Mann aus Bergen soll 17-Jährigen sexuell missbraucht haben
Vermieterin (81) über Angeklagten (43): „Die jungen Kerle sind bei ihm ein und aus gegangen“
Traunstein/Grabenstätt/Bergen - Bisher steht es Aussage gegen Aussage - und Zeugen gibt es nicht: Ein 17-Jähriger soll betrunken im Halbschlaf von einem Mann sexuell missbraucht worden sein. Jetzt wird der Prozess am Traunsteiner Landgericht fortgesetzt.
Update, 15.24 Uhr - „Die jungen Kerle sind bei ihm ein und aus gegangen“
Nun wird die Vermieterin des Angeklagten als Zeugin geladen, eine rüstige 81-Jährige. Schon beim Betreten des Gerichtssaals winkt sie in Richtung Anklagebank und sagt: „Da hast uns ja was eingebrockt...“ Rund zwei Jahre vermietete sie bei Bergen eine kleine Wohnung an den Angeklagten – bis zu seiner Festnahme im vorigen August.
Am Morgen des 12. August 2023 sah sie den Angeklagten und den 17-jährigen Burschen, der zuvor mutmaßlich Opfer des sexuellen Missbrauchs wurde, das Haus verlassen. „Die beiden waren gut aufgelegt.“ Auch der 17-Jährige selbst sagte, dass der Angeklagte sich am Morgen äußerst freundlich verhalten hätte.
Überhaupt habe der Angeklagte oft Besuch von „jungen Kerlen“ gehabt, so seine Vermieterin: „Die sind ein und aus gegangen.“ Und sie fügt hinzu: „Für Frauen hatte er nichts übrig.“ Diesen Eindruck bekommt man auch beim nächsten Zeugen. Ein 19-Jähriger aus Ruhpolding traf ebenfalls am Grabenstätter Fest auf den Mann.
Auch einen Tag vorher zog der Angeklagte auf dem Fest-Parkplatz wohl seine Kreise. „Er hat auf dem Parkplatz herumgeschaut und mich dann gefragt, ob ich Geld dazuverdienen will.“ Das Angebot des 43-Jährigen: Er könnte den jungen Mann als Callboy vermitteln... Ob er in dem Zusammenhang auch bereit wäre, sich von Männern „einen blasen“ zu lassen?
„Ich hab das eher lustig gefunden und bin nicht drauf eingegangen“, erzählt der Ruhpoldinger. In einem Nebensatz habe ihn der Angeklagte aber auch gefragt, ob er schon wisse, wie er heimkomme. Genau so entstand auch der Kontakt zum 17-Jährigen, der als Geschädigter bereits vorm Landgericht aussagte. Das bestreitet auch der Angeklagte nicht. Es scheint seine Masche zu sein.
Der Kriminalpolizist berichtet von der Hausdurchsuchung beim Angeklagten in Bergen. „Er zeigte sich überrascht, konnte es sich nicht erklären.“ K.O.-Tropfen oder Ähnliches wurden nicht gefunden. Dass sich der 17-Jährige an den „Penis im Mund“ nur noch schleierhaft erinnern kann, liege einzig am Alkohol, ist sich ein Rechtsmediziner sicher. Der Bursch‘ sei „erheblich alkoholisiert“ gewesen: „Da sind Ausfallerscheinungen zu erwarten.“
Der Vergewaltigungsprozess gegen den einschlägig vorbestraften 43-Jährigen geht am Mittwoch (22. Mai) weiter. Dann dürfte auch mit einem Urteil gerechnet werden.
Update, 11.08 Uhr – Vater schildert Morgen nach mutmaßlicher Tat
Der erste Zeuge des Verhandlungstages ist der Vater des jungen Mannes, der missbraucht worden sein soll. Vom Angeklagten ließ er sich am Morgen nach der Tatnacht zu ihm fahren. „Er erzählte dann was von ‚Schwanz im Mund‘“, so der Vater. Langsam habe er dann realisiert, dass etwas „ganz Schreckliches“ passiert sein muss.
Auf dem Weg zur Polizei nach Traunstein dann der Zufall: der Sohn sah den Angeklagten mit dem Auto vor sich. Dann kam es zur „Verfolgungsjagd“, wie der Vater sagt. Mit der Lichthupe habe er den 43-Jährigen anhalten können. „Ich habe ihn zur Rede gestellt, ihn gefragt, was er mit meinem Sohn gemacht hat und wollte Namen und Telefonnummer. Das Kennzeichen hatten wir eh.“
Der Versuch, Freunde anzurufen, blieb erfolglos
Der Angeklagte meinte wohl, er habe sich nur um den damals 17-Jährigen „gekümmert“. „Wirr“ und „total durcheinander“ sei der Sohn an jenem Tag gewesen: „Er hat da was erlebt, was er nicht einordnen konnte“, meint der Vater des jungen Mannes.
Auch das Handy des mutmaßlichen Opfers wurde ausgewertet. Dadurch wird klar, dass er auf dem Fest in Grabenstätt nach 2 Uhr etliche Male versuchte, Freunde anzurufen – ohne Erfolg. Schließlich stand er alleine da und der Angeklagte kam ins Spiel, bot seine Fahrdienste an. Der erzwungene Oralsex beim Angeklagten zu Hause sei passiert, während er schlief, gab der junge Mann an – die Tatzeit müsste dann zwischen 3 und 8 Uhr morgens gelegen sein.
Vorbericht
Zu Prozessbeginn hat der 43-jährige Angeklagte die Vorwürfe bestritten: Er soll in der Nacht auf 12. August 2023 einen 17-Jährigen bei sich zuhause in Bergen sexuell missbraucht haben. Die Staatsanwaltschaft spricht von erzwungenem Oralverkehr, juristisch wäre dies eine Vergewaltigung. Die Umstände bestätigt aber auch der Angeklagte: Bei einem Fest in Grabenstätt ging der 43-Jährige auf den betrunkenen Burschen zu, bot ihm an, ihn zu einer Bekannten zu fahren. Weil man dort aber vor verschlossenen Türen stand, übernachtete er bei dem Mann...
Im Halbschlaf zum Oralverkehr genötigt?
Der 17-Jährige kann sich nur noch bruchstückhaft an die Nacht erinnern. Immer wieder habe er wegen des Alkohols „Blackouts“ gehabt. Wohnung und Bett des Angeklagten konnte er aber recht genau beschreiben - und dass er in der Nacht von dem Mann plötzlich herangezogen wurde und dann seinen Penis im Mund hatte. Weil er so „neben der Spur“ gewesen sei, hätte er aber keine Kontrolle gehabt. Sexuelles Interesse an Männern habe er nicht: „Ich hatte ihm eigentlich komplett vertraut.“
Die Verhandlung wird am heutigen Freitag (17. Mai) vor dem Traunsteiner Landgericht um 9.15 Uhr fortgesetzt. Der gebürtige Traunstein sitzt in Untersuchungshaft und stand unter offener Bewährung. Denn erst Ende 2022 wurde er am Amtsgericht wegen sexueller Nötigung verurteilt. Zusätzlich zur zweijährigen Bewährungsstrafe wurde ihm damals eine Therapie für Sexualstraftäter auferlegt.
chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.
xe