Tierische Rettungsaktion in Siegsdorf
Watschel, flopp – und das Küken war im Gully: Seine Retter und wo der Gänsesäger jetzt aufwächst
Aus hoher Höhle in den tiefen Schacht: Am Sonntagabend (12. Mai) stürzte ein Gänsesäger-Küken in einen Gully bei Siegsdorf. Wie es gerettet werden konnte und was jetzt mit dem flauschigen Tier passiert.
Siegsdorf – Die Natur kennt keine Gnade. Wenn auch noch der Mensch hinzukommt, wird es erst recht brenzlig. Das muss sich zumindest das kleine Gänsesäger-Küken am Sonntag (12. Mai) gedacht haben. Erst musste es im Ei über 30 Tage heranwachsen und sich danach aus seiner harten Schale kämpfen. Da der Gänsesäger ein Höhlenbrüter ist und hohe Höhlen wie in Bäumen bevorzugt, müssen frisch geschlüpfte Jungen „sich gegebenenfalls einige Meter tief aus dem Nest auf den Boden stürzen“, heißt es laut Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV). Die Jungen benutzen beim Sprung aus der Höhle ihre Flügelstummel als Fallschirm.
Gänsemutter kommt nicht zurück
Nach diesen Strapazen erfolgt der erste Marsch mit der Gänsemutter zum Wasser. Aber an diesem scheiterte das kleine Küken aus Siegsdorf. Kein Fuchs oder Falke kam ihm dabei in die Quere – es war der Rost des Gullys: Als die Gänsemutter mit ihrem Nachwuchs die Straße überquerte, stürzte der flauschige Nachzügler durch den Gullydeckel in die Tiefe. Die Mutter schien dies nicht bemerkt zu haben, und selbst wenn – eine Rettung wäre ihr nicht möglich gewesen. Ihre restlichen Küken brachte sie in Sicherheit.
Obwohl der Mensch für das Schicksal des kleinen Tieres verantwortlich war, war es eben dieser, der zu Hilfe kam. Passanten hatten das Missgeschick des Tollpatsches gegen 19 Uhr beobachtet und hielten eine Streife der Polizei Traunstein im Ortsbereich Siegsdorf an. „Im Regelfall liegt man schon richtig, wenn man sich in so einem Fall bei der Polizei meldet“, sagt ein Beamter der Polizeiinspektion Traunstein.
Tierische Rettungsaktionen kommen öfter vor
Die Passanten konnten das Küken aus dem Schacht befreien, bevor es in den darunter befindlichen Kanal rutschte, und es an die Streife übergeben. Vorfälle dieser Art, in denen die Polizei Tiere retten muss, kommen „schon regelmäßig vor“, sagt der Beamte aus Traunstein: „Ich persönlich hatte vor ein paar Jahren eine Hirschkuh, die aus einem Teich gerettet werden musste.“
Die Rettung des Kükens erwies sich als weniger aufwendig, und die Polizisten konnten es an eine nahe gelegene Auffangstation für Vögel übergeben. „Jungvögel sollten nicht immer gleich mitgenommen werden“, sagt Frank Weiß, Vorsitzender der Kreisgruppe Traunstein des LBV. Wenn ein Jungtier etwa exponiert auf einer Straße sitzt, könne es behutsam in eine Hecke gehoben werden – am besten mit Handschuhen. „Die Eltern finden die Jungtiere wieder und füttern sie weiter“, sagt Weiß. Ebenfalls können beim LBV Kontaktdaten zu Auffangstationen erfragt werden.
Das „Gully-Küken“ wurde an die private Auffangstation von Wolfgang Stephl aus Siegsdorf vermittelt. Der Rentner päppelt verletzte oder verwaiste Wildtiere auf und entlässt sie danach wieder in die Natur. „Gott sei Dank habe ich gerade zwei Wildenten-Küken. Da habe ich das Gänsesäger-Küken dazugesetzt“, sagt Stephl. Andernfalls sei die Aufzucht des kleinen Nachzüglers „unmöglich“ gewesen.
Lernen von den Artverwandten
Das Gänsesäger-Küken „ist ganz frisch geschlüpft“ und daher noch sehr unerfahren. Die beiden anderen Küken seien gleich groß, aber eine Woche älter. Der flauschige Alleingänger könne sich jetzt an dem Verhalten seiner Artverwandten orientieren.
Auch die Leibspeise hat Wolfgang Stephl für das kleine Tier: „Ich habe immer lebende Fische im Keller“, sagt der Rentner. Diese bekommt das Küken in einer Schüssel mit Wasser serviert. Wenn aus dem Küken ein Gänsesäger geworden ist, wird ihn Stephl an den Chiemsee bringen.
