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Es ist zehn Jahre her, das Jahrhunderthochwasser 2013. Wir haben mit dem Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein gesprochen. Welche Lehren hat man aus dem Hochwasser gezogen, wo wurde Hochwasserschutz umgesetzt und was ist in Zukunft geplant.
Das Wetter im Mai 2013 ist ganz ähnlich wie in diesem Jahr: Es regnet und regnet. Mit dem großen Unterschied: Anfang Juni 2013 kommt es zur Katastrophe. Tiroler Ache, Traun und Salzach werden zu reißenden Strömen. Bei Grabenstätt steht die Autobahn unter Wasser, große Teile Freilassings werden überflutet, Marquartstein wird evakuiert. Wird es künftig öfter zu solchen Naturkatastrophen kommen? Sind wir vorbereitet? Wir haben beim Wasserwirtschaftsamt Traunstein nachgefragt.
Traunstein – Der Schaden ginge in die Millionen, erklärt uns Bernhard Lederer, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein. Die Erinnerung an das letzte große Hochwasser der Region 2013 – sie fällt traurig aus. Und dennoch: Lederer meint, wir hätten damals noch Glück gehabt. Denn durch die bereits getroffenen Hochwassermaßnahmen konnte noch Schlimmeres verhindert werden.
„Niederschlag war 70 Prozent höher als im langjährigen Mittel“
Im Landkreis Traunstein hätten die Fluten, so Lederer, vor allem durch den Deichbruch an der Tiroler Ache bei Staudach mit Überflutung der Autobahn sowie in Tittmoning in der Wasservorstadt für massiven Schaden gesorgt. Auch Freilassing sei schwer getroffen worden. Aber wie kam es überhaupt zu dem Ereignis? „In Südbayern war der Niederschlag für den Mai um 70 Prozent höher als im langjährigen Mittel.“ Vielleicht erinnern sich noch einige: Der Wonnemonat fiel im Jahr 2013 komplett ins Wasser.
400 Liter Regenwasser pro Quadratmeter: „Das ist extrem viel“
Meteorologen würden, so Lederer von einer Vb-Lage sprechen: „Das sind bestimmte Zugbahnen von diesen Tiefs und die haben dazu geführt, dass die Wolken nicht mehr abgezogen sind und in unserer Region sich abgeregnet haben.“ Bei der Wetterstation in Aschau im Landkreis Rosenheim habe man damals zum Beispiel in vier Tagen 400 Liter pro Quadratmeter gemessen. Das sei „wirklich extrem viel“, so Lederer weiter: „Wir bekommen bei 100 Litern schon Angst.“
Dazu käme, dass durch die vielen Regentage im Mai 2013 der Boden schon sehr gesättigt gewesen sei: „Das heißt, alles, was dann regnet, wird sofort Abfluss-wirksam. Es kann ja nicht mehr versickern. Der Bodenspeicher ist schon gefüllt. Das war eigentlich der Grund, dass das Hochwasser entstanden ist.“ Schmelzwasser aus dem Gebirge habe bei diesem Hochwasser keine entscheidende Rolle gespielt. Im Gegenteil:
Schneefallgrenze hat uns dieses Jahr womöglich vor Hochwasser gerettet
„Das war eher eine Entlastung. So wie wir es jetzt Anfang, Mitte Mai gehabt haben, da hat es auch mal eine Zeit lang richtig viel und grauslig geregnet. Und da hat uns das eher gerettet, dass die Schneefallgrenze weit heruntergegangen ist.“ Der Schnee schmilzt ab und gibt so das Wasser zeitverzögert zum Abfluss frei. Damit würden, so Lederer, die Hochwasserspitzen genommen werden. 2013 war das aber nicht der Fall. Es kam zum Jahrhunderthochwasser. Wann ist ein Hochwasser eigentlich ein Jahrhundertereignis?
Jahrhunderthochwasser nur alle hundert Jahre?
„Letztlich ist es ja ein statistischer Wert. Wir haben an den Gewässern einen Pegel. Die messen den Wasserstand. Früher täglich, mittlerweile kontinuierlich. Also alle paar Minuten. Das wird dann statistisch ausgewertet. Dann sagt man, es gibt ein mittleres Hochwasser. Das ist so etwas, mit dem man im Mittel der Jahre immer wiedermal rechnen muss.“ Es gäbe dann, so der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes rein mathematisch 10-jähriges Hochwasser, ein 50-jähriges oder eben ein Jahrhunderthochwasser. Das würde aber nicht bedeuten, dass uns das nächste extreme Hochwasser erst wieder 2113 treffen wird - im Gegenteil.
Klimaerwärmung: Werden Extremwetterlagen zunehmen?
„Es gibt viele Anzeichen, die stark darauf hindeuten, dass der Klimawandel bereits jetzt solche Auswirkungen hat.“ Lederer meint damit Extremwetterlagen. Die globale Klimaerwärmung bringt unter anderem wärmere Lufttemperaturen mit sich. Warme Luft kann mehr Wasser speichern, es ist also mehr Feuchtigkeit in unserer Atmosphäre. Starkniederschläge sind eine Folge davon. Und was heißt das für unserer Region? „Das heißt, ja, ich würde mich schon darauf einstellen, dass sowas in Zukunft öfter kommen kann.“ Und so hat man in den letzten zehn Jahren den Hochwasserschutz in der Region noch mehr in den Fokus gerückt
80 Millionen Euro für Hochwasserschutz investiert seit 2013
„Also wir haben insgesamt rund 80 Millionen Euro investiert in den Hochwasserschutz in den Landkreisen Altötting, Berchtesgadener Land und Traunstein zusammengerechnet.“ Eine stolze Summe. Besonders gut aufgestellt sei man in Trostberg: „Hauptsächlich sind es Deichsanierungen und eine Aufweitung des Flussbettes.“ In den Ortsteilen Pechlerau und Saliterau hatte man 2022 mit der Umsetzung der Maßnahmen begonnen. Damit erfülle man gleich drei wichtige Punkte der Gewässersanierung, die auch Teil bayerischen Gewässerprogramms “Pro Gewässer 2030“ seien“.
Hochwasserschutz, Ökologie und Naherholung: Gewässersanierung in der Region
„Zum einen der Hochwasserschutz, entweder technisch oder durch natürlichen Rückhalt, Vorsorge, Bewältigung. Die zweite Säule ist einfach die Ökologie, sowohl was die Durchgängigkeit betrifft, die Auen, die Gewässerstruktur, Vernetzungsfunktion, Artenvielfalt etc. Und natürlich auch die Sozialfunktion, dass man sagt, die Leute, die Bevölkerung, müssen wieder Zugang ans Wasser haben.“ Denn, so Bernhard Lederer, je mehr die Menschen ihre Flüsse kennen, desto mehr würden sie diese auch schätzen.“
Dämme nach 2013: Halten Jahrhunderthochwasser plus 15 Prozent Klimazuschlag
Nach dem Hochwasser 2013 habe man außerdem an verschiedenen Wildbächen wie Hausbach und Pötschgraben in Reit im Winkl den Hochwasserschutz vorangetrieben. Auch in Tacherting im Ortsteil Wajon kamen neue Hochwasserschutzmaßnahmen dazu. Bernhard Lederer spricht auf unsere Nachfrage unter anderem von Deichsanierungen. Diese seien schon in manchen Bereichen älter und müssten auf ihre Standfestigkeit überprüft werden. Seit dem Hochwasser 2013 habe man bei der Dimension der Deiche auch nochmal aufgestockt: „Wir legen Deiche, Dämme, was auch immer auf ein 100-jährliches Ereignis aus. Bayern schlägt da noch 15 Prozent Vorsorgezuschlags für den Klimawandel obendrauf.“
Weitere Maßnahmen auch bei kleineren Wildbächen geplant
Diese „Zauberformel“, wie es Lederer nennt, wird auch für künftige Hochwassermaßnahmen gelten. Geplant seien weitere Aktionen an der Weißen Ache in Bergen, am Tennenbodenbach bei Marquartstein, der Urschlauer Ache in Ruhpolding und an der Weiß- und Schwarzlofer in Reit im Winkl. Kürzlich ist auch eine Studie zum Inn-Salzach-Gebiet veröffentlicht worden. Betrachtet wurden insbesondere positive Effekte von potenziellen Flutpoldern, größere Deichrückverlegungen und eine gezielte Stauraumbewirtschaftung im Hochwasserfall am „außeralpinen Inn ab Oberaudorf (rund 210 km) und an der Salzach ab der Saalachmündung (rund 60 km).“ Die Studie sei aber, so Lederer, nur ein erster Schritt. Denn, gerade wenn es um Rückhaltebereiche von Hochwasser geht, tun sich die Gemeinden oft schwer. Viele Flächen sind verbaut oder werden landwirtschaftlich genutzt:
„Ich meine, eine Fläche, die einmal in hundert Jahren überflutet wird, die muss ja auch nicht unbedingt in der Hand des Freistaats Bayern sein. Es gibt ja auch das Modell, dass man sagt, wenn der Flutpolder gefüllt wird, dann entschädigt man halt in dem Fall den Landwirt. Und der bekommt vorher natürlich auch eine Entschädigung dafür, dass er sein Grundstück im Hochwasserfall zur Verfügung stellt.“
Die Intervalle der Hochwasserereignisse werden kleiner
Viele Probleme haben wir uns durch die Begradigung unserer heimischen Flüsse in der Vergangenheit selbst geschaffen. In Kombination mit Stark- oder Dauerregen führt das immer öfter zu Hochwasser: Wir haben auch die Tendenz, dass diese Werte ansteigen, sagt Lederer und zählt auf: „Beginnend mit dem Pfingsthochwasser 1999, 2002, 2005, 2013 natürlich ganz groß aber auch 2016 und 2021.“ Es sei also der Trend, dass sich die Hochwasser häufen, trotz Hochwasserschutz sei es „grundsätzlich immer klug, vorzusorgen und sich darauf einzustellen.“