Ex-Landwirtschaftsdirektor im Interview
Die Kuh ein „Klimakiller“? – Peter Dufter will mit manchen Vorurteilen aufräumen
Ist die Kuh wirklich ein Klimakiller? Oder sind manche Vorurteile falsch. Der ehemalige Traunsteiner Landwirtschaftsdirektor Peter Dufter will Klarheit schaffen. Im OVB-Interview spricht er über das angekratzte Image der Kuh und gibt Verbrauchern einen Rat, worauf sie achten sollten.
Unterwössen/Chiemgau – Sie produzieren Methan und schaden damit erheblich dem Klima: Kühe. Oft haben sie das Image des „Klimakillers“ – aber ist das wirklich so? Der ehemalige Traunsteiner Landwirtschaftsdirektor Peter Dufter will Klarheit über Behauptungen und Vorurteile schaffen. In Unterwössen und Teisendorf hielt der Siegsdorfer dazu zwei Vorträge. Im OVB-Interview erklärt er, wie es um den Ruf der Kuh steht, welche Vorteile ihre Haltung bringt und was Konsumenten beachten sollten.
Herr Dufter, geht es um Kühe, wird mit ihnen gern das Image eines „Klimaschädlings“ in Verbindung gebracht. Was ist dran?
Peter Dufter: Das ist viel zu kurz gegriffen. Natürlich scheiden Kühe Methan aus, aber das Methan ist der Preis dafür, dass sie Gras mit Hilfe ihrer Pansenbakterien in hochwertige Nahrungsmittel wie Milch und Rindfleisch veredeln. Gras kann der Mensch nicht essen. Und man muss wissen, dass 70 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Erdoberfläche aus verschiedensten Gründen nicht ackerfähig sind. Da spielt zum Beispiel das Klima eine Rolle, ebenso die Befahrbarkeit der Flächen oder auch die Hangneigung. Und genau diese Graslandflächen können für die menschliche Ernährung der bald 10 Milliarden Menschen nur über die Wiederkäuer, also Rinder, Ziegen, Schafe genutzt werden.
Woher kommen die Behauptungen, dass die Kuh klimaschädlich sei?
Dufter: Diese Behauptungen kommen von sehr einseitigen Betrachtungen, die die Kühe nur auf das Thema Methan reduzieren. Aber in Wirklichkeit gibt es einen Zielkonflikt zwischen Klimaerwärmung und künftiger Welternährung. Um diesen Zielkonflikt zu lösen, müssen wir gleichzeitig auf das Thema Nahrungskonkurrenz schauen. Und Kühe sind – wie schon erwähnt – mit Hilfe ihres Pansens dazu in der Lage, aus für den Menschen nicht-essbarer Biomasse, hochwertige Nahrungsmittel zu machen.
Um nochmal das Thema Methan anzusprechen: Wie schädlich ist die Menge, die Kühe ausstoßen?
Dufter: Methan ist wesentlich klimawirksamer als CO₂ und wird mit einer Halbwertszeit von zwölf Jahren in der Atmosphäre zu CO₂ abgebaut. In der Atmosphäre reichert sich das CO₂ an und selbst nach 1000 Jahren sind noch bedeutsame Anteile davon klimawirksam. Das Methan, das unsere Kühe abgeben, muss dabei aber völlig anders bewertet werden als das fossile Methan aus der Erdölgewinnung, oder das, was beim Fracking unkontrolliert freigesetzt wird. Denn das Methan von der Kuh ist ein biogenes Methan und befindet sich ja im Kohlenstoffkreislauf. Die gleiche Menge Kohlenstoff wurde zuvor von den Futterpflanzen über die Photosynthese aufgenommen. Anders ist das bei fossilem Methan aus Fracking oder Erdölgewinnung. Hier reichert sich das Abbauprodukt CO₂ in der Atmosphäre an und ist noch nach 1000 Jahren in bedeutsamen Mengen in der Atmosphäre klimawirksam.
Ist das auch belegt?
Dufter: Es gibt ein aktuelles Schätzverfahren zur Bewertung der Klimawirksamkeit von Gasen. Das sogenannte GWP100. Das wird aber kritisiert, weil es biogenes Methan aus der Tierhaltung unfair bewertet. Biogenes Methan wird nach 100 Jahren abgebaut, während fossiles CO₂ sich wie erwähnt anreichert. Der Weltklimarat hat entschieden, beim GWP 100 zu bleiben, empfiehlt aber die zusätzliche Berechnung für die Milchviehhaltung. Studien aus Österreich zeigen, dass das GWP 100 die Klimawirksamkeit von Milch und Rindfleisch um etwa 50 Prozent beziehungsweise 40 Prozent überschätzt. Diese Ergebnisse könnten auch auf Kühe im Chiemgau zutreffen.
Jetzt frag ich mal so – welche Vorteile bringt die Haltung von Kühen?
Dufter: Die Kuh kann nicht nur nicht-essbare Biomasse zu hochwertigen Lebensmitteln veredeln, sie sorgt darüber hinaus für die Offenhaltung und Pflege unserer Kulturlandschaft. Dies sichert nicht nur den Erholungswert unserer Region, sondern fördert auch die Biodiversität. Und insbesondere auf den Almen sorgt sie für Erosionsschutz durch Beweidung und dadurch für den Schutz der Täler vor Schlamm und Geröll. Ein ganz wichtiger Vorteil, speziell im Hinblick auf den Klimawandel, ist darüber hinaus die Erhaltung von Grasland. Denn unter Grasland sind in Form von Humus gewaltige Mengen organischer Kohlenstoff gespeichert. Und die Kuh sorgt dafür, dass dieser Speicher erhalten bleibt und oftmals sogar zusätzlich CO₂ durch Humusaufbau gebunden wird. Dies nennt man Kohlenstoffsenke.
Und der Konsum von Milchprodukten, Rindfleisch und Milch. Ist der schädlich fürs Klima?
Dufter: Forscher im Bereich Nachhaltigkeit fordern für die Zukunft Nutztiersysteme mit hohem Potenzial zur Verwertung von nicht-essbarer Biomasse. Und dabei ist unsere Grünlandkuh unschlagbar. Im Klartext heißt das: Das, was wir für die Zukunft brauchen, das gibt es schon, das ist unsere regionale Grünlandkuh. Wir brauchen sie nicht erst zu erfinden, denn es gibt sie schon. Aber wir müssen sie erhalten. Und das ist eine Herkulesaufgabe. Das kann nur gelingen, wenn wir durch den gezielten Kauf regionaler Milch und Fleischprodukte unsere heimischen Bauern tatkräftig unterstützen, selbst wenn diese Produkte etwas teurer sind. In jedem Fall ist es sinnvoll, in Gaststätten nach der Herkunft der Milchprodukte und der Herkunft von Rindfleisch zu fragen.