Bti-Einsatz
Stechmücken-Vernichtung am Chiemsee als „Wahlkampfmanöver“? Biologin hält Antrag für sinnlos
Wie gegen die Stechmücken-Plage um den Chiemsee vorgegangen werden kann, beschäftigt viele Menschen. Ein Antrag im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags soll den Einsatz des Bekämpfungsmittels Bti erleichtern. Biologin Beate Rutkowski hält den Antrag für sinnlos und zeigt Alternativen auf.
Chiemsee – Das biologische Eiweiß Bti soll künftig unabhängig vom Pegelstand des Chiemsees gegen Stechmücken eingesetzt werden dürfen. So lautet ein Antrag, den CSU und Freie Wähler im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags verabschiedeten. Bis es tatsächlich so weit kommen könnte, geht das Vorhaben noch über einige Schreibtische. Auch über den von Beate Rutkowski. Sie ist Diplombiologin mit umfassenden Kenntnissen im Natur- und Umweltrecht. Seit 2008 ist sie erste Vorsitzende der Kreisgruppe Traunstein des BUND Naturschutz Bayern, seit 2021 stellvertretende Landesvorsitzende des ältesten und größten Umweltschutzverbands Bayerns.
Das Umweltministerium hat durch den Antrag die Aufgabe, ein Konzept zur verbindlichen Umsetzung der Pläne zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang werden Verbände wie der BUND Naturschutz angehört und auch der Naturschutzbeirat, dem der BUND angehört, muss den Plänen zustimmen. Rutkowski hat im Gespräch mit dem OVB eine klare Meinung zum Antrag: „Wir würden dem erhöhten Einsatz von Bti nicht zustimmen.“ Die aktuellen Regelungen in den Naturschutzgebieten um den Chiemsee seien ein schwer erkämpfter Kompromiss. Das Ziel des aktuellen Antrags ist laut Rutkowski, dass häufiger gespritzt werden darf. Bisher musste der Pegelstand des Chiemsees am Alzauslauf bei Seebruck für einen Bti-Einsatz 116 cm erreichen. Außerdem mussten über 50 Stechmückenlarven in einem Liter Wasser nachgewiesen werden.
Der Hauptgrund für ihre Ablehnung ist, dass es bisher kein Monitoring gibt, welche Auswirkungen das Bti-Spritzen auf die Natur hat. Bti, ein biologisches Eiweißmittel namens Bacillus thuringiensis israelensis, wirkt laut BUND-Webseite auf alle 2500 Arten der Stechmücken tödlich. 104 Stechmückenarten leben in Deutschland. Auch für die über 50 Arten der Kriebelmücken ist Bti tödlich, für rund 700 nichtstechende Zuckmückenarten ist mindestens eine letale Wirkung nachgewiesen. „Wenn die Mücken weg sind, ist die Hauptnahrungsgrundlage für viele andere Tierarten wie Libellen, Vögel, Amphibien, Spinnen und Fledermäuse auch nicht mehr da“, sagt die Biologin.
BUND lehnt häufigeres Bti-Spritzen gegen Mücken ab
„Bisher wurde eher selten gespritzt, wenn jetzt häufiger gespritzt werden sollte, brauchen wir klare Aussagen, dass die Verwendung von Bti keine Auswirkungen hat. Dieser Beweis wurde noch nicht erbracht.“ Deshalb lehnt der BUND Naturschutz häufigeres Spritzen ab, „das werden wir auch im Verfahren kundtun und uns dagegen aussprechen“, so die geschätzte Dialogpartnerin in Behörden, Verbänden und Gremien.
Dabei betont Rutkowski, dass sie versteht, dass die Menschen am Chiemsee leiden. Durch den Bti-Einsatz wird das Leid zwar etwas weniger, „aber die Menschen werden weiter belästigt“. Ihre Alternativen: „Aus unserer Sicht wäre es deutlich sinnvoller, wenn die Gemeinden CO2-Fallen für öffentliche Einrichtungen anschaffen würden und Kindergärten und andere Gebäude mit Mückengitter ausstatten, anstatt Zehntausende Euro für Hubschraubereinsätze auszugeben.“ Das Bti wird in Sand- oder Öl-Form meistens mit Hubschraubern verteilt. Grundsätzlich darf es auch nur auf den Wiesen rund um den Chiemsee und nicht über dem Chiemsee verteilt werden.
Den Wasserpegel als Grundlage auszuklammern bedeutete, dass man die Mückenbiologie außer Acht lässt.
Darin sieht Rutkowski ein weiteres Problem des aktuellen Antrags: „Das Wasser auf den Wiesen ist nur dauerhaft dort, wenn der Wasserspiegel des Chiemsees auch erhöht ist. Das Ganze ist voneinander nicht trennbar.“ Larven können sich in den Pfützen der Wiesen nur entwickeln, wenn das Wasser dort mehrere Tage steht, eben bei Starkregenfällen. „Biologisch ist das nicht zu begründen“, erklärt die Traunsteinerin und wird noch deutlicher: „Aus meiner Sicht ist es ein Wahlkampfmanöver: Den Gemeinden wird dadurch gezeigt, dass man das Problem versteht und sich drum kümmert.“ Eine Ausnahmegenehmigung für den Bti-Einsatz bräuchte es laut Rutkowski nur „alle paar Jahre“. Wie im vergangenen Jahr, als das Mückengranulat in Deutschland nicht mehr lieferbar war.
„Oberste Prämisse muss sein, die natürlichen Fressfeinde zu unterstützen, statt zu schädigen. In einem Naturschutzgebiet sollte eigentlich ein Gleichgewicht sein“, so die Naturschützerin. Dieses Gleichgewicht unterliegt Schwankungen, die durch den Klimawandel noch stärker werden. In Bayern herrschten drei Trockenjahre in Folge, das vergangene Jahr hatte dann im Frühsommer häufigere stärkere Regenmengen im Gepäck. Heißt: In den trockenen Jahren waren die Fressfeinde der Mücken nicht so zahlreich vertreten, da es auch weniger der stechenden Insekten gab. Wenn sich die Fressfeinde der Mücken jedoch aufgrund eines großen Nahrungsangebots gut fortpflanzen können. gibt es in der Folge auch weniger der lästigen Blutsauger.
Grüne wollen bei bisheriger Bti-Praxis gegen Mücken bleiben
In den Ortschaften gäbe es grundsätzlich weniger natürliche Fressfeinde, hier müssen laut Rutkowski entsprechende Maßnahmen wie Duftlampen auf der Terrasse oder Mückenschutzgitter ergriffen werden. Im Umweltausschuss stimmten Grüne und SPD gegen den Antrag: „Wir haben den Antrag zum Bti-Einsatz nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern wir wollen bei der bisherigen Praxis bleiben. Denn eine intensivierte Nutzung birgt auch intensivere ökologische Risiken“, lässt Christian Hierneis, Landtagsabgeordneter und Sprecher für Umwelt, wissen.
CSU und Freie Wähler würden die intensivere Nutzung unterschätzen. Hierneis weiter: „Bti tötet nicht nur Stechmücken, sondern auch andere Insekten. Die Auswirkungen vor Ort sind noch nicht ausreichend untersucht, außerdem fehlen Studien zur Langzeitwirkung von Bti. Wir brauchen eine ausgewogene Strategie zur Mückenbekämpfung – und diese beinhaltet auch den Schutz unserer sensiblen Ökosysteme.“
Auf OVB-Anfrage äußern sich die Grünen wie folgt: „Der CSU-/FW-Antrag impliziert, dass eine häufigere und umfangreichere Bti-Anwendung notwendig sei, was aber im direkten Widerspruch zu Empfehlungen von Forschern und Naturschützern steht, die bereits jetzt für einen zurückhaltenden, punktuellen Einsatz plädieren.“ Auch sie warnen vor den Langzeitwirkungen auf das Ökosystem: „Professor Jürgen Geist von der TU München etwa betont die Notwendigkeit weiterer Studien zur Freilandwirkung von Bti.“