Schweineleben mit Hindernissen
Schwein gehabt: „Wir würden Sissi und Rosa natürlich gern behalten“
Vorhang auf für die Schweinemädels Sissi und Rosa. Ihre Bühne ist ab jetzt auf dem Lebenshof Kuhtopia bei Petting. Die zwei Tiroler Säue mussten umziehen, weil ihre Besitzerin Michaela an einer schweren Krankheit leidet. Die bewegte Vorgeschichte und wie es jetzt mit den beiden weitergeht:
Petting – „Als wären zwei Gräfinnen eingezogen“ – Helen lacht. Sie kommt gerade aus dem Schweinestall und hat das erste Mal versucht, Sissi und Rosa zu füttern. Abendessen ans Bett. Sie zieren sich wohl trotzdem noch, obwohl sich alle richtig Mühe geben, dass sich die beiden schnell einleben können. Ihre bisherigen Besitzer Michaela und Martin sind gerade abgereist und für die zwei Schweine ist noch alles ungewohnt.
Neues Zuhause von Sissi und Rosa: Der Lebenshof Kuhtopia bei Petting
Zwei Stunden vorher: Wir sind auf dem Lebenshof Kuhtopia bei Petting verabredet. Uns zeigt sich bei der Ankunft ein idyllisches Bild. Kühe grasen seelenruhig auf der Weide, Hühner gackern und vor der Haustür hat sich eine Katze ausgestreckt. Über die ungewöhnliche Hofübernahme des Ehepaars Stefanie und Helen Mühlbacher haben wir von Chiemgau24.de bereits berichtet. Helen fasst das Wichtigste in Kürze nochmal für uns zusammen:
„Die Tiere, die hier wohnen, sind häufig ehemalige Nutztiere, die einfach nur leben dürfen. Also müssen die Kühe zum Beispiel keine Milch mehr geben. Wenn Tiere krank sind, werden sie medizinisch versorgt und nicht zum Schlachter geschickt. Es geht darum, dass sie gesund und in Ruhe leben können.“ Und zur tierischen Familie gehören jetzt auch Sissi und Rosa – zwei sogenannte Minischweine. Aber wie kam es dazu?
Wieder ein Neustart für die Schweine: nicht der erste
Vor dem Schweinestall steht ein Wohnmobil mit Tiroler Kennzeichen: Michaela und Martin haben sich so nah wie mögliche an „Ihre“ Schweinedamen geparkt. Bald naht der Abschied. Bevor es so weit ist, erzählt mir Michaela die bewegte Geschichte von Sissi und Rosa, die schon einiges in ihrem Schweineleben durchgemacht haben:
Rosa - ein wildes Mädchen
„Von Rosa weiß man, dass sie vom Dobratsch, das ist ein Berg in Kärnten, aus einer wilden Schweineherde stammt.“ Ob die Eltern von Rosa weggelaufen sind oder ausgesetzt wurden, wisse man nicht. „Die haben sich dort wild vermehrt und es war auch Inzucht im Spiel“, erklärt Michaela. Deshalb sei Rosas Gesicht auch so faltig und die Ohren verkrüppelt. Um die Inzucht und auch das Vermischen mit Wildschweinen zu stoppen, wurden die Tiere beschlagnahmt und Rosa landete auf dem Melcherhof, einem Tierschutzhof.
Sissi - zutraulich und verfressen
Dort wohnte bereits unter anderem Sissi. Das schwarze Minischwein war einst ein geliebtes Hausschwein. Auf dem Tierschutzhof ging es ihr nicht gut. Bei all den Tieren ging sie unter: „Sie hat da massiv zugenommen in kürzester Zeit, und durch das heraus Rehe und eine Gehbehinderung entwickelt.“ Michaela kannte den Hof, hatte bereits Tiere von dort übernommen und ist so auf Sissi mit ihrer Gehbehinderung aufmerksam geworden. Die Tirolerin ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und konnte das Tierleid von Nutztieren irgendwann nicht mehr ertragen:
„Kein Tier will sterben - jedes Tier will eigentlich leben“
„Ich habe irgendwann gemerkt, dass nicht nur ich das nicht okay finde, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren oder Zähne zu ziehen. Oder Schwänze zu kürzen. Beziehungsweise, dass du eigentlich nicht abartig bist oder nur Mitleid empfindest, wenn Mutter und Kalb getrennt werden, sondern dass das irgendwie ganz tiefgreifende Gefühle sind, die auch Tiere empfinden. Und kein Tier will sterben. Jedes Tier will eigentlich leben.“ Auch Sissi, trotz ihrer Gehbehinderung. Und so zog sie zu Michaela. Und weil Schweine unglaublich soziale Tiere sind, sollten sie eigentlich nie allein gehalten werden. Also nahm Michaela auch die wilde Rosa mit.
Schweine sind super intelligent und empfindsam
Intelligenter als ein zweijähriges Kind - Eine Studie aus den USA beweist: Schweine können sogar Computersticks benutzen und sind mindestens so schlau wie Hunde. Sie leben, wenn sie dürfen, in engen Familienverbänden und können sich über viele Monate Ereignisse merken. Leider führt diese Erkenntnis nicht zu mehr Tierwohl bei der Haltung von Mastschweinen: Die empfindsamen Wesen werden nach wie vor in katastrophalen Verhältnissen gehalten, ohne Tageslicht, kaum Raum, um sich zu bewegen, ohne soziale Kontakte.
Krebsdiagnose: die Schweine brauchen ein neues Heim
Sissi und Rosa hatten wiederum bei Michaela und ihrer Familie ein schönes Leben. Dann bekam Michaela die Diagnose Osteomyelofibrose, eine Form des Knochenmarkskrebses. Die Krankheit schwächt Michaela und sie braucht jetzt alle Kraft, um dagegen anzukämpfen und Zeit für ihren Sohn und ihre Familie zu haben. Zudem fielen auch noch einige Spenden von Tierschützern weg, die sich im Zuge der Pandemie die finanzielle Unterstützung der Schweine nicht mehr leisten konnten. Eine Lösung musste her:
Die Zukunft der beiden Mädels ist rosa-rosig
„Natürlich hätten wir Sissi und Rosa gern behalten. Das war gestern für mich ganz traurig, sie ein letztes Mal zu füttern, ein letztes Mal zu verladen. Und jetzt auch heute hier, es ist auf der einen Seite traurig, auf der anderen Seite weiß ich aber, dass es für alle so die beste Entscheidung ist.“ Denn - die beiden Schweinedamen sind nicht irgendwo gelandet, sondern auf dem Lebenshof von Steffi und Helen, wo man sie schon seit vielen Monaten freudig erwartet:
Besuchern etwas „über die Tiere erzählen, die sie nur als Schnitzel kennen“
Bislang leben auf dem Hof 13 Kühe und 20 Hühner: Warum jetzt eigentlich auch noch Schweine, wollen wir von Steffi wissen?„Wir freuen uns natürlich zum einen über jedes Tier, dem wir hier ein friedliches Leben ermöglichen können. Aber es geht auch um Bildungsarbeit.“ Was haben sogenannte Nutztiere eigentlich für Bedürfnisse und wie werden sie aber gehalten, um möglichst viel Nutzen für den Menschen rauszuholen, das würden sie gerne vermitteln: „Neben Rindern und Hühnern sind Schweine die größte Nutztierart in Deutschland. Und so können wir jetzt Interessierten auch über die Tiere etwas erzählen, die sie oft nur als Schnitzel kennen.“
Sissi und Rosa suchen noch ihre Paten
Wer sich für die Bewohner des Lebenshofs Kuhtopia interessiert und vielleicht auch mal die Schweinemädels persönlich kennenlernen will, ist herzlich willkommen: Es gibt Besuchstage, die auf der Homepage des Vereins veröffentlicht werden. Richtig freuen würden sich alle auch über Patenschaften für Sissi und Rosa oder eins der anderen Tiere. Auch Michaela appelliert vor ihrem Abschied nochmal an uns: „Ich finde es toll, was Steffi und Helen da machen, das ist wirklich unterstützenswert. Es ist schön und bereichernd. Man kann sich ja vielleicht auch als kleine Familie eine Patenschaft schenken und dann hierherkommen und sehen, was man da Tolles unterstützt.“



