Frust über falsche Zahlen
„Verschwundene“ Einwohner auch in Inzell: Folgt jetzt die Klage?
Erst Schleching, jetzt Inzell: Auch in dieser Gemeinde sind Einwohner durch den Zensus „verschwunden“. Das hat handfeste finanzielle Auswirkungen - und führt zu einem Gerichts-Prozess?
Inzell - Der Zensus 2022 - die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl - sorgte wie in anderen Gemeinden der Region auch in der Gemeinderatssitzung von Inzell für Turbulenzen. Im Juni 2024 wurden die Einwohnerzahlen nach dem Zensus veröffentlicht. Die Volkszählung dient dazu, die Zahlen der Bevölkerung statistisch zu erfassen, um mit diesen Daten die Planung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen zu koordinieren. Vereinfacht gesagt wird dabei mittels einer Gebäude- und Wohnungserfassung mit statistischen Methoden ermittelt, wie viele Menschen in einem Ort wohnen (könnten - siehe Kasten)
Erst fehlen 606 Einwohner
Nach diesem Ergebnis wurde für die Gemeinde Inzell eine Einwohnerzahl von 4.305 Personen am 15. Mai 2022 festgesetzt. Dies ist so für die Verwaltung nicht nachvollziehbar, denn im Vergleich dazu lagen die bislang „offiziellen“ Einwohnerzahlen in Inzell am 31. Dezember 2022 bei 4.911. Diese wurden durch Fortschreibungen des Zensus 2011 mit den jährlichen Geburten, Sterbefällen, Zuzügen und Fortzügen bestimmt. Es fehlen im Zensus somit 606 Einwohner mit Hauptwohnsitz.
Was ist der Zensus?
Im Jahr 2022 fand in Deutschland wieder ein Zensus statt. Mit dieser statistischen Erhebung wird ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Viele Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden beruhen auf Bevölkerungs- und Wohnungszahlen. Um verlässliche Basiszahlen für Planungen zu haben, ist eine regelmäßige Bestandsaufnahme der Bevölkerungszahl notwendig. In erster Linie wurden hierfür Daten aus Verwaltungsregistern genutzt, sodass die Mehrheit der Bevölkerung keine Auskunft leisten musste. In Deutschland ist der Zensus 2022 eine registergestützte Bevölkerungszählung, die durch eine Stichprobe ergänzt und mit einer Gebäude- und Wohnungszählung kombiniert wird. Für den Zensus arbeiten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zusammen. Das Statistische Bundesamt ist dabei für die Entwicklung der benötigten technischen Anwendungen verantwortlich. In Zusammenarbeit mit dem Informationstechnikzentrum Bund wird die für den Empfang, die Aufbereitung und Datenhaltung notwendige IT-Infrastruktur zur Verfügung gestellt.
Mit dem Zensus 2022 nahm Deutschland an einer EU-weiten Zensusrunde teil, die seit 2011 alle zehn Jahre stattfinden soll. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Zensus von 2021 in das Jahr 2022 verschoben. (Quelle: Zensus2022.de)
Wo diese Differenz herkommt, ist für die Gemeinde nicht nachvollziehbar und daher hat sie mit einem Schreiben vom 14. November 2024 Stellung genommen. Daraufhin wurde die Einwohnerzahl auf 4680 korrigiert, womit sich die Gemeinde aber nicht anfreunden kann. „Auf diese Korrektur hin haben wir ein Gutachten erstellen lassen, in dem nachgewiesen wird, weshalb die festgestellte Einwohnerzahl nicht der Realität entspricht“, erklärte Bürgermeister Lorenz.
Oder fehlen doch nur 231?
Daraufhin wurde vom Bayrischen Landesamt für Statistik mitgeteilt, dass die Einwohnerzahl statistisch richtig ermittelt wurde und nicht mehr geändert wird“, gab der Gemeindechef etwas verwundert bekannt. Der Gemeinde fehlen deshalb tatsächlich vorhandene, aber statistisch nicht erfasste 231 Einwohner. Diese Zahl wurde zum 15. Mai 2025 festgesetzt. Tatsächlich hat die Gemeinde Inzell bereits 4.938 Einwohner. Die statistischen Zahlen sind deshalb nachweislich falsch und werden sich negativ auf die Zuweisungen und Zuschüsse auswirken.
Die Schlüsselzuweisungen des Freistaats Bayern werden zum Beispiel nach der Einwohnerzahl berechnet, auch bei Zuschüssen zu Baumaßnahmen wird die Marke gern als Grundlage genommen. Geschätzt ist jeder Einwohner zwischen 600 und 900 Euro jährlich an Förderung „wert“. 231 „fehlende“ Einwohner können sich also durchaus auf 200.000 fehlende Euro jährlich summieren.
Das ist die Klage-Frist
Bei anderen Gemeinde im Umfeld gab es ebenfalls teilweise eklatante Abweichung, wobei auch bei manchen Kommunen die Zahlen sehr gut übereinstimmten. Die Gemeinde Inzell hat nun bis zum 05. Juni 2025 die Möglichkeit, Klage gegen die Festsetzung zu erheben. Nach der Begründung durch das Landesamt für Statistik und verschiedenen Urteile aus dem letzten Zensus ergibt sich allerdings, dass die Erfolgsaussichten sehr gering sind.
Jedoch will man das festgelegte Ergebnis so nicht hinnehmen und deshalb entschied sich der Gemeinderat einstimmig, gegen die Festsetzung zu klagen. Schleching, wo 141 Einwohner durch den Zenus „verschwunden“ sind, hatte sich zuletzt gegen eine teure Klage entschieden. Auch, weil der Zensus in der Version von 2011 eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht „überstanden“ hat. Glückt Inzell das Unmögliche?