Großeinsatz in Chieming
„So einen Fall hatte ich noch nie“: Das steckt hinter der vermeintlichen Entführung in Chieming
Eine verängstigte Nachricht, seinen Standort, die Farbe des Fahrzeugs: Das teilte ein 22-jähriger Mann seiner Mutter am Donnerstag (2. Mai) mit. Die Folge: Ein Großeinsatz wegen vermeintlicher Entführung. Was vorgefallen ist und welche Konsequenzen der Vorfall mit sich bringt.
Chieming – Am Donnerstag (2. Mai) ging gegen 12 Uhr die Nachricht einer, zu dem Zeitpunkt, mutmaßlichen Entführung bei der Polizeiinspektion Traunstein ein. „Wir wurden von den Kollegen aus Hamburg informiert“, sagt Fabian Bernhardt, Polizeioberkommissar der Polizeiinspektion in Traunstein. Eine besorgte Mutter aus Norddeutschland hatte sich bei der dortigen Polizeidienststelle gemeldet und Anzeige wegen der Entführung ihres Sohnes in Oberbayern erstattet.
Es ging ums Geld
Ursprung der Anzeige sei eine Streitigkeit zwischen einer Baufirma und einem ihrer Mitarbeiter gewesen. Was genau vorgefallen ist, müssen noch die weiteren Ermittlungen klären. „Aber nach dem ersten Anschein war es eine verbale Auseinandersetzung“, sagt Bernhardt, „um Lohn ging es da – der Klassiker.“
Der besagte Mann sei in München von einem Fahrdienst abgeholt worden, um in Chieming zu arbeiten. „Das haben Firmen häufiger, dass sie ihre Arbeitnehmer an verschiedenen Stellen einsammeln“, fährt Bernhardt fort.
22-Jähriger hatte Angst
Nachdem der Mann von dem Fahrdienst in München abgeholt wurde, sei die Stimmung, laut Polizeiinspektion Traunstein, aufgrund des vorausgegangenen Disputs während der Fahrt sehr angespannt gewesen. Der Arbeiter fühlte sich offenbar so verunsichert und eingeschüchtert, dass er seiner Mutter sicherheitshalber den Standort übermittelte. Da die Zeit drängte, habe der 22-Jährige seine Position nur mit dem Hinweis ergänzt, dass er sich fürchte und in einem blauen Fahrzeug sitze.
„Er hatte wirklich Angst“, sagt Polizeioberkommissar Bernhardt. Allerdings habe es während der Fahrt keine Auseinandersetzung oder Handgreiflichkeiten gegeben. „Er ist auch nicht irgendwie eingesperrt worden und hätte jederzeit aussteigen können“, teilt Bernhardt mit: „Ich denke, der Hauptfehler war, dass die Übermittlung einfach zu knapp war, da er seiner Mutter nur gesagt hat: ‚Ich bin da und da und ich fürchte mich.‘“
Aufgrund der geringen Informationen ihres Sohnes verständigte die Mutter die Polizei in Hamburg. Als die Meldung in Traunstein ankam, habe die Polizeiinspektion „nicht lange gezögert“, sagt Bernhardt, und etwa 10 bis 15 Streifenwagen seien zur Fahndung im Einsatz gewesen.
Mehrere Dienststellen im Einsatz
Im Rahmen der Fahndung seien neben der Polizeiinspektion Traunstein weitere Dienststellen mit dem Vorfall betraut worden, teilt Daniel Katz, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, mit. Da es „eine überregionale Geschichte“ war, halfen etwa „Kollegen von den Verkehrspolizei- und Grenzpolizeiinspektionen mit“. So komme schnell eine größere Anzahl an Streifenwagen zusammen.
„Eines der Hauptprobleme war tatsächlich, den Vorfall zu lokalisieren“, sagt der Traunsteiner Polizeioberkommissar. Nach einer mehrstündigen Fahndung im Bereich Chieming konnte das vermeintliche Opfer letztlich „wohlbehalten an seinem Arbeitsplatz“ aufgegriffen und das Missverständnis aufgeklärt werden, teilte die Polizeiinspektion Traunstein mit.
Fall geht an die Staatsanwaltschaft
Obwohl es vorerst keine Anzeichen gebe, dass eine Straftat im Raum stehe, werde „das Ganze natürlich trotzdem der Staatsanwaltschaft vorgelegt“, sagt Fabian Bernhardt. Auch wer die Einsatzkosten in so einem Fall übernimmt, müsse überprüft werden, da der Missbrauch von Notrufen eine Straftat darstelle. „In dem Fall ist es schwierig“, führt Bernhardt aus. Nach aktuellem Stand der Erkenntnisse werden „der Verursacherin die Kosten nicht auferlegt, weil sie ja wirklich von einem Notfall ausgegangen ist.“
„Es kommt zwar nicht oft, aber hin und wieder vor, dass Mitteilungen eingehen, bei denen man sagt: ‚Da könnte eine Entführung im Raum stehen‘“, sagt Pressesprecher Katz, „häufig auch durch Missverständnisse im innerfamiliären Bereich.“ Für Polizeioberkommissar Bernhardt war es der erste Vorfall dieser Art: „Ich persönlich hatte so einen Fall noch nie“, sagt der Beamte.
„Swatting“ in Bayern noch kein Phänomen
„In anderen Bundesländern hat man sowas öfter“, fährt Bernhardt fort und spricht dabei das Phänomen „Swatting“ an, bei dem Falschmeldungen bei der Polizei mit „böswilliger Absicht“ eingehen. „Aber da sind wir zum Glück in Bayern noch weit davon entfernt“, sagt der Polizeioberkommissar: „Wir als Polizei werben ja dafür, mit der Notrufoffensive, dass die Leute eher mal einmal mehr die 110 wählen.“