Paragleiter aus Landkreis Traunstein abgestürzt
Gleitschirmpilot schwer verletzt: „Acro-Flugmanöver können schnell außer Kontrolle geraten“
„Die haut es leider immer wieder runter“ - Die Polizeidienststelle Kössen hat vermehrt mit Unfällen im beliebten Paragleit-Gebiet zu tun. Am Dienstag (14. Januar) stürzte ein erfahrener Gleitschirmpilot aus dem Landkreis Traunstein in die Tiefe. Die Ursache - ungeklärt, aber: Er soll vor dem Absturz Kunstflug-Figuren geflogen sein. Das sogenannte Acrofliegen sei mit einem potenziell höherem Risiko verbunden als ein normaler Gleitschirmflug, erklärt Karl Slezak vom deutschen Hängegleitverband:
Kössen – Laut Deutschem Hängegleitverband (DHV) kam es allein im Jahr 2023 zu 386 Unfällen von deutschen Gleitschirm-Piloten im In- und Ausland. Immer mehr Menschen finden Gefallen daran, nicht nur in die Berge zu gehen, sondern auch über sie hinwegzuschweben. Ein gewisses Risiko nehmen sie dabei in Kauf: Zuletzt ereignete sich am Dienstag (14. Januar) am Unterberg bei Kössen ein schwerer Unfall eines Gleitschirmpiloten.
Gleitschirmpilot aus Landkreis Traunstein: 80 Meter abgestürzt
Der 33-Jährige aus dem Landkreis Traunstein sei laut Pressemeldung der Polizei Kössen ein erfahrender Pilot gewesen. Aus bisher ungeklärter Ursache sei der Pilot in einer schnellen Eigenrotation aus zirka 80 Metern Höhe zu Boden gestürzt. Ein geworfener Rettungsschirm habe sich, so Beobachter des Unfalls, in zirka 50 Metern Höhe nicht vollständig geöffnet.
Fast ungebremst landete der Paragleiter auf einer schneebedeckten Wiese und wurde in weiterer Folge schwerverletzt mit dem Hubschrauber in das Traunsteiner Krankenhaus gebracht. Zum aktuellen Gesundheitszustand konnte die Polizei Kössen keine aktuellen Angaben machen, die Verletzungen seien als schwer eingestuft worden. Die Ursache des Absturzes sei ungeklärt, dennoch: Der Pilot sei an dem Unfalltag vor dem Absturz Kunstfiguren geflogen
Acrofliegen - Besonders hohes Risiko durch Kunstflug-Figuren?
„Potenziell ist das Risiko größer als beim normalen Gleitschirmfliegen, also dem klassischen Thermikfliegen. Es besteht immer die Gefahr, dass anspruchsvolle Acro-Manöver außer Kontrolle geraten.“ Karl Slezak ist Referent für Sicherheit beim Deutschen Hängegleitverband. Das sogenannte Acrofliegen, erklärt er weiter, würde aufgrund des erhöhten Risikos oft über Gewässern trainiert werden.
Ossiacher See, Gardasee oder Achensee - es gäbe laut Slezak viele Alpenseen, die auch schon eine sichere Infrastruktur für Kunstflug-Akrobaten aufweisen: „Wenn etwas schiefläuft, geht es ins weichere Wasser und nicht auf den harten Boden.“ Daher sagt auch die, von Slezak für den DHV geführte Statistik: keine signifikant höheren Unfallzahlen beim Acrofliegen. Gefährlich würde es werden, wenn mit zu wenig Sicherheitshöhe über Land trainiert würde.
Gleitschirmunfälle: „meist ist ein Pilotenfehler die Ursache“
Inwieweit das bei dem Piloten aus dem Landkreis Traunstein eine Rolle gespielt haben könnte, ist unklar. Die Polizei Kössen erklärt im Gespräch, dass hier auch nicht weiter ermittelt werden würde. Sie teilen Gleitschirmunfälle in zwei Kategorien auf: „Pilotenfehler oder technisches Gebrechen.“ Meist sei ein Pilotenfehler die Ursache.
Der Pressesprecher der Polizei Kössen erklärt: „Ist dann keine weitere Person involviert, wird nicht weiter ermittelt.“ Aber: Die Austro Control, zuständiges Unternehmen für Sicherheit im privaten, österreichischen Flugverkehr, würde solche Unfälle dokumentieren: Ziel? Die Verbesserung von Flugausbildungen und Prävention. Ursachenforschung betreibt auch der DHV. Karl Slezak nennt die größten Risiken beim Gleitschirmfliegen:
„Bei unklaren Wetterbedinungen auf Flug verzichten - Garant für langes Leben“
„Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten ist als häufige Ursache für Unfälle zu nennen. Pilotinnen und Piloten müssen deshalb über eine sichere Selbsteinschätzung ihrer Fähigkeiten verfügen.“ Darüber hinaus, sei regelmäßiges Training wichtig. Zentrale Rolle beim Gleitschirmfliegen spielt das Wetter: Sichere Wetterfenster seien im Vergleich zu anderen Fluggeräten beim Gleitschirm klein. Mit maximal 50 Kilometer pro Stunde fliege ein Paragleiter und ist somit sehr anfällig für Turbulenzen. Wind- und Wetterverhältnisse einzuschätzen, nehme entsprechend einen hohen Stellenwert in der Ausbildung ein.
Rettungsschirm öffnet nicht - „Auslösung aus zu geringer Höhe“
„Die Fähigkeit, bei unklaren Wetterbedingungen auf einen Flug zu verzichten, ist ein wichtiger Garant für ein langes, verletzungsfreies Leben.“ Um für noch mehr Sicherheit zu sorgen, haben Gleitschirmpiloten einen Rettungsschirm dabei. Laut Pressebericht der Polizei Kössen hat auch der abgestürzte Pilot aus dem Landkreis Traunstein noch versucht, den Sturz mit dem Auswerfen des Rettungsschirms in einer Höhe von ungefähr 50 Metern zu verhindern. Dieser habe sich aber nicht vollständig geöffnet:
„Meist passiert das, wenn die Auslösung des Rettungsschirmes in zu geringer Höhe erfolgt. Gemäß Prüfvorschriften müssen Rettungsgeräte innerhalb einer Strecke von 30 bis 60 Meter öffnen.“ Einmal offen, so Slezak, ermögliche der Rettungsschirm eine sichere Landung. Neben dem Rettungsschirm seien viele weitere Präventionsmaßnahmen bei dieser Sportart Standard: Das Material wird vor dem Flug strengen technischen Prüfungen unterzogen. Schutzprotektoren und Helme sind zertifiziert. Präzise Flugwetterberichte erleichtern die Flugplanung. Die Ausbildung und anschießende Prüfung sei darüber hinaus sehr umfangreich.
Trendsportart Paragleiten? „Keine Sportart für nebenbei“
Trotz der intensiven Ausbildung von Gleitschirmpiloten – laut Statistik steigt die Zahl der Unfälle in den letzten Jahren kontinuierlich an. Woran liegt das? Dazu müsse man sich die Zahlen genauer ansehen, weiß Slezak. Die Zahl der Gleitschirmflieger sei in den letzten 20 Jahren von zirka 20.000 auf zirka 37.000 angestiegen. Somit seien die absoluten Unfallzahlen gestiegen, nicht aber die relativen - also Unfall pro Pilot. Ist Gleitschirmfliegen zur Trendsportart geworden?
„Es gibt nichts, was einem die Welt und ihre Beschwernisse gründlicher vergessen lässt als ein Gleitschirmflug.“ Und so kann Karl Slezak sehr gut verstehen, dass immer mehr Menschen seine Leidenschaft teilen. Eine Sportart für nebenbei sei das Paragleiten aber nicht: „Für einen echten Trendsport ist jeder Flugsport, auch das Gleitschirmfliegen, zu anspruchsvoll. Es erfordert Aufwand, Aufmerksamkeit, Lern- und Trainingsbereitschaft und eine Grund-Sportlichkeit.“