Angst vor Attacken oder Wahlkampf?
Zettel an Traunsteiner CSU-Bürotür: „Antifa und Gschwerl, gehts nach Hause“
Die Brandmauer stand zur Debatte, die Migrationspläne der CDU/CSU dank AfD-Stimmen waren kurz vorm Erfolg. Tausende Menschen protestierten in Folge aus Sorge um die Demokratie. Sorgen um „einen anständigen demokratischen Diskurs“ macht sich auch Konrad Bauer (CSU), die Gefahr sieht er aber links. Ein Zettel an seiner Bürotür richtet sich an „Antifa und sonstiges Gschwerl.“ Die Botschaft kommt nicht überall gut an:
Traunstein – „Wenn sich die mit Gschwerl angesprochen fühlen, sollten sie mal überlegen, warum.“ Konrad Baur, Landtagsmitglied der CSU, habe in seiner Botschaft weder die Grünen, noch die SPD und schon gar nicht die Kirchen gemeint, stellt er im Gespräch mit chiemgau24.de klar. An seiner Bürotür am Traunsteiner Taubenmarkt hängt seit gestern Abend (30. Januar) ein Zettel. Gelesen haben ihn mittlerweile aber nicht nur Passanten. Baur hat ihn abfotografiert und auf Instagram hochgeladen:
Botschaft an „Antifa und sonstiges Gschwerl“
„Liebe Antifa und sonstiges Gschwerl. Euer Interesse an unserem Büro und unserer Arbeit ehrt uns sehr. Erspart uns und der Polizei einfach viel Arbeit und geht's wieder heim. Eure CSU im Landkreis Traunstein.“ Konrad Baur habe sich Sorgen gemacht, nachdem laut ihm die Antifa deutschlandweit dazu aufgerufen habe, in CDU/CSU-Büros „Rabatz“ zu machen. Dies sei ihm intern zugetragen worden. Er habe sich daraufhin sofort mit der örtlichen Polizei in Verbindung gesetzt.
Hintergrund: Proteste gegen CDU nach Abstimmung mit AfD
Nach der Abstimmung im Bundestag zu einer schärferen Migrationspolitik haben allein in München am Donnerstagnachmittag mehrere tausend Menschen vor der CSU-Parteizentral protestiert. Hintergrund war die Bundestagsabstimmung am Mittwoch (29. Januar), bei der die Union mithilfe von Stimmen der AfD kurz vorm Erfolg war, ihre Migrationspläne umzusetzen. Eine Diskussion um das Einreißen der Brandmauer gegen Rechtsextreme entbrannte. Mittlerweile hat der Bundestag dagegen gestimmt(31. Januar).
Attacken gegen Büroräume in Bayern oder sogar in Traunstein?
„Wenn man die Bilder aus ganz Deutschland sieht und auch von Abgeordnetenbüros bayernweit“, so Konrad Baur, das wäre keine anständige Art der Demonstration. Er verstehe nicht, wie die gewaltsame Besetzung oder Verwüstung von Büroräumen oder Farbattacken auf Abgeordnetenbüros gutgeheißen werden können. Dann macht, so erzählt Baur, auch noch ein Traunsteiner Nachbar eine Beobachtung vor dem CSU-Büro und ruft ihn an: Mehrere dunkle Gestalten würden um das Gebäude schleichen.
Auf Traunsteins Straßen bleibt es ruhig - auf Instagram nicht
Nach dem Anruf vom Nachbarn macht sich Baur nochmal auf den Weg zum Büro, und hängt das Schild an die Tür: „Präventiv quasi, als Abschreckung.“ Auch die Polizei habe er nochmal informiert, die hätten einen Streifenwagen vorbeigeschickt. Bis heute (31. Januar) sei aber dann alles ruhig geblieben. Ruhig bleibt es nicht ganz auf der Instagramseite, nachdem Baur auf seinem Profil ein Foto des Türzettels veröffentlicht.
„Der Zettel macht mich fassungslos“
„Der Zettel macht mich fassungslos. Die vielen Demos gestern - und sicherlich auch noch künftig - in ganz Deutschland sind Ausdruck der tiefen Besorgnis der Menschen. Wir spüren alle den Rechtsruck und das macht uns Angst.“ kommentiert Martina Wenta von der Ortsgruppe der Grünen in Traunstein den Post. Alle, die besorgt sind als „Gschwerl“ zu bezeichnen sei schon ein starkes Stück. Eine unterschiedliche Definition herrscht auch bei dem Begriff Antifa:
‚Antifa‘: Steinewerfer oder Antifaschistische Demokraten?
Für Konrad Baur besteht, auf Nachfrage der Redaktion, Antifa aus gewaltbereiten Linksradikalen. Genau könne er da Radikale gar nicht differenzieren und habe sie „auf gut Bayerisch einfach als Gschwerl bezeichnet.“ Dagegen argumentiert Martina Wenta:„Die Diffamierung von allen, die sich unter dem Schirm Antifa versammeln, ist einfach keine Option. Jeder, der anständig ist, muss irgendwie auch Antifaschist sein.“ Gestern hätten ja, führt Wenta aus, über 10.000 Leute in ganz Bayern und deutschlandweit friedlich demonstriert. Das seien keine Steinewerfer, sondern ganz normale Bürger aus der Mitte der Gesellschaft.
Instagram-Post als Panikmache für Wählerfang?
Was sie auch auf keinen Fall will: Dass sich jetzt Mitarbeiter von Baurs Büro oder er selbst ängstigen müssten: „Sachbeschädigung, in Büros einbrechen, das ist keine Art.“ Aber das alles sei ja weder im gesamten Bayern noch in Traunstein passiert. Auch chiemgau24.de liegen nach derzeitigem Recherchestand (31. Januar) keine derartigen Vorfälle in Bayern vor. Dass aber Posts in sozialen Netzwerken wie der von Konrad Baur trotz Fehlalarm für Stimmung sorgen können, zeigen andere Kommentare zu seiner Botschaft:
Spaltung der Gesellschaft durch Stimmungsmache im Internet?
Ein ‚Messerjocke 112‘ schreibt unter Martina Wentas Kommentar: „Und das rechtfertigt Sachbeschädigung und Bedrohung? Zudem ein krasses Verdrehen von Tatsachen und Realitätsverlust dazu!“ Und im weiteren Verlauf fordert jemand Wenta auf: „Mach einfach an Kopf zua.“ Inwieweit es hier vielleicht nicht nur um die Besorgnis seiner Mitarbeiter geht, sondern um Wahlkampf und Stimmenfang fragt sich in der Kommentarleiste ein weiterer Instagrambesucher:
„Habe nicht zu entscheiden, ob eine Demo gerechtfertig ist“
„Vandalismus ist immer falsch. Dass Sie das hier politisch instrumentalisieren, muss jeder selbst für sich einordnen.“ Martina Wenta wünscht sich von Konrad Baur, weniger durch solche Beiträge die Gesellschaft zu spalten und mehr aufeinander zuzugehen und miteinander zu sprechen. Es hätte schon oft Einladungen an den Landtagsabgeordneten gegeben.
Zum Beispiel im Zuge seiner Vorwürfe gegen die Organisatoren des Traunsteiner Christopher Street Days im Sommer 2024 - bislang wurden sie nicht angenommen. Wir fragen Konrad Baur im Gespräch, was er von einer friedlichen Demonstration vor seinem Traunsteiner Büro hielte: „Das steht jedem Bürger zu, das habe ich nicht zu entscheiden, ob eine Demo gerechtfertigt ist oder nicht.“