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Zwei Jungbäuerinnen aus Petting und ihr Kuhtopia

Hofübernahme mal anders: „Wir werden keine Milch oder Fleisch produzieren“

Kuhtopia. Stefanie Mühlbacher und Helen Hinrichs auf ihrem Lebenshof mit Kuh
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Kuhtopia: Stefanie Mühlbacher (rechts) und Helen Hinrichs starten mit ihrem Lebenshof bei Petting durch. Hier mit Kuh Silvester.

Viele Bauern in unserer Region stehen vor einem Problem: Sie finden keine Nachfolger. Ein bisschen unkonventionell und mit ganz viel Enthusiasmus: In dem kleinen Weiler Kirchberg bei Petting will ein junges Paar mit dem Konzept des Lebenshofes neue Wege einschlagen. Utopisch oder innovativ? Wir haben „Kuhtopia“ besucht.

Petting – Felder und Wiesen, ein paar Hühner, ein Stall mit Kühen. Auf den ersten Blick fügt sich der Bauernhof bei Petting in das klassische Idyll einer oberbayerischen Landschaft. Hier hat Tradition und Brauchtum noch ein Zuhause - oder? „Manchmal hat man dann so Wahnvorstellungen, dass man durchs Dorf geht und angespuckt wird, aber das wird wahrscheinlich nie der Fall sein.“ Stefanie Mühlbacher lacht und auch ihre Verlobte, Helen Hinrichs, muss schmunzeln. Sie starten gerade mit ihrem Lebenshof Kuhtopia durch.

Nutztiere: Mehr als nur ein Produkt?

Was ist eigentlich ein Lebenshof, wollen wir zu Beginn unseres Gespräches wissen: „Ein Lebenshof ist ein Bauernhof, auf dem sogenannte Nutztiere leben, die aber nicht mehr als Nutztiere hergenommen werden, sondern einfach leben dürfen.“ In der Küche des Bauernhauses von Kuhtopia haben wir es uns bequem gemacht und Stefanie ergänzt ihre Antwort: „Kühe, Schafe oder Ziegen sind ja für viele nur bekannt durch die Produkte, die man im Supermarkt kauft als Konsument. Wir wollen nicht den Nutzen der Tiere sondern ihr Wesen präsentieren und anderen Nahe bringen.“

Einige Bewohner von Kuhtopia (von links) Luise, Biene und Lotte und ganz rechts Huhn Origami. Lotte und Luise sind Zwillingsgeschwister. Die aufregende Geschichte ihrer Geburt kann man auf der Website von Kuhtopia nachlesen.

„Kühe laufen uns sogar auf den Schlachttransport hinterher“

Stefanie Mühlbacher ist Einheimische, auf dem Hof der Eltern groß geworden und kennt die herkömmliche Landwirtschaft: „Ich weiß, dass meine Eltern schon einen gewissen Anspruch hatten, dass es den Tieren gut geht im Rahmen der Nutzung und die versuchen sich auch gut zu kümmern. Trotzdem hat da was für mich nicht gepasst.“ Am konkreten Beispiel wird deutlich, was sie meint: „Die Kühe laufen uns sogar auf den Schlachttransport hinterher, so sehr vertrauen sie uns. Und dann schickt man die weg und sie werden umgebracht und aufgegessen.“

Auch Kuh Bambina muss nicht mehr um ihr Leben fürchten. Sie hat, wie alle tierischen Bewohner, ein Wohnrecht auf Lebenszeit.

„Ich habe mich gleich in die Kühe verliebt“

Damit soll jetzt Schluss sein: Helen und Stefanie haben sich zwar in Berlin kennengelernt, aber das Landleben schnell beide zu schätzen gewusst: „Wir sind dann auf den Hof um meine Familie in einer schwierigen Situation zu unterstützen und haben dort ausgeholfen.“ Stefanie erzählt, dass beiden schnell klar war, bleiben zu wollen:  „Ich habe dann gesagt, wenn wir den Hof übernehmen, dann machen wir das nur als Lebenshof, und wir werden keine Milch oder Fleisch produzieren.“ Die Tiere wollten sie aber behalten, erklärt Helen: „Für Steffi hat das einfach, weil sie so aufgewachsen ist, dazugehört und ich kann das total verstehen. Als ich das erste mal hier war, hab ich mich auch gleich total in die Kühe verliebt“ erzählt Helen, die in Schwerin aufgewachsen ist.

Helen Hinrichs hat sich nicht nur in die Kühe auf dem Hof verliebt: Sie weiß auch schon eine ganze Menge über Hühner. Hier mit Huhn Zänglein.

Zwischen Computer und Stall

Gelernt haben die beiden Jungbäuerinnen etwas ganz anderes: „Irgendwas mit IT“, antwortet Helen auf die Frage, was ihr Beruf sei und dann gibt es aber doch noch die genaue Bezeichnung: Sie studiere gerade noch Game Development und habe eine Anstellung nach dem Abschluss im Sommer in Aussicht. Stefanie arbeitet bereits Vollzeit als Webdesignerin. Das schöne sei, dass die Arbeit mit den Tieren eine guter Ausgleich sei für die Computerarbeit: „Ganz viele Leute aus dieser Branche kriegen irgendwann einen Burnout und wollen dann gern aufs Land ziehen und Gärtner werden.“ Und bei Ihnen, so Helen, sei die Work-Life Balance bereits hergestellt.

Stefanie Mühlbacher beim Füttern der Kühe. Der Stall soll perspektivisch erweitert und umgebaut werden.

Mit einer Patenschaft für den Tierschutz

Der Lebenshof Kuhtopia ist als gemeinnütziger Verein also nicht dazu da, die Existenz der beiden zu sichern: „Perspektivisch ist das so gedacht, dass nicht wir den Hof finanzieren und auch nicht der Hof uns, sondern der Hof sich selbst.“ Wie soll das gehen? „Wir wollen das vor allem auf den Patenschaften aufbauen.“ So sei dann für den Lebensunterhalt, wie Futter, Unterstand und Tierarzt gesorgt. Was habe ich denn da davon, will ich wissen: „Ein gutes Gefühl“ – eine klare Antwort von Helen. Aber es gäbe auch die Möglichkeit, sein Patentier persönlich kennenzulernen. Und wer Pate wird, bekommt auch eine Urkunde mit der Geschichte des Tieres.

Das Huhn Mykki: Weder Hahn noch Henne

Insgesamt leben 20 Hühner, 10 Kühe und zwei Katzen auf dem Hof und für alle kann man eine Patenschaft übernehmen: Da wäre zum Beispiel Mykki: „Dieses Huhn war schon mal adoptiert worden und wurde zurückgegeben, weil Mykki sich mit dem anderen Hahn dort verkracht hat. Die meinten dann, das wäre doch gar keine Henne. Und Mykki ist tatsächlich keine Henne aber auch kein Hahn sondern eben was dazwischen.“ Bei ihnen fühle Mykki sich jetzt wohl und die Lieblingsbeschäftigung sei Sandbaden.“

Huhn Mykki und Kuh Biene.

Tierschutz auch für andere zugänglich machen

Kuhtopia ist aber nicht nur ein Ort, an dem sich Tiere wohlfühlen sollen. Auf vier Säulen sei das Konzept aufgebaut: Tierschutz, Umweltschutz, vegane Lebensmittelproduktion und Bildung. Stefanie und Helen wollen ihren Ansatz, Tiere nicht nur auf ihren Nutzen zu reduzieren, auch weitergeben: „Wir würden gern regelmäßig Besuchstage anbieten mit Führungen am Hof. Also seien es Schulklassen oder Kindergartengruppen, Erwachsene oder Familien.“

Hier übt das Huhn Zänglein schon mal Traktorfahren.

„Erklärungsbedarf bei den Nachbarn?

Ein junges, lesbisches Paar, das von Milchwirtschaft umsteigt auf vegane Lebensmittelproduktion. Kühe und Hühner, die einfach so leben dürfen ohne Nutzen - mitten in Oberbayern: Sind benachbarte Bauern in der Umgebung schon nervös?: „Die Leute sind eher verwundert und man muss ihnen erklären was wir machen wollen hier“, berichtet Stefanie von den ersten Erlebnissen: „Es ist nicht unser Ziel, anderen Bauern jetzt irgendwas zu vermiesen oder abzusprechen“, und sie betont, dass sie ja ein ganz anderes Ziel hätten - eben nicht die Vermarktung von tierischen Produkten sondern Tierethik: „Wir haben uns vorgenommen, da offen zu bleiben und mutig zu sein und das zu kommunizieren, was wir hier machen. Und dabei aber auch zu versuchen, die Bauern und Bäuerinnen aus der Umgebung mitzunehmen.“

20 Hühner haben bei Stefanie und Helen ein Traumzuhause gefunden. Sie stammen aus einem Biobauernhof aus der Schweiz. Dort wollte man die Anzahl der Hühner von 2000 auf 250 reduzieren. Hühner haben in zu großen Gruppen Stress, erklärt uns Helen.

Mit einem Hoffest soll es losgehen

Ein guter Zeitpunkt, sich einfach mal selbst ein Bild von Kuhtopia zu machen, ist das Hoffest am 8. April. Um diese Zeit dürfen die Kühe auch „endlich wieder Gras unter den Klauen spüren“, freut sich Helen. Dann öffnen sich die Tore für Besucher. Bis dahin kann man aber auch auf der Website mehr erfahren und sich vielleicht ja schon mal in ein Patentier vergucken.

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