Arbeitszeitgesetz in der Gastro sinnvoll?
Unbezahlte Überstunden, fliegende Töpfe, endlose Schichten: „Zustände in der Gastro teils katastrophal“
Schnell, präzise, freundlich - und billig? Die Erwartungen an Angestellte in der Gastronomie sind hoch, die Bezahlung oft niedrig. Die Quittung Personalmangel? Zwei Sichtweisen auf ein Problem: Eine langjährige Service-Kraft aus der Region berichtet von teils ausbeuterischen Verhältnissen in ihrem Job. Klaus Lebek, Kreisvorsitzender des DEHOGA Traunstein erklärt, warum er die Lockerung des Arbeitszeitgesetzes befürwortet und sich „über schwarze Schafe“ ärgert.
Waging/Traunstein – „Da flogen schon mal Töpfe und Pfannen, man wird beschimpft und angeschrien.“ Beate Huber (Name von Redaktion geändert) hat zwanzig Jahre lang in der Region als Bedienung gearbeitet. Vom Sterne-Restaurant bis zum Imbiss war alles dabei. Mit einer erbosten E-Mail wendet sie sich an chiemgau24.de. Die Verhältnisse als Angestellte seien „in der Gastro teils katastrophal.“ Der DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) bräuchte sich nicht wundern, so Huber, dass Personalmangel herrsche.
DEHOGA fordert eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten
Ob es ums Wirtshaussterben in der Region geht, den Personalmangel in der Gastronomie oder Überbrückungshilfen während Corona – der Hotel- und Gaststättenverband ist der Ansprechpartner Nummer eins, auch in Bayern. Er vertritt unter anderem die Interessen der Gastronomiebranche, allerdings aus Arbeitgebersicht. Schon länger fordert der DEHOGA eine Flexibilisierung im Arbeitszeitgesetz. Der Wunsch: „Im Rahmen einer wöchentlichen Höchstgrenze die Möglichkeit bekommen, die Arbeitszeit sachgerechter und flexibler auf die Wochentage zu verteilen“, so der Bundesverband auf seiner Homepage.
Endlose Schichten jetzt schon Standard?
„Ich bin da ganz anderer Meinung als der DEHOGA“, widerspricht unsere Leserin und langjährige Service-Kraft Beate Huber. Zu wenig würden die Interessen von Arbeitnehmern in der Gastronomie in der Öffentlichkeit gehört werden. Sie habe gerade, was die Arbeitszeiten in ihrem Beruf anginge, keine guten Erfahrungen gemacht. Ihre Befürchtung bei einer weiteren Lockerung: Noch mehr Ausbeutung des Personals.
„Wir haben alle schon in Betrieben gearbeitet, wo endlose Schichten Standard sind.“ Zum Beispiel, so Huber, eine Hochzeit, wo man um 10 Uhr Vormittags beginne und erst morgens um vier Uhr aufhöre. „Um 9.30 Uhr soll man dann aber schon wieder frisch, munter und gut gelaunt auf der Matte stehen.“ Dann ginge das Gleiche wieder durch bis ein Uhr Nachts.
Beate Huber spricht von Sonderklauseln in Arbeitsverträgen, die vorsehen, dass mehrere Überstunden bereits mit dem Lohn abgegolten seien: „Es gibt Betriebe, da werden im Monat bei der Abrechnung 20 Prozent der Überstunden abgezogen. Die werden nicht bezahlt, die sind einfach weg.“ Die langjährige Bedienung hat also laut ihrer Aussage trotz Arbeitszeitgesetz sehr viel mehr als die, von der DEHOGA geforderten zehn statt acht Stunden am Tag gearbeitet.
Bereits genug Spielraum bei Arbeitszeiten laut Gewerkschaft
Unverständnis zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten herrscht auch bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). In einer Pressemitteilung (18. Februar) heißt es: „Im Manteltarifvertrag mit der DEHOGA ist bereits seit 19 Jahren geregelt, dass täglich bis zu 10 Stunden und im Monat bis zu 208 Stunden gearbeitet werden darf.“ Laut dem Landesbezirksvorsitzenden der NNG Bayern, Mustafa Öz, würde somit bereits volle Flexibilität bei der Arbeitszeit bestehen, aber eben auch die Bedürfnisse der Beschäftigten und deren Gesundheitsschutz fest im Blick behalten werden.
Arbeitszeitenregelung - Korsett für Angestellte?
Nicht entgegen der Interessen, sondern sogar für das Interesse seiner Angestellten möchte Klaus Lebek, Kreisvorsitzender des DEHOGA Traunstein, flexiblere Arbeitszeiten durchsetzten. Als Chef des Hotels und Restaurants Eichenhof in Waging kennt er die Perspektive eines Arbeitgebers in der Gastro gut: Oft würden Angestellte, so Lebek, die Auflagen bei den Arbeitszeiten als Einschränkung empfinden: „Manche meiner Bedienungen würden lieber am Stück mehr Stunden hintereinander arbeiten, damit es sich lohnt.“ Die Stunden würden dann ja aufgeschrieben oder ausbezahlt werden.
Planungssicherheit im Gastrogewerbe schwierig
In der Gastronomie müsse man flexibel planen können. Auch er nennt die Hochzeit als klassisches Fallbeispiel: Wenn die Feier Nachmittags beginnt und erst mitten in der Nacht endet, müsste er zwei Schichten einteilen, das würde Personal binden. Schwierig sei auch die nicht vorhandene Planungssicherheit. Im Biergarten ist bei schlechtem Wetter nur eine Bedienung eingeteilt, kommt dann die Sonne raus, ist die Hölle los und die Servicekraft springt im Dreieck.
Erhöhte Kosten für Gastronomen - kein Geld mehr für Personal?
Kritik übt auch Lebek daran, Bedienungen mit niedrigen Löhnen abzuspeisen. Das Argument sei oft das Trinkgeld, dass man ja zusätzlich kassiere. Aber bei einem verregneten Sommer helfe das dem Personal auch nichts. Für Gastronomen seien die Zeiten aber spätestens seit Corona und der Inflation schwer, das Überleben vieler stünde auf der Kippe.
Mitarbeiter sollen selbst entscheiden dürfen
Da könne man bei der Bezahlung des Personals oft keine großen Sprünge machen. Gut findet er das nicht. Gerade durch den Personalmangel könnten sich aber Angestellte mittlerweile entscheiden, ob sie in einem Betrieb mit unangenehmen Arbeitsverhältnissen bleiben oder zu einem anderen Arbeitgeber wechseln wollen. Und die Arbeitszeiten? Generell wäre es schon wichtig, dass das geregelt sei. Aber wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsstunden pro Woche lieber in drei Tagen abarbeiten will, sollte das ermöglicht werden können. Nur wer kontrolliert, dass das auf Freiwilligkeit basiert?
„Am Gesetz vorbei“ - Schwarze Schafe rufschädigend
„Das Problem ist, dass es leider immer irgendwo schwarze Schafe gibt. Arbeitgeber, die bereits jetzt am Gesetz vorbei ihr Personal ausbeuten oder sollte es eine Gesetzesänderung geben, das ausnutzen würden. Und das ärgert mich.“ Das schädige den Ruf von den anderen. Es gäbe nämlich, so Lebek, viele tolle Betriebe im Landkreis, die sowas nicht unterstützen, sondern auf ihre Mitarbeiter schauen. Das zumindest bestätigt auch Beate Huber.
„Viele Arbeitgeber, die sich Mühe geben“
Nicht alle seien „von der alten Brigade“, wie sie cholerische Chefs, die ihre Mitarbeiter schlecht behandeln, nennt. Sie erzählt hier Erschreckendes: Beleidigungen, sexuelle Belästigung und Gewalt, Lohnstreichungen und Unterschlagung von Trinkgeld. Es gäbe aber mittlerweile viele Arbeitgeber, vor allem in der jüngeren Generation, die sich wirklich Mühe geben.
Für alle, die neu in der Gastro anfangen wollen zu arbeiten, gibt Beate Huber einen Tipp: „Ich würde raten, sich das sehr gut zu überlegen und sich den Betrieb sehr, sehr gut auszusuchen, weil der Beruf kann wunderschön sein und er kann aber auch die Hölle sein. Und wichtig ist, dass man seine Rechte kennt.“
