreund: „Ich will zeigen, wie stolz und dankbar wir in der Staatsregierung sind, dass es die Landwirtschaft gibt.“ Er würdigt die landwirtschaftliche Gemeinschaft, ihre Bodenständigkeit und Hilfsbereitschaft. Dass Bayern so schön sei, liege nicht am Bund Naturschutz und der Umwelthilfe, sondern sei das Verdienst der bäuerlichen Landwirtschaft, sagt Söder. Sein Bekenntnis „Ich will keine Agrarfabriken und kein Discounterland“ ist ganz nach dem Geschmack der Zuhörer. Er zeige den Bauern nicht den erhobenen Zeigefinger, sagt Söder mit Verweis auf Bestrebungen der Grünen zur Verringerung des Fleischkonsums – er reiche ihnen die Hand.
Kritik am Vertrag
Dass dieser Zukunftsvertrag nur mit dem Bayerischen Bauernverband und nicht mit den Biobauern verhandelt wurde, erklärt Söder damit, dass der BBV am breitesten in der Landwirtschaft vertreten sei. Bioverbände hatten protestiert. Beim BBV heißt es, mit allen anderen Verbänden am Tisch hätte man ein solches Ergebnis nicht erzielen können. Die 120 Millionen Euro jährlich kämen allen Bauern zugute.
„Ein Zukunftspakt Landwirtschaft ohne die Biobauern – soll das ein Witz sein?“, ärgert sich Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Söder und die CSU zeigten, dass sie „im alten Denken festhängen“. So werde das nichts mit einer guten Zukunft für alle Landwirte. Auch der Landesbund für Vogelschutz (LBV) ist enttäuscht: Im Vertrag stehe nichts von der Wiedervernässung der Moore oder von 30 Prozent Biolandwirtschaft bis 2030.