Statusbericht Wald: es ist kompliziert
Alarm im Traunsteiner Stadtwald? „Wir haben einige Herausforderungen zu stemmen“
„Wir sind gerade im Tal der Tränen, aber ich bin zuversichtlich.“ Tannenkrebs, Borkenkäfer, Klimawandel - Traunsteins Stadtförster Tobias Steiner spricht am Dienstagabend (12. Februar) klare Worte bei der Infoveranstaltung von`Wir für den Wald‘. Es wird den Stadtwald weiter geben, aber sein Gesicht wird sich ändern müssen. Warum es wichtig ist, jetzt die richtigen Weichen zu stellen, um für die Zukunft gewappnet zu sein:
Traunstein – Ein paar hochgewachsene Fichten, Brombeersträucher überziehen den Waldboden. Sonst nichts: „Im Haidforst beim Friedhof bereite ich mich auf das Fichtensterben vor, meine Prognose, in 15 Jahren steht da nichts mehr“, so die Erklärung zum Foto, das der Traunsteiner Stadtförster Tobias Steiner als Beispiel zeigt. Zirka 80 Interessierte sind am Dienstagabend zur Infoveranstaltung in den Sailer Keller gekommen, sie wollen wissen, wie es dem Traunsteiner Stadtwald geht:
Hiebsatz um 60 Porzent gesenkt: Zu wenig Bäume?
Es muss was passieren, soviel stünde fest. Vor drei Jahren hat Tobias Steiner das Amt des Traunsteiner Stadtförsters übernommen. Eine seiner ersten Entscheidungen: die Absenkung des sogenannten Hiebsatzes um 60 Prozent. Hiebsatz ist die jährliche Holzmenge, die auf einer bestimmten Fläche nachhaltig geschlagen werden kann. Im Gegensatz dazu, erklärt Steiner, stehe der Zuwachs: „Der ist in Traunstein zwischen 1998 und 2009 deutlich gesunken.“ Das heißt vereinfacht: es werden weniger Bäume.
Nach wie vor zu viel Fichtenbestand
Das hat viele Gründe: Die nach wie vor sehr großen Fichtenbestände, so Wolfgang Madl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), seinen ein Problem, nicht nur in der Region, sondern bayernweit. Bis in die 80er Jahre hinein war die Baumart beliebt, wird bereits seit dem Mittelalter verstärkt angebaut: Sie wächst schnell und liefert entsprechend gute Holzerträge. Die Fichten-Monokulturen sind aber besonders anfällig für den Borkenkäfer. Dazu komm: das Insekt ist klarer Profiteur der Klimaerwärmung:
Der Borkenkäfer mag es warm – Gewinner des Klimawandels
„Ein gesunder Baum schützt sich vor Schädlingen mit Baumharz“, erklärt Beate Rutkowski, stellvertretende Vorsitzende des BUND Naturschutz Bayern bei der Infoveranstaltung. Durch zunehmende Trockenheit im Zuge des Klimawandels könnten aber Flachwurzler wie die Fichte nicht mehr genug Wasser aufnehmen. Die Folge? Die Harzproduktion im Baum sinkt, Schädlinge haben freie Bahn. Höhere Lufttemperaturen erlauben es dem Käfer darüber hinaus, mehrere Generationen in Folge auszubilden.
Vierte Waldinventur verrät: Lichtblick in Bayerns Wäldern
Die Konsequenz: Allein im Geschäftsjahr 2024, so die bayerischen Staatsforsten, fielen 1,9 Millionen Festmeter Holz dem Borkenkäfer zum Opfer. Hotspot ist der Frankenwald. Aber, so Wolfgang Madl, es gäbe auch Erfreuliches zu berichten: Die Zunahme der Klima-resilienteren Buche und anderer Laubbaumarten habe deutlich zugenommen.
Der Altersdurchschnitt der Bäume steige leicht an und die Maßnahmen auf vielen Ebenen greifen: Die Ergebnisse der vierten Waldinventur verraten auch: Ein Anstieg der Verjüngungsfläche im Freistaat um über ein Drittel stimmt positiv. Auch in Traunsteins Stadtwald liegt ein Schwerpunkt auf der Verjüngung und dem Umstieg auf widerstandsfähigeren Arten:
Sturm und Starkniederschlag setzten Stadtwald zu
„Streuen, streuen, streuen“, sei die Devise, so Stadtförster Steiner. Er meint den Umbau des Waldes weg von den Fichtenreinbeständen hin zu mehr Baumvielfalt: Man habe bereits einen Rückgang der anfälligen Fichte. Eine Grafik zeigt: Tanne und Buche können sich immer mehr durchsetzten, seit 1990 finden sich auch vermehrt Lärchen, Eichen, Douglasien und Kiefern im Stadtwald. Sie sind zwar gegen höhere Temperaturen besser gewappnet. Aber auch diese Baumarten wurden in der jüngsten Vergangenheit immer wieder durch Starkniederschläge, also Regen, aber auch Schnee, und Sturmergebnisse schwer beschädigt.
Tannenkrebs und Mistelbefall - auch im Bürgerwald zuhause
Dazu käme, so Steiner, dass sich der sogenannte Tannenkrebs weiter ausbreite. Er nennt Beispiele im Bürgerwald, wo viele Bäume bereits betroffen seien. Auch die vermehrte Ausbreitung der Mistel im Stadtwald sei problematisch. Ganze Baumkronen seien befallen. Auch der Wildverbiss sei nach wie vor Thema im Stadtwald. Zu wenig Bejagung - Thema auch bei einigen privaten Waldbesitzern, die an dem Abend anwesend sind. Viele Herausforderungen, die Steiner gerne lösen will. Mit wenig Kapazität. Nur noch zwei statt früher sechs Forstwirte müssten sich um 622 Hektar Wald kümmern.
Verkehrssicherung der letzten Jahre „größte Herausforderung“
„Unsere größte Herausforderung der letzten zwei Jahre war die Verkehrssicherung“, so Steiner. Alle Waldstreifen, die an Bahnlinien, Straßen und Wege angrenzen, müssten auf Sicherheit überprüft werden, also jeder einzelne Baum. Eine Mammutaufgabe. Durch das, durch Borkenkäfer, Schneebruch und Sturm verursachte Schadholz, dessen Qualität gemindert sei, würden der Stadtwald auch wirtschaftlich weniger rentabel. Zudem legt Steiner den Schwerpunkt auf Zuwachs, mit 60 Prozent weniger Hiebsatz „ist der Wald mittelfristig defizitär.“
Stadtwald vor allem „für Erholung und Natur“ da
Die Reaktion im Publikum? Zustimmung für Steiners eingeschlagenen Weg. Im Anschluss an die Vorträge richtet sich ein Mann direkt an ihn: „Sie sollten sich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass ein Stadtwald kein Geld abwirft. Der Wald ist doch vor allem zur Erholung da und für die Natur.“ Es herrschte ein großer Gleichklang an diesem Abend, nicht nur im Publikum.
Sowohl Wolfgang Madl vom AELF, als auch Stadtförster Tobias Steiner und Beate Rutkowski vom BUND sind sich einig. Oberste Priorität hat nicht eine hohe Produktivität, sondern ein widerstandsfähiger, gesunder Wald. Es wird den Stadtwald weiterhin geben, so Steiner, aber „wir haben einige Herausforderungen zu stemmen.“