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Tachertinger starb an Überdosierung

Sorgloser Umgang mit Fentanyl-Pflastern in Pflege-WG? Verstorbener hatte Zugang zum Medikament

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Die angeklagte Krankenschwester (66) bespricht sich am Landgericht Traunstein mit ihrem Rechtsbeistand.

Am Landgericht Traunstein startet der Prozess gegen eine Krankenschwester aus Engelsberg. Sie soll einem Mann aus Tacherting ein Fentanyl-Pflaster geschenkt haben. Er starb an den Folgen einer Überdosis.

Update 18:00 Uhr – Pflegedienst-Chefin hatte Probleme mit Mitarbeiterin

Dann wird die Geschäftsführerin des Pflegedienstes aufgerufen. Zu der Zeugin befragt, die bezüglich fehlender Fentanyl-Pflaster ausgesagt hatte, sagt die Dame, dass man mit der Mitarbeiterin große Probleme gehabt habe. Sie habe gelogen und betrogen und Streit im Team verursacht. Die Pflegedienst-Chefin sagt, an sie wäre niemand herangetreten und habe gesagt, dass Fentanyl-Pflaster fehlen. 

Der Verstorbene sei der Zeugin „lange hinterhergelaufen“, weil er den Schlüssel zur Tabletten-Box wollte. Die Zeugin sagt, er habe als Pflegekraft „perfekt sein wollen“. Weil er aber keine Ausbildung hatte und somit keine Medikamente geben durfte, habe sie das nicht erlaubt. Richter Ziegler hält der Zeugin nun die Aussage ihrer Ex-Mitarbeiterin vor: Dass Fentanyl-Pflaster fehlten, dass sie die Medikamente gegeben habe, dafür unterschreiben habe müssen und die Chefin auch darüber informiert habe. Die Geschäftsführerin hält dagegen, dass bei ihr keine Pflaster gefehlt hätten.

Fentanyl-Dosierung der Mutter war doppelt so hoch

Nun geht es um die Fentanyl-Dosierung der Mutter der Angeklagten. Die Pflegedienstleiterin sagt, dass die Seniorin doppelt so hoch dosiert worden sei, und dann so stark auf das Pflaster reagierte, dass man es entfernen habe müssen. Dieses Pflaster habe die Pflegedienstleiterin in die Packung und zurück zum Arzt gebracht. „Ich habe aber nicht reingeschaut, wie viele Pflaster in der Packung waren.“ Es habe sich aber um eine 5-er-Packung gehandelt. 

Die Chefin sagt, jeder, der in der Pflege-WG arbeitete, habe Zugang zu den Fentanyl-Pflastern gehabt. Die Frage des Verteidigers, ob die Pflegedienstleitung den Bestand der Pflaster regelmäßig prüfe, bejaht die Zeugin. Von Unterschriften trotz fehlender Bestände weiß sie nichts. Die Zeugenvernehmung wird sodann beendet. Der Prozess gegen die angeklagte Krankenschwester wird am 21. November fortgesetzt

+++ chiemgau24.de berichtet auch dann wieder live aus dem Gerichtssaal +++

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Update 17:00 Uhr – Interne Gespräche über fehlende Fentanyl-Pflaster

Nun wird die Pflegedienstleitung in den Zeugenstand gerufen. Der Vorsitzende Richter beginnt mit der Befragung des Herrn W. Der Zeuge bestätigt, dass der verstorbene 26-Jährige als Vollzeit-Pflegekraft für eine Seniorenwohngemeinschaft seines Pflegedienstes angestellt war. Es wird eine Liste von Mitarbeitern durchgegangen, die als sogenannte „Präsenzkräfte“ keine Medikamente verabreichen durften. Der Richter fragt den Pflegedienstleiter, ob es Situationen gab, wo diese Präsenzkräfte Medikamente verabreichen mussten – beispielsweise weil Pflegekräfte erkrankt waren. Der Zeuge sagt, in seiner Anwesenheit sei dies nicht geschehen

Auf die Frage, ob es Meldungen gab, dass Medikamente fehlten, antwortet der Zeuge kurz angebunden: „An mich nicht.“ Bei dem Pflegedienst handelt es sich um einen Familienbetrieb, mit Frau W. als Geschäftsführerin. Sie und ihre Tochter seien für die Personaleinteilung zuständig gewesen. Richter Ziegler fragt, ob vom Personal darüber gesprochen wurde, dass Medikamente fehlten. Weil auf die Frage beim ersten Mal keine ausreichende Antwort gegeben wird, muss der Richter noch einmal fragen. Nun gibt der Zeuge zu, dass über das Fehlen von Fentanyl-Pflastern gesprochen worden sei. 

Mit dem Verstorbenen sei der Zeuge eng befreundet gewesen. Er gibt an, dass der 26-Jährige hoch motiviert und beliebt gewesen sei. Der Richter möchte wissen, ob der Verstorbene in Bezug auf die starken Medikamente aufgeklärt und näher unterwiesen wurde. Der Zeuge verneint dies. Der Richter verliest eine Notiz der Aufsichtsbehörde, wo eine sicherere Verwahrung der Fentanyl-Pflaster angeraten wurde. Die Frage, ob die Präsenzkräfte Zugang zu den Pflastern hatten, musste der Zeuge bejahen.

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Update 16:01 Uhr – Verstorbener an seinem Erbrochenen erstickt

Nach einer Mittagspause wird mit der Vernehmung von Beamten der Kriminalpolizei Traunstein fortgefahren. Nachdem der Verstorbene am 16. März 2022 in seiner Wohnung in Tacherting gegen 12.50 Uhr leblos aufgefunden wurde, war nach erfolglosen Wiederbelebungsversuchen die Kriminalpolizei Traunstein informiert worden. Die Beamten fanden den Leichnam unter einer Wolldecke in seinem Wohnzimmer auf. Im Bereich des Nackens – unter dem Haaransatz – war das Fentanyl-Pflaster aufgeklebt. Der 26-Jährige sei an seinem Erbrochenen erstickt.

Dann wird eine ehemalige Mitarbeiterin vom Pflegedienst Weber in Tacherting in den Zeugenstand gerufen. Hier arbeitete die Angeklagte als Fahrerin und der Verstorbene als Pflegekraft. Die Rumänin sagt aus, dass sie ursprünglich als Hauswirtschafterin eingestellt wurde. Eine Ausbildung zur Pflegekraft hat die Zeugin nicht absolviert. Trotzdem wurde sie nach einiger Zeit für die Pflege eingesetzt und sollte auch Tabletten und Fentanyl-Pflaster geben.

Töchter warnen Zeugin vor harter Droge

„Dann hat immer wieder etwas gefehlt“, sagt die Zeugin. Weil im November zwischen drei und fünf der Pflaster gefehlt hätten, habe die Rumänin ihren Töchtern davon erzählt. Diese arbeiten im medizinischen Bereich und hätten sofort Alarm geschlagen und die Zeugin gewarnt, dass es sich um eine harte Droge handele. „Das darfst du nicht drauf tun“, hätten ihre Töchter die Zeugin gewarnt, und sie dürfe auch nicht unterschreiben, wenn Pflaster fehlten.

Für die Pflege der Personen in dem Quasi-Pflegeheim, in dem auch die Mutter der Angeklagten untergebracht war, waren drei Vollzeit-Kräfte angestellt, darunter die Zeugin und der Verstorbene. Weil die dritte Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben war, könnte laut der Zeugin nur der Verstorbene für das Fehlen der Fentanyl-Pflaster verantwortlich sein.

Der 26-Jährige sei vor seinem Tod „total durch den Wind gewesen“, so die Zeugin. Sie erzählt von einem Vorfall, bei dem der junge Mann sie sehr aggressiv angegangen habe. Sie habe ihre Chefin informiert, doch laut der Mitarbeiterin sei ihre Chefin mit der Familie des Verstorbenen befreundet gewesen. Den Hinweis der Zeugin, dass immer Fentanyl-Pflaster fehlten, habe die Pflegedienstleitung als Einbildung abgetan und nicht ernst genommen.

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Update 11:45 Uhr – War dem Toten die Stärke von Fentanyl nicht bewusst?

Die Stiefmutter des jungen Pflegers sagt, er habe sich sehr bemüht, seinen Hauptschulabschluss zu schaffen. Mit Behördendeutsch und medizinischen Texten habe er sich aber recht schwergetan. Weil er am 16. März 2022 nicht zur Deutsch-Nachhilfestunde erschienen sei, hätten sich die Adoptiveltern Sorgen um den 26-Jährigen gemacht und die Polizei informiert. 

Noch am Vorabend sei der Sohn noch bei ihnen gewesen. Dabei habe er zwei Weißbiere getrunken und deswegen sein Auto bei den Eltern stehen gelassen. Wenige Tage vor dem Tod ihres Sohnes habe die Stiefmutter in der Wohnung ihres Sohnes ein Fentanyl-Pflaster gesehen. „Da war ich sauer und ich habe ihn gefragt, wo er das herhat“, so die Mutter. 

Ihr Sohn habe ihr geantwortet, dass er es von der Angeklagten habe und ihr eine Nachricht mit einem Foto von der Krankenschwester gezeigt. Die Stiefmutter sagt, sie sei der Meinung gewesen, dass ihr Adoptivsohn als Pfleger wusste, wie stark das Medikament sei. Bei der weiteren Befragung widerspricht sich die Mutter diesbezüglich und sagt, ihr Sohn habe wohl nicht gewusst, wie stark Fentanyl sei.

Laut der Zeugin soll der junge Mann seinem Vater das Fentanyl-Pflaster aber auch gegen leichtere Schmerzen vorgeschlagen haben. Ihr Sohn habe öfter unter stärkeren Kopfschmerzen gelitten. Auf die Frage von Richter Ziegler, ob ihr Adoptivsohn Drogen konsumiert habe, sagt die Zeugin, dass er an Silvester einmal etwas geraucht und Speed gezogen habe. Aus diesem Grund habe er eine MPU machen müssen und sei regelmäßig getestet worden. Die Ergebnisse seien aber immer negativ ausgefallen.

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Update 1:10 Uhr – Adoptivmutter des Verstorbenen sagt aus

Die Befragung der Anklagten durch den Vorsitzenden Richter Volker Ziegler wird fortgesetzt. Der Verteidiger der 66-jährigen Krankenschwester erklärte anfangs, seine Mandantin habe keine Möglichkeit gehabt, ein Pflaster aus der Medikamentenpackung ihrer Mutter abzuzweigen, ohne dass dem Pflegedienst dies aufgefallen wäre. „Ich werde vom Pflegedienst informiert, wenn die Pflaster ausgehen“, so die Angeklagte. 

„Wenn hier irgendwo etwas rausgenommen worden wäre, dann hätte ein Pflaster für die Mutter gefehlt“, so der Rechtsanwalt. Zwar habe die Krankenschwester die Packungen von der Apotheke geholt, aber diese immer verschlossen an den Pflegedienst weitergegeben, der den Bestand auch registriert habe. Die Mutter habe jeden dritten Tag ein neues Fentanyl-Pflaster bekommen. 

Die Angeklagte berichtet außerdem von einem Vorfall, der sie sehr beunruhigt habe: Als sie beim Arzt ihrer Mutter ein weiteres Rezept für die Pflaster abholen wollte, habe die Assistentin ihr gesagt, dass das Rezept bereits abgeholt wurde. Sie selbst wusste aber davon nichts. Erst durch weiteres Nachforschen habe sie herausgefunden, dass der Pflegedienst das Rezept bereits abgeholt habe.

Dann wird der erste Zeuge in den Gerichtssaal gerufen: Ein Polizeibeamter, der beim Auffinden des verstorbenen Tachertingers dabei war. Er sagt aus, dass die Stiefeltern des Pflegers ihren Sohn vermisst gemeldet hatten, und daraufhin dessen Wohnung in Tacherting geöffnet wurde. Dort habe man den Leichnam mit dem Fentanyl-Pflaster aufgefunden.

Die Stiefmutter des verstorbenen 26-Jährigen wird als nächste Zeugin in den Saal gerufen. Zuerst befragt sie der Vorsitzende Richter zum Leben ihres Adoptivsohnes. Der junge Mann stamme aus Iran und sei erst 2017 von der Servicekraft und ihrem Mann adoptiert worden. Er sei sehr beliebt gewesen, habe gut bayerisch gesprochen und mit Begeisterung eine Ausbildung zur Pflegekraft begonnen.

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Update 10:15 Uhr – Krankenschwester streitet Vorwurf ab

Die Verhandlung gegen die Krankenschwester aus Engelsberg beginnt mit etwas Verspätung. Die 66-Jährige weint und ist sehr nervös und aufgeregt. Die Anklage wirft der 66-Jährigen vor, einem Mann aus Tachterting ein Fentanyl-Pflaster aus dem Medikamentenbestand ihrer Mutter geschenkt zu haben. Dazu habe sie am 14. März 2022 das Pflaster hinter den Scheibenwischer des Mannes geklemmt und ihn per WhatsApp-Nachricht informiert, dass sie „etwas“ für ihn beim Auto hinterlassen habe. 

Der Tachertinger soll sich zwei Tage später das Fentanyl-Pflaster auf seinen Nacken geklebt haben – laut Anklage, um seine Kopfschmerzen zu behandeln. Nur Stunden später starb er wohl an den Folgen einer Überdosis. Nach Verlesung der Anklageschrift gibt der Verteidiger, Christian Straub aus Burghausen, eine Erklärung für seine Mandantin ab: Die Angeklagte arbeitete beim Pflegedienst und kannte daher auch den verstorbenen Mann aus Tacherting. 

Sie habe ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu dem jungen Pfleger gehabt, der sich sehr verständnisvoll und gut um ihre demente Mutter gekümmert habe. Am besagten Tag habe sie dem Mann als nachträgliches Weihnachtsgeschenk einen 20-Euro-Schein zusammengefaltet hinter den Scheibenwischer geklemmt, und ihm die besagte WhatsApp-Nachricht geschrieben. Sie habe großen Respekt und Dankbarkeit gegenüber dem Mann gehabt, der ihre demente Mutter pflegte. 

„Weil meine Mutter wegen ihrer Demenz so aggressiv ist, hat es mir oft sehr leid getan, wie sie ihn behandelte“, so die Angeklagte selbst. Die ausgebildete Krankenschwester, sagt, dass ihr nie eingefallen wäre, jemandem ein Fentanyl-Pflaster aus dem Medikamentenbestand ihrer Mutter zukommen zu lassen, da sie auch aus der Behandlung ihrer Mutter sehr wohl wisse, wie gefährlich das sei.

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Der Vorbericht

Traunstein; Engelsberg – In den USA ist das Schmerzmittel „Fentanyl“ schon länger als „Killer-Droge“ bekannt: Das synthetische Opioid* sorgt in Nordamerika für die wohl größte Welle an Drogentoten in seiner Geschichte. Alle sieben Minuten soll dort ein Mensch an der Droge sterben – unter Amerikanern im Alter zwischen 18 und 49 Jahren ist Fentanyl die Todesursache Nummer 1. Doch nicht nur in den Vereinigten Staaten sorgt das Medikament für Tote: Auch in Deutschland nimmt der Missbrauch von Opioiden zu.

So wird ab dem 14. November am Landgericht Traunstein wegen eines Fentanyl-Toten aus Tacherting prozessiert. Er soll am 16. März 2022 an den Folgen einer Überdosis durch ein Fentanyl-Pflaster verstorben sein. Das hochdosierte Schmerzmittel soll ihm eine Krankenschwester aus Engelsberg als „Geschenk“ unter den Scheibenwischer seines Pkws geklemmt haben. Weil ihre Mutter regelmäßig mit Fentanyl behandelt werde, soll die Krankenschwester Zugang zu der Droge gehabt haben.

Liegt ein minder schwerer Fall vor?

Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat die 66-Jährige nun wegen Abgabe von Betäubungsmitteln mit Todesfolge verklagt. Sie soll leichtfertig den Tod des Tachertingers verursacht haben, der angeblich nur seine Kopfschmerzen behandeln wollte. Auf diesen Tatbestand sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vor. In einem minder schweren Fall könnte die Krankenschwester mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Für den Prozess sind nur zwei Verhandlungstage angesetzt. Mit dem Urteil wird bereits am 21. November gerechnet.

* Opioide sind synthetisch hergestellte Substanzen, die eine morphinähnliche Wirkung haben. Das bekannteste halbsynthetische Opioid ist Heroin, das durch einen chemischen Prozess (Acetylierung) aus Morphin hergestellt wird. Weitere vollsynthetische Opioide sind beispielsweise Fentanyl oder Methadon (www.drug.com).

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