Von Hexenprozessen und einem Fährunglück
Mord auf dem Königssee: Neuer Leibrock-Krimi entführt in die Abgründe Berchtesgadens
Der Münchner Krimiautor Felix Leibrock veröffentlicht mit „Mord auf dem Königssee“ seinen dritten Berchtesgaden-Krimi. Um das geht es in seinem neuesten Buch.
Berchtesgadener Land – Tote Mönche im Königssee? Wenn Fiktion auf ein tatsächliches Fährungück trifft, ist es Zeit für den Münchner Krimiautor Felix Leibrock. Mit „Mord auf dem Königssee“ bringt der Seelsorger und Buchautor nun seinen dritten Berchtesgaden-Krimi in den Handel und berichtigt gleichzeitig den Unglücksort einer historischen Tragödie mit 70 ums Leben gekommenen Wallfahrern. Auch Salzburg spielt dabei eine Rolle.
BGLand24.de: Herr Leibrock, Ihr aktuelles Buch führt den Leser an den bekannten Königssee. Um den See ranken sich Sagen und Mythen. Was hat Sie dazu inspiriert, gerade diesen Ort für Ihren nächsten Kriminalroman auszuwählen?
Felix Leibrock: Ein Wasserwachtler hat mir mal gesagt: ‘Wer im Königssee untergeht, taucht nicht mehr auf.’ Das klingt mythisch und mörderisch. Der Königssee ist tief, dunkel, kalt. Die Ufer sind oft steil und schwer zugänglich. Das alles sind gute Ingredienzien, um einen Krimi anzurühren. Natürlich braucht es dann Leichen auf dem See oder auf dem Grund des Sees. Die Touristenschiffe bringen meist froh gelaunte Gäste nach Sankt Bartholomä, die dort speisen, wandern und scherzen. Eine scheinbar heile Welt. Wie gemacht, um die immer auch in der Welt präsenten dunklen Mächte in Form eines Krimis hervorzulocken. Es gibt heiles Leben, aber das Unheil schwingt trotzdem immer mit.
Ihr Buch verwebt historische Ereignisse wie die Salzburger Hexenprozesse und ein tatsächliches Fährunglück aus dem 17. Jahrhundert mit einem modernen Verbrechen. Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen, um diese Elemente authentisch in die Handlung einzubetten?
Das Berchtesgadener Land und das ehemalige Fürsterzbistum Salzburg waren einst eng verflochten. Mir ist das nach einem Bericht über das Fährunglück von 1688 besonders deutlich geworden. Der Berchtesgadener Heimathistoriker Alfred Spiegel-Schmidt hat in Archiven beider Gebiete geforscht und verblüffende Ergebnisse hervorgebracht. Die Stelle im See unterhalb der sogenannten Echowand ist als Ort des Untergangs zwar spektakulär, aber falsch. Die Schiffsbegleiter können mit dem Hinweis auf das Fährunglück an dieser Stelle nicht mehr seriös den Grusel befördern. Stattdessen können sie ja jetzt auf meinen Krimi hinweisen (lacht). Da treiben nämlich unterhalb der Echowand Ruderboote mit sechs toten Mönchen, die auf den Böden der Boote auch noch in Kreuzesform festgenagelt sind. Einem der Mönche ist auch noch eine Hand abgehackt worden.
Für Hauptermittler Simon Perlinger ist es der mittlerweile dritte Fall. Was ist das für ein Typ?
Da ich bei der Polizei Berufsethik unterrichte und viele angehende Polizeibeamte kenne, war es für mich keine Option, einen schrullig-kauzigen, manchmal trotteligen Kommissar wie Kluftinger oder Eberhofer zu erfinden. Mein Ermittler ist jung, sehr bergbegeistert und hat als Kind den Tod seiner Eltern erlebt. Bei seinen Großeltern auf einem typischen Berchtesgadener Hof aufgewachsen, lebt er dort jetzt wieder und hat vor allem einen Wunsch: Die Frau des Lebens zu finden. In Mord auf dem Königssee macht er in letztgenannter Hinsicht gute Fortschritte, so viel kann ich verraten.
Das Buch thematisiert Schuld, Exorzismen und ungeklärte Vaterschaften. Wie entscheiden Sie, welche Themen Sie in Ihren regionalen Geschichten verpacken wollen?
Krimis boomen. Warum? Weil sie uns unsere seelischen Abgründe vorführen. Diese Abgründe sind vielschichtig. Das sollte ein Krimi herausarbeiten. Die Germanistik schaut abwertend auf den Krimi. Zu Unrecht. Der Krimi hat literarisches Potenzial und ethische Prägekraft. In Zeiten zunehmender Verrohung ist der Krimi ein Angebot, die Gefahren von Gewalt und die dramatischen Folgen vor Augen zu führen.
Erkennen Sie Ihr Werk als Kommentar zu bestimmten gesellschaftlichen oder historischen Themen?
Absolut. Krimis eröffnen Dialoge, die in direkter Form so oft gar nicht mehr möglich sind. Will die Kirche zum Beispiel heute in ethischen Fragen mitdiskutieren, kommt schnell - und oft zu Recht - der Vorwurf, sie habe durch ihr eigenes Verhalten die Glaubwürdigkeit verspielt. Über den Umweg eines Krimis oder eines Romans ist es aber möglich, einen neuen Diskursraum aufzutun. Bei zentralen Themen unserer Zeit wie Einsamkeit, Bewahrung der Schöpfung oder Sinnkrise hat die Kirche viel für die Diskussion beizutragen und praktische Hilfe anzubieten.
Ihre Krimiromane am Watzmann und am Kehlstein verkauften sich gut. Wieso haben Sie sich gerade für diese Region als Tatort für Mord und Totschlag entschieden?
Weil ich den Watzmann für Deutschlands schönsten Berg halte. Weil ich den Königssee für einen der geheimnisvollsten Seen halte. Weil die Geschichte Berchtesgadens und seiner Umgebung so vieles wie in einem Mikrokosmos zeigt, was sich in Deutschland und Europa im Großen abspielt. Und weil ich oft im Sommer in den Berchtesgadener Alpen als Seelsorger unterwegs bin und dort Berggottesdienste halte, auch dieses Jahr wieder.
Was ist Ihrer Meinung nach das Geheimnis hinter einem fesselnden Kriminalroman? Wie sorgt man als Autor dafür, dass die Leser bis zur letzten Seite gefesselt bleiben?
Kurze Kapitel mit offenem Ende sind wichtig, viele und immer neue Tatverdächtige, häufige Schauplatzwechsel und natürlich ein Schuss Grusel.
Wie gehen Sie mit den Reaktionen auf Ihre Bücher um, insbesondere mit der Kritik? Gibt es etwas, das Sie aus den Rückmeldungen der Leser gelernt haben?
Ich habe jetzt acht Krimis geschrieben. Im harten Wettbewerb mit vielen anderen Krimis habe ich gelernt, noch stärker die Themen zuzuspitzen auf das, was einen Krimi ausmacht: Spannung, Spannung und nochmal Spannung.
Wird es mit den Krimis aus dem Berchtesgadener Land weitergehen?
Das hängt vom Erfolg der bisherigen Berchtesgaden-Krimis ab. Aktuell schreibe ich ein Buch über das Berühren, keinen Krimi also. Aber damit bin ich fast fertig - und dann schauen wir mal weiter.
kp
