„Besondere Bedeutung“ von TikTok-Account
Knallhart-Urteil in Traunstein: Mutmaßlicher Schleuser (32) muss lange hinter Gitter
Das Landgericht Traunstein verurteilte einen mehrfach vorbestraften 32-Jährigen insbesondere wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in elf Fällen – teils unter lebensgefährlichen Bedingungen. Neben der satten Freiheitsstrafe wurde außerdem die Einziehung von Wertersatz angeordnet.
Traunstein – Nach den Feststellungen der 1. Strafkammer des Landgerichts Traunstein organisierte der 32-jährige Angeklagte die Schleusungen, indem er in den meisten Fällen das Schleuserfahrzeug und einen Fahrer beschaffte, dem er genaue Anweisungen erteilte. Nur in einem Fall soll er selbst teilweise als Fahrer tätig gewesen sein.
Bei den elf Schleusungsfahrten wurden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt 80 Personen – darunter zehn Kinder – vor allem aus Österreich, aber auch aus Polen und der Slowakei über verschiedene Grenzübergänge in das Bundesgebiet gebracht. Bei den geschleusten Personen handelt es sich ganz überwiegend um türkische und irakische Staatsangehörige. In acht der elf Fälle hatten die Schleuserfahrzeuge zu wenige Sitzplätze, sodass die geschleusten Personen ungesichert – zum Teil auf Ladeflächen oder im Kofferraum – transportiert wurden. Im Falle eines Unfalls drohten ihnen lebensgefährliche Verletzungen. Der Angeklagte soll insgesamt einen Schleuserlohn von mindestens 54.000 Euro erhalten haben.
TikTok-Account wird Angeklagtem zum Verhängnis
Der Angeklagte war nicht geständig, die Schleusungen wurden jedoch zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesen. Von besonderer Bedeutung waren hier die umfangreiche Auswertung der sichergestellten Mobiltelefone sowie des TikTok-Accounts des Angeklagten.
Die Spezialabteilung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität nach dem „Traunsteiner Modell“ hatte in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizeiinspektion Freilassing umfangreiche Ermittlungen geführt sowie Beweismittel beschafft und ausgewertet, um die Beteiligung des Angeklagten als Organisator an den einzelnen Schleusungen nachweisen zu können.
Urteil gegen mutmaßlichen Schleuser soll abschreckend wirken
Mit seiner rechtlichen Bewertung folgte das Landgericht weitgehend der Anklage der Staatsanwaltschaft Traunstein. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Traunstein, Dr. Wolfgang Beckstein, wertet die Höhe der vom Landgericht verhängten Freiheitsstrafe im Bereich von über zehn Jahren als wichtiges Signal zur Abschreckung im Kampf gegen diese besonders rücksichtslose Art von organisierten Schleusungen und betont: „Die Einführung der Spezialabteilung nach dem ,Traunsteiner Modell‘ im Jahr 2018 hat sich bewährt. Gerade bei der Verfolgung der organisierten Schleusungskriminalität wirken sich die Spezialisierung, der enorme Ermittlungsaufwand und der stetige Ausbau der internationalen Kontakte sehr positiv aus: Mittlerweile gelingt es uns, in mehr als der Hälfte aller Schleusungsdelikte Hintermänner oder weitere Täter und weitere Schleuserfahrten der Täter zu ermitteln und strafrechtlich zu ahnden. Dadurch können wir hohe, abschreckende Strafen wie im vorliegenden Fall erreichen.“
Das „Traunsteiner Modell“
Das sogenannte „Traunsteiner Modell“ zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität wurde 2018 bei der Staatsanwaltschaft Traunstein und in den Folgejahren nach und nach bei allen grenznahen bayerischen Staatsanwaltschaften eingeführt. Die jeweiligen Spezialabteilungen arbeiten bei der Verfolgung von international agierenden Schleuserbanden, Drogen- und Waffenhändlern nicht nur eng mit den ausländischen Polizei- und Justizbehörden zusammen, sondern auch mit Eurojust und Europol. Ziel ist es, durch eine Spezialisierung, Intensivierung und Koordinierung internationaler Ermittlungen erfolgreich Strukturermittlungen zur Ergreifung und Überführung der Hintermänner durchzuführen.
Mit dem Strafmaß von zehn Jahren und sechs Monaten blieb die Strafkammer nur knapp unter der Strafforderung der Staatsanwaltschaft von elf Jahren. Strafschärfend hatten sich nach den Ausführungen der Vorsitzenden Richterin in der mündlichen Urteilsbegründung insbesondere die zahlreichen und sehr erheblichen Vorstrafen des Angeklagten und die Vielzahl der gewerbsmäßigen und gefährlichen Schleusungstaten ausgewirkt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Angeklagte hat Revision eingelegt. (aic/Staatsanwaltschaft Traunstein)
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