Die Sonnen- und Schattenseiten erneuerbarer Energie
Solarpark in Palling sorgt für Ärger: Muss die Anlage wieder demontiert werden?
„Damals waren wir eigentlich ein Vorreiter, viele haben gesagt, solche Spinner, aber es kristallisiert sich immer mehr raus, das es eigentlich der richtige Weg war“ – eigentlich, denn die zukunftsweisende Photovoltaikanlage von Rudolf Trinkberger in Palling wird überschattet vom Ärgernis des Nachbarn. Was ist das Problem? Die zerstrittenen Parteien haben chiemgau24.de jeweils ihre Sicht der Dinge geschildert.
Palling – Die Sicht der Dinge im Streitfall um die Photovoltaikanlage (PV-Anlage) in Palling geht nicht nur weit auseinander, sondern sie ist auch Gegenstand des Konfliktes – nämlich die Sicht auf den Solarpark und die damit einhergehende Blendung des benachbarten Günther Krügel, der dort eine Gärtnerei betreibt. Seit neun Jahren, also seit dem Baubeginn der Anlage, versucht Krügel, gerichtlich gegen die Anlage vorzugehen.
Solarpark für drei Millionen Euro errichtet
Der Inhaber des Michlwirts, Rudolf Trinkberger Junior, hatte sich das alles so gut vorgestellt: Mitten in Palling betreibt er neben dem Gasthof auch ein Hotel und eine Metzgerei. Da fallen entsprechend hohe Stromkosten an: 40.000 Euro im Monat waren das vor dem selbst erzeugten Strom aus der PV-Anlage erzählt uns Trinkberger im Gespräch. Eine ehemalige Kiesgrube, die im Familienbesitz war, sollte eine Lösung bieten: „Dann haben sich welche gemeldet, die meinten, sie würden die Fläche mieten als Freiflächenanlage für Photovoltaik und wir würden jeden Monat Pacht bekommen. Aber wir haben dann gesagt, wir brauchen ja den Strom eigentlich selber.“ Und so sind die Trinkbergers vor zehn Jahren einen mutigen Schritt gegangen und haben für drei Millionen Euro einen Solarpark auf der ehemaligen Kiesgrubenfläche gebaut.
Umweltfreundlich, regional und wirtschaftlich
Rudolf Trinkberger nutzt die Fläche in mehrfacher Hinsicht. Zum einen kann der Solarpark mit einer Fläche von ungefähr 4,5 Hektar 60 Prozent seines Strombedarfes decken. Der Strom fließt per Erdkabel direkt unterirdisch zu seinem Betrieb. Nur bei Überkapazität wird der Strom in das örtliche Stromnetz gespeist. Zum anderen weiden Schafe unterhalb der Solarpanels, um die Vegetation einzudämmen. Zeitgleich kann Trinkberger als Metzger die Schafe wiederum schlachten lassen und verarbeiten.
Geheizt wird bei den Trinkbergers mit einer Hackschnitzelheizung, die Hackschnitzel lagern auch auf dem Gelände. Eine runde Sache möchte man meinen: Erneuerbare Energie, die regional erzeugt wird, Nutztiere, die genügend Freilauf haben und keine weiten Wege zum Schlachter. Wenn da nicht die benachbarte Gärtnerei wäre, deren Inhaber Günther Krügel sich schon seit dem Bau der Solaranlage gestört fühlt.
Blendung oder nicht? - Der Gerichtsstreit beginnt
„Herr Krügel hat von Anfang an Bedenken geäußert. Er hat die Genehmigung dann damals auch angefochten. Der Genehmigung lag zugrunde ein Gutachten, was der Anlagenbetreiber beigebracht hatte.“ Udo Volpert, der Anwalt von Günther Krügel verweist auch darauf, dass das Gutachten Fehler enthalten habe weil falsche Datengrundlagen genutzt worden seien. So hatte das erste Gutachten bescheinigt, dass von der PV-Anlage keine Blendung in Richtung der Gärtnerei ausgehen würde. Außerdem sei, laut Volpert, der Bau der Anlage als Schwarzbau entstanden und erst rückwirkend genehmigt worden. Rudolf Trinkberger sagt dazu, der Bau sei damals bereits genehmigt worden, sie hätten nur mit den Kabelarbeiten schon begonnen: „Lediglich die Auslegefrist war noch nicht abgelaufen. Durch das sind wir da angreifbar wegen drei Tagen.“
Blendung oder nicht? Eine Frage des jeweiligen Gutachtens
Seitdem steht die PV-Anlage unter rechtlichem Beschuss. Fast zehn Jahre Streit ziehen einen wahren Wust an Verfahren und dazugehörigen Gutachten nach sich. Insgesamt sechs Gutachten wurden erstellt, es geht dabei immer darum, mit welcher Intensität und Dauer die Reflektion der Sonne auf das Grundstück von Günther Krügel strahlt. Je nach Gutachten, die teils privat in Auftrag gegeben, teils gerichtlich angeordnet wurden, werden die gesetzlich festgelegten Schwellenwerte unter- oder überschritten.
Blendung: 15 Minuten pro Tag im Hochsommer?
„Vier Wochen vor der Sonnenwende und vier Wochen nach der Sonnenwende genau zwischen 12 und 15 Minuten tritt in der Früh zwischen 6.30 Uhr und sieben Uhr die Blendung auf“, das sei, so Trinkberger der neueste Stand der Werte. „Die Blendung tritt ab April, Mai auf, je nach Sonnenstand auch in der Früh. Die direkte Blendung sehen sie aktuell nicht, am besten im Hochsommer und dann in der Früh, bis 9.30 Uhr“, gibt wiederum Volpert an und verweist nochmals darauf, dass die Richtwerte bei den Messungen deutlich überschritten seien.
Solarpark habe den Effekt eines Parabolspiegels
Die Blendung, so Volpert, sei auch der besonderen Lage der Anlage geschuldet. Die Senke der ehemaligen Kiesgrube verstärke den Blendungseffekt: „Hier ist es so, dass mit der wandernden Sonne ständig eine andere Fläche der Anlage beschienen wird und die blendet also von allen Seiten zum Krügel rüber.“ Trinkberger wiederum versteht schon die Wahl des Messpunktes des Gutachtens nicht: „Der Messpunkt ist eh fadenscheinig, das ist die äußerste Ecke von seinem Grundstück, das geht noch über einen Hügel. Ich weiß nicht, warum genau dieser Messpunkt gewählt wurde damals von dem Privatgutachten“, und so schließt Trinkberger daraus weiter: „Da muss ich doch nicht genau zu dieser Zeit genau an dem Punkt stehen um meine Salatpflanzl zu sortieren.“
Anklage auf mehreren Ebenen
Zwei Klagen seitens Günther Krügel sind entscheidend: Einmal hat er gegen die damalige Baugenehmigung geklagt, da ist das Verwaltungsgericht zuständig und zu diesem Verfahren warten beide auf das richterlich verfügte Gutachten. Die Zivilklage gegen Trinkberger selbst wurde am Landgericht Traunstein letztes Jahr verhandelt: „Beim Landgericht Traunstein, da haben wir tatsächlich letztes Jahr verloren. Wir waren wie vorn Kopf gestoßen.“ Trinkberger hatte Berufung eingereicht, aber auch das Oberlandesgericht München sah keinen Grund zur Revision. Volpert erklärt, dass, nachdem die Berufung des Angeklagten zurückgezogen wurde, das Urteil vom Landgericht somit rechtskräftig sei.
Trinkberger hat nach dem Urteil nicht mehr viele Möglichkeiten
Trinkberger behauptet, das zugrunde liegende Gutachten im Verfahren wäre ein von Krügel privat in Auftrag gegebenes, die Gegenseite sagt, das Gutachten wäre vom Landgericht Traunstein beauftragt worden. Die darin enthaltenen Messungen seien über dem Schwellenwert, der bei einer Blendung festgesetzt wurde und somit hat Trinkberger jetzt drei Möglichkeiten: PV-Anlage abbauen, umbauen oder eine andere Maßnahme ergreifen, um die Blendung zu verhindern: Lösung eins wäre, so Trinkberger, das Worst-Case-Szenario. Aber auch Variante zwei ist mit immensem Aufwand verbunden: „Ich müsste also die ganze Anlage um zehn Grad drehen, alle Kabel aus dem Boden ziehen, die komplette Anlage abbauen, dann alles drehen und wieder neu aufbauen. Der Hersteller beziffert diesen Aufwand auf 500.000 Euro.“
Lösungsansätze seitens des Klägers: Kauf der Gärtnerei
Ein Vorschlag des Klägers war zwischenzeitlich auch, man könne die Gärtnerei ja kaufen: „Wir haben das angeboten, das sind größere Gärtnerei- und Landwirtschaftsflächen, Gewächshäuser, aber das wurde ins Lächerliche gezogen und gesagt, das sei viel zu teuer“ berichtet uns Volpert. Eine halbe Million wollte man damals für den circa halben Hektar Grund und die Gewächshäuser laut Trinkberger: „Das liegt ums X-Fache oberhalb des Marktwertes. Die Gewächshäuser sind schon 25 Jahre alt, werden auch noch mit Heizöl betrieben. Und was wollen wir mit Gewächshäusern.“ Eine Abstandszahlung stand laut Trinkberger auch im Raum: „Die andere Variante war eine Abstandszahlung von 180.000 Euro, die Anlage liefe ja eh gut.“ Beides kam für Trinkberger nicht in Frage, zumal die Anlage auf eine lange Laufzeit berechnet und finanziert wurde und somit noch gar kein Gewinn entstanden sei.
Können Bäume die Demontage der Anlage noch abwenden?
Jetzt versucht Rudolf Trinkberger dem richterlichen Beschluss mit der Pflanzung von Bäumen, die die Reflektion zum Nachbarn abfangen sollen, nachzukommen: „Wir haben jetzt Weiden und Haselnuss gepflanzt, weil die schnell wachsen. Die machen, wenn es gut läuft, im Jahr 1,50 Meter. Da ist dann absehbar Abhilfe geschaffen.“ Das sieht die Gegenseite anders: „Das ist so absurd, das sind Setzlinge, die sind vielleicht einen halben Meter hoch, die sehen sie gar nicht, wenn sie nicht genau hinschauen. Das Zeug braucht, bis es zwei Meter hoch wird, mindestens zwei Jahre schätze ich. Selbst dann verdeckt es noch nicht mal die erste Reihe der Module wenn es zwei Meter hat.“
Anwalt des Klägers sieht Abbau für realistischste Variante
Volpert sieht derzeit nur den Abbau der Hälfte der Anlage als realistische und schnelle Lösung. Rudolf Trinkberger wiederum versteht nach fast zehn Jahren Ärger die Welt nicht mehr. Aus einem umweltbewussten und nachhaltigen Projekt, das doch heutzutage gesellschaftlich gewünscht sei, so Trinkberger, wird ein nicht endender Gerichtsstreit.
„Das sind jetzt neun Jahre, die mich wirklich Nerven kosten, alle 14 Tage kommt wieder ein Anwaltsschreiben. Ich habe hier im Betrieb 100 Leute den ganzen Tag, damit alles läuft und jeder zufrieden ist und dass alles passt und dann muss ich mich damit auch noch rumärgern. Es soll Kohle weg, Gas weg, Atom weg, wir werden uns damit abfinden müssen, dass dezentrale Anlagen sinnvoll sind. Mit irgendwas werden wir leben müssen oder es ist hald irgendwann mal finster.“



