Diskussion um neue Bekämpfungsregeln
Mückenplage am Chiemsee: Blutsauger wichtige Nahrungsquelle oder nur Nervtöter für Touristen?
Ein Antrag im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags startete im Januar die Diskussion um die Mückenbekämpfung am Chiemsee neu. Der Abwasser- und Umweltverband (AUV) Chiemsee möchte jetzt einen eigenen Antrag einbringen. Dabei sticht ein bedeutender Unterschied hervor.
Chiemsee – Quirin Schwaiger, Geschäftsführer des Abwasser- und Umweltverbandes (AUV) Chiemsee, gibt zu, ein „bisschen überrascht“ vom Antrag der Freien Wähler zur Stechmückenbekämpfung am Chiemsee gewesen zu sein. Im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags stimmten CSU und Freie Wähler dafür, dass künftig das biologische Eiweiß bti auch dann eingesetzt werden solle, wenn der Pegel des Chiemsees unter der bisherigen Grenze von 116 Zentimetern liegt. Außerdem soll die Larvendichte von 50 Stück in einem Liter Wasser wegfallen. Die Biologin Beate Rutkowski hält den Antrag für sinnlos.
Der AUV Chiemsee, ein Zusammenschluss von zehn Chiemsee-Gemeinden, wird in Kürze selbst einen Antrag bei der Regierung von Oberbayern einbringen. Das sagte Schwaiger zusammen mit Rimstings Bürgermeister Andreas Fenzl, Vorsitzender des Verbandsausschusses, im Gespräch mit dem OVB. „Die oberbayerische Regierung ist die Obere Naturschutzbehörde und ist für diese Belange zuständig“, erklärt Schwaiger. Das bisherige Abkommen zur Bekämpfung der Mücken mit bti (Bacillus thuringiensis israelensis) läuft Ende des Jahres aus.
Im neuen Antrag will auch der AUV Chiemsee die Regelung, den bti-Einsatz abhängig vom Pegelstand des Chiemsees zu machen, streichen. „Wir wollen beantragen, dass die Durchnässung der Wiesen um den Chiemsee eine Rolle spielt und nicht mehr die 116 Zentimeter Pegelstand des Chiemsees gelten“, erklärt Fenzl.
Er ergänzt: „Wir werden unterhalb einer bestimmten Larvenanzahl keine Genehmigung bekommen und auch nicht beantragen. Es geht ja bei uns neben der Bekämpfung oder Eindämmung der Stechmücken durchaus auch um den Naturschutz. Wenn ich Mittel ausbringe, wenn die Belastung mit Stechmücken nicht gegeben ist, dann steht das Ganze nicht im Verhältnis.“
Larvenanzahl ja, Pegelregelung nein
Heißt, die Larvenanzahl von 50 in einem Liter Wasser soll nach wie vor Grenzwert bleiben. Fenzl betont: „Die entsprechende Anzahl der Larven muss die Grundvoraussetzung für einen bti-Einsatz sein.“ 2023 sei es so gewesen, dass durch Starkregenereignisse die Wiesen um den Chiemsee permanent durchnässt gewesen seien, der Pegelstand aber nie über 116 Zentimeter gestiegen sei. Das Problem sei laut Fenzl auch, dass, wenn die Wiesen durchnässt sind und warme Witterung die Larvenbildung begünstigt, der bti-Einsatz innerhalb von fünf Tagen erfolgen müsse.
AUV-Geschäftsführer Schweiger weist darauf hin, dass Details zu klären seien und geschaut werde, was neue Studien ergeben hätten und welche neuen Erkenntnisse aus der Biologie vorliegen. „Ähnlich wie bei einem Bauantrag ist die Behördenbeteiligung und die Beteiligung öffentlicher Interessen vorhanden. Da werden Naturschutzverbände angeschrieben und gehört, die können eine Stellungnahme abgeben“, beschreibt Schwaiger den Vorgang.
BUND betont wichtige Rolle der Stechmücken im Naturkreislauf
Rainer Auer, Vorsitzender der BUND Naturschutz Kreisgruppe Rosenheim, sagt gegenüber dem OVB: „Wir finden, dass auch die Stechmücken in diesem komplexen System der Natur eine Funktion erfüllen. Und zwar nicht nur, Touristen zu nerven, sondern im Nahrungskreislauf eine wichtige Rolle für viele Tierarten zu spielen. Es ist nicht in unserem Sinne, die Stechmücken auszurotten“. Rutkowski, Vorsitzende der Kreisgruppe Traunstein des BUND und stellvertretende Landesvorsitzende, sagte kürzlich auf Anfrage des OVB: „Wir würden dem erhöhten Einsatz von bti nicht zustimmen.“ Die aktuellen Regelungen in den Naturschutzgebieten um den Chiemsee seien ein schwer erkämpfter Kompromiss. „Ich halte ihre Position für sinnvoll und richtig“, so Auer.
In der Bürgermeister-Runde herrschte über den Antrag Einigkeit: „Wir wollen das gemeinschaftlich beantragen, alle sind dafür“, versichert Fenzl. Im AUV sind die Gemeinden Bernau, Breitbrunn, Chieming, Grabenstätt, Chiemsee, Gstadt, Prien, Rimsting, Seeon-Seebruck und Übersee vertreten. Die Gemeinde Seeon-Seebruck beteiligt sich aber aktuell nicht an der bti-Stechmückenbekämpfung – in der nächsten Gemeinderatssitzung soll neu darüber abgestimmt werden.
Auch wenn der Antrag erst für 2026 gilt, kann in diesem Sommer das Eiweiß, welches die blutsaugenden Insekten tötet, eingesetzt werden. Dafür muss der Chiemsee am Alzauslauf bei Seebruck einen Pegel von 116 Zentimeter erreichen und 50 Stechmückenlarven in einem Liter Wasser nachgewiesen werden. Zuletzt kam bti 2020 um den Chiemsee zum Einsatz. Vergangenes Jahr wären die Voraussetzungen für einen Einsatz gegeben gewesen, aber bti war nicht mehr verfügbar.