Aktion im Achental
Schwenden? Warum sich Brasilianer, Türken, Westfalen und Bayern auf der Alm treffen
Zahlreiche Freiwillige trafen sich in Unterwössen zur dritten Schwend-Aktion des Achental Tourismus. Aber was ist das eigentlich genau?
Unterwössen – Mit dem Wetter hätte man es anfangs besser treffen können, als sich die zwölf Freiwilligen am Parkplatz am Fuße des Hochgerns in Unterwössen trafen. Der beginnende Regen hielt die Helfer aber nicht ab, sich auf der Ladefläche eines Unimogs auf den Weg hinauf zum Hochgernhaus zu machen. Sie waren der Einladung des Achental Tourismus am vergangenen Samstag, den 20. Juli gefolgt, dort oben am Berg an einer gemeinsamen Schwend-Aktion mitzumachen. Gut gelaunt ging es die rund fünf Kilometer hinauf auf 1461 Meter Höhe.
Bedeutung des Schwendens für die Erhaltung der Almen
Schwenden, also das Entfernen von unerwünschter Vegetation, ist eine zentrale Aufgabe, um die Verbreitung von Waldstrukturen auf den Almen zu verhindern. Diese Maßnahme ist essenziell, um die verschiedenen Insekten- und Pflanzenarten auf den Almen zu schützen und zu fördern. „Es geht dabei auch um den Artenschutz”, sagt Almbauer Sepp Loferer junior, der die Schwend-Aktion auf der Wuhrsteinalm koordiniert. „Almweiden sind nach dem Regenwald die artenreichsten Flächen der Erde, was Kräuter und Pflanzen betrifft.” Die Almflächen müssen für die Beweidung der Rinder freigehalten werden. Wenn die Verbuschung der Weiden überhandnimmt, müssen die Rinder ausweichen. „Das führt zu mehr Flurschäden und dadurch wird wieder das Tor geöffnet für noch mehr Verbuschung.”
„Wir leben von und mit den Almen”
Die Schwend-Aktion am vergangenen Samstag ging vom Achental Tourismus aus, und ist bereits die dritte ihrer Art und wenn es nach den Veranstaltern geht, wird es auch nicht die letzte gewesen sein. Parallel dazu fanden sich auch Freiwillige an der Wuhrsteinalm ein. Am Hochgern ist neben Elisabeth Keihl, Vorstand des Achental Tourismus auch Christian Tegethoff. Er ist beruflich Almfachberater im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim. Bei der Aktion ist er allerdings privat dabei und unterstützt mit Erfahrung und Fachwissen.
„Das Ganze ist entstanden, weil wir in dem Bereich gerne etwas machen wollten”, sagt Elisabeth Keihl. „Das passt gut mit dem zusammen, was wir in Sachen Tourismus machen. Wir leben von und mit den Almen und wollten helfen.” Jeder, der mitmacht, habe seinen Spaß, sagt Keihl. „Es ist ein schöner Mix aus Einheimischen und Gästen.”
Almen als Hotspot der Biodiversität
Immer wieder geraten die Almbauern und die, die sich um die Landschaft dort kümmern, an Menschen, die denken, es wäre besser, wenn man alles einfach der Natur überlassen würde. Aber gerade die Arbeit der Almbauern und die der Landwirte im Tal, die dort hineingesteckt wird, ist es, was diese einzigartige Kulturlandschaft ausmacht. „Nur durch diese Kulturlandschaft haben wir diese Artenvielfalt, die wir dann wiederum schützen wollen”, sagt Christian Tegethoff. Das Mosaik, das auf den Almen zwischen offenem Land und Waldbereichen herrscht, sei das, was die Artenvielfalt ausmachen. „Deswegen spricht man bei den Almen auch über den Hotspot der Biodiversität. Nur durch die Pflege können wir das erhalten. Wenn wir das der Natur überlassen und nichts mehr tun, dann wächst alles zu, und die Artenvielfaltskurve geht wieder nach unten. Das ist etwas, was viele aber nicht verstehen”, so Tegethoff.
Es geht los
Aber zurück zu den Freiwilligen Helfern. Oben am Hochgernhaus angekommen, regnete es noch immer heftig. Also wurde beschlossen, etwas zu warten, bis sich der Regen gelegt hatte. Beim Eintreffen im Hochgernhaus ist der Gastraum bereits gut gefüllt und es riecht trotz der frühen Uhrzeit nach Kaiserschmarrn. Betrieben wird das Haus von dem Ehepaar Maike und Thomas “Ali” Issa seit November 2023. Im Gegensatz zu vielen anderen Holzhäusern wird das Haus ganzjährig betrieben. Mit viel Leidenschaft und Fürsorge kümmern sich die beiden um ihre Gäste.
Nachdem der Regen nachgelassen hatte, ging es quasi vor der Tür gleich los. Da es noch zu nass war, um auf die Wiesen zu gehen, schwenkte man kurzentschlossen zu einer provisorischen Arbeit um. Auf dem Weg und den Wiesen galt es zuerst, lose Steine zu sammeln, die die Tiere im Laufe der Zeit losgetreten hatten und nun ein Risiko darstellen. Unermüdlich packten sich alle einen Eimer und los ging‘s. Die Ladefläche des Unimogs war auch nach kurzer Zeit bereits gut gefüllt.
Nicht nur Einheimische machen mit
Beim Schwenden geht es, wie bereits erwähnt, um die heimische Almwirtschaft. Wer jetzt aber denkt, dass sich bei einer solchen Aktion nur Einheimische beteiligen, liegt falsch. Die waren natürlich auch dabei. Die Gruppe setzte sich aber auch aus Gästen zusammen, die eigentlich ihren Urlaub im Achental verbringen. Max und sein Vater Tom kommen aus Essen. „Es gefällt mir gut bisher und macht schon Spaß”, sagt Max während der Mittagspause. Der Tag ist für ihn etwas Besonders, es ist sein 13. Geburtstag. Ein Geburtstag, den er mit Arbeit verbringt und sich eigentlich wahrscheinlich anders vorgestellt hatte. „Es ist halt auch nur ein Tag”, sagt er. Vater Tom erklärt weiter, dass die Familie alle zwei Jahre nach Unterwössen kommt. „Wir kennen das hier und haben schonmal mitgearbeitet, wenn auch noch nicht bei dieser Aktion”, sagt er. „Ich finde solche Aktionen toll, weil die meisten Menschen im Urlaub nichts zu tun haben und es hilft, man bewegt was. Man geht dann auch mit einem guten Gefühl wieder nach Hause.” Auch künftig wollen die beiden wieder mitmachen.
Schwenden goes international
Mit dabei war auch Mehmet. Er wohnt seit sieben Monaten in Grassau, kommt aber ursprünglich aus der Türkei. Beim gemeinsamen Mittagessen war er gut gelaunt und voll motiviert. „Es hat viel Spaß gemacht und ist die perfect activity”, sagt er in einer Mischung aus Deutsch und Englisch. Bei Diego wiederum gelang die Kommunikation nur auf Englisch. Er kommt aus Brasilien und ist derzeit für seinen Arbeitgeber zu Besuch in der Gegend. „Ich wollte etwas machen und habe die Aktion im Internet gefunden”, sagt Diego. „Ich habe ein paar Mails geschrieben, und jetzt bin ich hier. Ich dachte, dass ich damit auch etwas Gutes tun kann.” Auch für ihn ist die Arbeit auf der Alm etwas Neues, aber er habe eine Menge Spaß, sagt er mit einem Lächeln.
Optimiertes Weidemanagement
Nach der Pause ging es dann hinaus auf die Almwiesen, um damit anzufangen, weswegen man auf den Hochgern gekommen war. Aufgeteilt in zwei Teams machten sich die Freiwilligen auf, um umgestürzte Bäume zu zerteilen und dorthin zu bringen, wo sie die Tiere nicht stören können. „Wir sind bei der Weitalm am Hochgern so weit, dass wir die typischen Schwendaktionen, bei denen man junge Fichtenanflüge oder Zwergsträucher wegschneidet, nicht mehr machen”, sagt Christian Tegethoff. „Wir haben das Weidemanagement so weit optimiert, dass das gar nicht mehr auftritt.” Alles, was zuwächst, sei auf nicht optimal abgestimmtes Weidemanagement zurückzuführen.
Derzeit sind 65 Rinder auf der Alm am Hochgern. „Das heißt, alles, was die Tiere nicht fressen, bleibt stehen, verholzt oder es bleiben Zwergsträucher, Dornengewächse oder kleine Fichten übrig, die Tiere nicht mehr verbeißen und dann entstehen Verbuschungen und Waldinseln.” Das müsse man dann mit dem klassischen Schwenden wieder wegbringen. „Bei uns ist es so, dass wir die Almfläche, so offen wie sie jetzt ist, mit den Tieren sehr gut erhalten können, weil wir sie optimiert haben.” Am Tag der Schwend-Aktion werden Windbruch,- oder Schneedruckbäume aufgearbeitet. „Man kann auch Bereiche, die vielleicht schon vor Jahren zugewachsen sind, wieder aufmachen, man macht Schneisen, damit beispielsweise das Birkwild wieder einen Lebensraum hat.” Durch solche Aktionen, die Strukturen wieder aufmachen, die vor Jahrzehnten zugewachsen sind, schaffe man wieder Lebensraum für Tiere.
Gemeinsam für mehr Biodiversität auf den Almwiesen




Nach Stunden harter Arbeit kamen die Freiwilligen wieder am Hochgernhaus zusammen, um den Tag erschöpft, aber zufrieden mit Kaffee und Kuchen ausklingen zu lassen. Auch Elisabeth Keihl und Christian Tegethoff waren trotz des schlechten Wetters zu Beginn des Tages mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Eventuell soll es im Herbst eine weitere Aktion geben.


