Vier Meter tiefes Loch direkt neben Wanderweg bei Ruhpolding
„Hoffentlich war sie gleich tot“: Für Pudel-Dame Lina wird ein ungesicherter Schacht zur Todesfalle
„Das Schlimmste ist, dass ich mich nicht von ihr verabschieden konnte.“ Monika Reiter hat die Hölle hinter sich: Erst verschwindet ihre geliebte Pudeldame Lina spurlos während des Gassi-Gehens und dann nach drei Tagen die schreckliche Gewissheit – die Hündin ist tot – abgestürzt in einen ungesicherten Schacht nur ein paar Meter vom Wanderweg entfernt.
Ruhpolding – Seit zehn Jahren gehe Monika Reiter mit ihren Hunden da hinten spazieren, erzählt sie uns beim Interview. Drei Wochen ist es jetzt her, dass sie Gewissheit hat. Ihr Pudelmädchen Lina wird nie wieder zurückkommen. Sie ist in einen offen gelassenen Brunnenschacht gestürzt und gestorben. Für unser Gespräch hat sich Monika überwunden und ist mit uns zur Unglücksstelle zurückgekehrt – auf den Wanderweg gegenüber von Fritz am Sand in Ruhpolding – dem Ort des Verschwindens von Lina.
Ein ganz normaler Tag wird zum Alptraum: Die Suche nach Lina beginnt
Den Dienstag, 4. April, wird Monika Reiter nicht mehr vergessen. Es fängt wie ein ganz normaler Tag an. Sie verabschiedet sich kurz von ihren beiden Pudeln Lina und Amigo und geht zur Arbeit. Ihre Eltern kümmern sich um die Tiere. Wie so oft entscheiden sie sich für den nahe gelegenen Wanderweg bei Fritz am Sand. Hündin Lina, die dort gewohnt ist, ohne Leine zu laufen und sich nie weit von Frauchen entfernt, schnuppert in den Wald hinein - und verschwindet – der Alptraum beginnt.
Noch am selben Tag werden auch wir von chiemgau24.de von der verzweifelten Besitzerin kontaktiert und schalten eine Vermisstenmeldung: Wer hat die schwarze Pudelhündin Lina aus Ruhpolding gesehen? - ohne Erfolg. Auch vor Ort keine Spur von Lina: „Pfeifen, Schreien, wir haben alles versucht. Wir haben ein kleines Deckchen da hingelegt, wo sie verschwunden ist. Wir waren den ersten Tag fast durchgehend hier hinten, immer abwechselnd meine Mutter, mein Vater oder ich.“
Sogar nachts sei Monika zum Ort des Verschwindens gefahren, weil nahegelegene Anwohner von Hundegebell berichteten. Kaum vorstellbar, was die Besitzerin von Lina in diesen Stunden der Ungewissheit durchmachen musste: „Es war da in den Nächten total kalt und hat gefroren. Ich habe mir immer gedacht, wo ist der Hund, was ist passiert, ich bin total verrückt geworden.“ Monika schluchzt und versucht, ihre Tränen zurückzuhalten. Auch nach drei Wochen ist Linas Frauchen noch so erschüttert, dass wir das Gespräch mehrfach kurz unterbrechen - die Trauer schnürt ihr die Kehle zu.
Nach drei Tagen die Gewissheit: Lina ist tot
Ein Suchhund, Tierkommunikation, Aufrufe in den Medien und die stetige Suche nach Lina im Wandergebiet: Auch Tag zwei bringt nicht die Erlösung. Die Pudelhündin bleibt verschwunden. Aber Monika Reiters Cousin gibt nicht auf, er sucht unermüdlich weiter nach dem Tier: „Am Donnerstag hat sie dann mein Cousin gegen 14 Uhr – da hat er sie mir dann nach Hause gebracht.“ Für Lina war es zu spät, der Cousin konnte den Hund nur noch tot übergeben.
„Er hat sie dann gefunden, sie ist in einen zirka vier Meter tiefen Schacht reingefallen und da dann wahrscheinlich ums Leben gekommen. Ich hoffe, dass sie gleich tot war. Ich will mir das gar nicht ausmalen, wie das ist, wenn sie da unten liegt und keiner hilft ihr.“ Sie sei ihrem Cousin sehr dankbar gewesen, denn so habe sie wenigstens die Gewissheit gehabt, was passiert ist und konnte sich zumindest von der toten Lina nun verabschieden.
Ein ungesicherter Brunnenschacht direkt neben dem Wanderweg: Eine Todesfalle
Wir sitzen während des Interviews mit Monika Reiter auf einer Sitzbank nur wenige Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Monika zeigt uns vorab den Schacht, der für Lina zur Todesfalle geworden war. Dazu müssen wir nur wenige Meter von der Forststraße in den Wald abzweigen – Monika hatte die Stelle mit einem großen Stein markiert. Und es ist erschreckend - tatsächlich klafft ein mehrere Meter tiefes Loch im Waldboden - unauffällig und teils schon mit Vegetation bedeckt – Lina hatte keine Chance.
Vorsichtig nähern wir uns der Absturzstelle und werfen einen Blick hinunter. Es ist unheimlich – ein gemauerter Schacht, am Grunde des, wahrscheinlich alten Brunnens, spiegelt Wasser den Himmel wider und verrät, wie tief es dort hinuntergeht. Es war, so berichtet uns Monika, auch für den Cousin nicht leicht, Lina von da unten zu bergen. So nah am Weg und doch so versteckt, das birgt Gefahr, nicht nur für Hunde: „In das Loch, da könnten Kinder und normal gebaute Erwachsene auch runterfallen. Die kämen da auch nicht wieder hoch.“
„Ich erwarte, dass jetzt zeitnah gehandelt wird“ - Der Schacht soll geschlossen werden
Monika Reiter ist es wichtig, dass nicht noch jemand dasselbe schreckliche Schicksal ereilt wie sie und ihre Hündin. Sie bittet uns von chiemgau24.de, mit der Gemeinde Verbindung aufzunehmen und den ungesicherten Schacht zu melden: „Meine Lina kriege ich deshalb nicht wieder zurück, aber ich würde gern vermeiden, dass nochmal irgendjemand das durchmachen muss, was ich durchgemacht habe.“ Denn schließlich sei der Schacht direkt neben einem Wanderweg und das könne, so Monika, doch nicht sein, dass der nicht verschlossen ist: „Ich erwarte schon, dass da jetzt zeitnah und nicht erst in fünf Jahren gehandelt wird.“
Wir fragen nach. Ist der Schacht bekannt? Wird die Stelle zeitnah gesichert, damit nicht noch ein Hund, Kind oder Wildtier dort unten sterben muss? Wir schicken der Gemeinde auch die Wegbeschreibung und Fotos des Schachtes, damit die Verantwortlichen sich selbst ein Bild machen können.
Großes Bedauern bei dem Besitzer des Grundstückes: Den Bayerischen Staatsforsten
Antworten zum Brunnenschacht bekommen wir zunächst vom technischen Leiter der Bauabteilung Ruhpolding, Sepp Eder: „Wir haben die Stelle gefunden und meine Leute waren vor Ort, haben sich das angeschaut und haben das jetzt auch provisorisch abgedeckt.“ Der Grund, auf dem sich der alte Schacht befindet, gehöre aber zu den Bayerischen Staatsforsten und liege deshalb außerhalb ihrer Verantwortung. Wir haben bei den Staatsforsten nachgefragt.
Der neue Revierleiter der Laubau, der erst seit einigen Wochen seinen Dienst angetreten hat, Maximilian Eschenbacher, kann das Drama um Lina nachvollziehen: „Ich verstehe das, ich habe selber einen Hund, das ist eine persönliche Katastrophe.“ Er war am Donnerstag (11. Mai), einen Tag, nachdem wir die Gemeinde informiert haben, vor Ort: „Es muss sich wohl um einen alten Brunnenschacht handeln – gemauert, uralt.“ Er hatte auch schon die Suche von Lina damals mitbekommen: „Wir bedauern das wirklich sehr mit dem Hund, das war definitiv kein Vorsatz.“
„Die Gefahr ist gebannt“: Vorläufige Absperrung verhindert derzeit weitere Tote
In Abstimmung mit der Gemeinde sei der Brunnenschacht jetzt schon temporär mit Holzplanken und Gitterabsperrung gesichert: „Die Gefahr ist gebannt“, gibt Eschenbacher Entwarnung. Es sei aber jetzt auch geplant, den Schacht dauerhaft zu verschließen. Wahrscheinlich wird eine schwere Granitplatte mit mehreren Zentnern Gewicht künftig verhindern, dass nochmal ein Tier oder sogar ein Mensch im Schacht verunglückt. Darüber hinaus möchte sich Eschenbacher sukzessive in die Unterlagen seines Vorgängers einarbeiten und auf alten Forstkarten nach weiteren Gefahrenstellen im Revier suchen und diese dann nach und nach abarbeiten.
Die Trauer um Lina hält an
Monika Reiter trauert immer noch. Ein Kissen, mit Linas Foto bedruckt, ziert ihre Couch, eine Kerze brennt zur Erinnerung. Sie findet Trost bei ihrem verbliebenen Hund Amigo und denkt auch darüber nach, Linas Platz an einen neuen Hund weiterzugeben: „Ich weiß auch, dass die Lina das gewollt hätte. Die Lina weiß, dass es ihr bei mir gut gegangen ist und die würde sicher wollen, dass es einem anderen Tier auch wieder gut geht hier. Ich brauch’ das auch zum Verarbeiten, deshalb vergesse ich die Lina aber nie.“






